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»Warum?« keuchte sie. »Warum wollt Ihr unser Bündnis stören?«

»Weil Ihr mir gehören müßt.«

»Aber wer seid Ihr?« stöhnte sie. »Ich verstehe es nicht. Spricht man von Euch nicht als von einem Mann der Gebete und strengen Sitten? Sagt man nicht, daß Ihr die Frauen verachtet?«

»Die Frauen? Ja. Aber Ihr ... Unter dem römischen Bogen seid ihr Venus. Ich verstand ... Ah, wie ein Schleier zerriß es vor mir ... So lange warten zu müssen, ein ganzes Leben, um zu begreifen, was die Schönheit einer Frau bedeutet.«

»Was habe ich gesagt? Was habe ich an diesem Tag getan? Sprachen wir nicht von Eurem Kampf für Euren Glauben?«

»An diesem Tage ... lag die Sonne auf Euch, auf Eurer Haut, auf Eurem Haar ... Ich wußte nichts, und plötzlich verstand ich ... Die Schönheit einer Frau.«

Er hielt sie ein wenig von sich ab.

»Mache ich auch Euch Angst? Die Frauen haben mich immer gefürchtet. Ich gestehe Euch etwas, Madame, das wie eine blutende Schande in meinem Innern ist. Wenn ich bei meiner Frau eintrat, bat sie mich zuweilen mit erhobenen Händen, sie nicht zu berühren. Sie hat mir dennoch gehorsam gedient und mir drei Töchter geschenkt, aber es entging mir nicht, daß ich für sie ein Schreckbild war. Warum?«

Sie wußte es. Die Ironie des Zufalls oder der Vererbung hatte aus diesem Abkömmling eines Geschlechts, das vielleicht einen Schuß maurischen Bluts in sich aufgenommen hatte, aus diesem strengen Protestanten einen Liebhaber ungezügelter Leidenschaftlichkeit gemacht.

Der Anblick Angéliques hatte ihn wie der Blitz getroffen. Es gab also eine andere Möglichkeit des Lebens, deren Gnade auch ihm zugänglich war. Und weil sie ihm trotz ihrer Stärke und Schönheit schwach und hilflos erschienen war, hatten sich die Dämonen der Wollust aus ihren Fesseln gelost. Er nutzte die Macht, die er über sie hatte, fürchtete ihren Blick - und befahl. Es war ein erschöpfender Kampf durch die Äußersten gesteigerten Gefühle, die sich ihrer bemächtigt hatten. Die Rebellion, die sie als Komplizen zusammenführte, isolierte sie. Sie wurden zur Erfüllung ihrer beunruhigenden Leidenschaft gedrängt wie zur Notwendigkeit, die Soldaten des Königs zu vernichten und dem Herrn des Königreichs zu trotzen.

»Ihr werdet die meine sein«, wiederholte er dumpf. »Ihr werdet mir gehören .«

Die gleiche Beschwörung wie die des Königs. Dieselbe gebieterische Forderung.

»Eines Tages vielleicht ...«, stammelte sie. »Seid nicht roh.«

»Ich bin nicht roh.« Seine Stimme zitterte beinahe. »Sprecht nicht wie die andern Frauen, die sich fürchten. Ich weiß, daß Ihr keine Angst habt. Ich werde warten. Ich werde tun, was Ihr verlangt. Aber sträubt Euch nicht gegen meinen Ruf zum Stein der Feen.«

Auf dem Boden der mit Stroh ausgelegten Barke sitzend, fühlte sie sich leer und schlaff, als ob sie in Wirklichkeit die rasende Inbesitznahme erduldet hätte. Was würde geschehen, wenn sie einwilligte? ... Angélique bewegte den Kopf, um unerträgliche Bilder zu verjagen.

Eines Nachts im Wald ... der schwarze Jäger, der sie zu seiner Beute machte, sie mit seinem mächtigen, linkischen Körper ins Moos preßte. Sie wehrte sich gegen seine Hände, gegen den erstickenden Dunst seines Bartes, bis zu dem magischen Augenblick, in dem das Erwachen des Fleisches ihre Ängste verjagen und nur die Wonnen zurücklassen würde. Völliges Vergessen, Keuchen, Schreie ...

Unwillig warf sie den Kopf zurück. Die Nachtluft feuchtete ihr Haar.

Doch es regnete nicht. Für einen Moment blieb eine Furche aus schwarzem Marmor hinter dem Boot, die sich allmählich in der milchigen Stumpfheit einer dichten Schicht winziger Pflanzen verlor.

Der Mond, eine riesige, Opalen schimmernde Perle, ließ in das Dunkel unter den Zweigen nur spärliches Licht sickern, und der Umriß Meister Valentins, der im Heck stand und die Bootsstange in den Grund stieß, schien nicht weniger seltsam als die Silhouette der über den schmalen Wasserweg geneigten Erlen.

Der starke Duft der Minze verriet das nahe Ufer. Die Barke streifte es zuweilen, Zweige schabten über das Holz, aber der Müller bedurfte keiner Laterne, um sich in diesem Labyrinth zurechtzufinden. Angélique begann zu sprechen, um ihren Versuchungen zu entgehen.

»Erinnert Ihr Euch, Meister Valentin? Ihr wart schon ein Meister des Sumpfes, als Ihr mich hierherbrachtet, um Aale zu fangen.«

»Ja.«

»Besitzt Ihr noch immer die Hütte, in der wir einkehrten, um Suppe zu kochen und uns zu stärken?«

»Noch immer.«

Angélique fuhr fort, um dem Schweigen zu entrinnen:

»Einmal fiel ich ins Wasser. Ihr fischtet mich auf, ganz mit Algen bedeckt, und als ich nach Monteloup zurückkehrte, bekam ich Prügel. Man verbot mir, wieder in die Sümpfe zu gehen, und bald danach hat man mich ins Kloster geschickt. Wir sahen uns nicht wieder.«

»Doch. Bei der Hochzeit der Tochter Vater Sau-liers.«

»Ah, ja!«

Sie erinnerte sich.

»Du trugst einen schönen Tuchanzug«, sagte sie lachend. »Und eine gestickte Weste. Du gingst ganz steif und wagtest nicht zu tanzen.«

Sie sah die Scheune wieder vor sich, in der sie, von den Rundtänzen erschöpft, geschlafen hatte und in die Valentin ihr verstohlen gefolgt war. Er hatte seine Hand auf ihre schwellende Brust gelegt. Das Verlangen des großen, ein wenig einfältigen Jungen hatte als erstes die Marquise der Engel bedrängt. Die lästige Erinnerung genierte sie.

»Und danach«, sagte die träge Stimme des Müllers, als ob er dem Gang ihrer Gedanken gefolgt sei, »war ich krank. Mein Vater sagte mir: >Das wird dich lehren, um Feen herumzuscharwenzeln.< Er brachte mich zur Kirche Notre Dame de la Pitié, um Teufelsbeschwörungen über mir lesen zu lassen.«

»Meinetwegen?« fragte Angélique betroffen.

»Hatte er nicht recht? Ihr seid eine Fee.«

Sie unterdrückte ein Lächeln, aber der Ton Meister Valentins blieb ernst.

»Ich bin geheilt worden. Es hat lange gedauert. Später hab’ ich nicht geheiratet. Ich hab’ mir Dienerinnen genommen. Nicht mehr. Man erholt sich nicht so leicht von der Krankheit der Feen. Sie packt das Herz mehr als den Körper. Und die Seele bleibt vielleicht immer krank .«

Er verstummte, und das seidige Geräusch der streifenden Algen erfüllte das Schweigen, in dem plötzlich das Quaken einer Kröte erklang.

»Wir sind gleich da«, sagte der Mann.

Die Barke stieß ans Ufer. Der Geruch des Waldes und der Erde drang bis zu ihnen.

Auch die anderen, von den kleinen Lakaien geführten Barken legten nacheinander an.

»Kommt Ihr auf ein Gläschen mit zur Mühle, Frau Marquise?«

»Nein, danke, Valentin. Der Weg ist noch lang.«

Den Hut in der Hand, begleitete er sie bis zur Grenze des Waldes.

»Bei der alten Eiche dort erwartete Euch Nicolas, der Schäfer. Er hatte Walderdbeeren für Euch gesammelt und sie auf ein Blatt gelegt.«

Es war verblüffend, daß das Echo einer Stimme das Kinderherz in ihrem Frauenkörper wiederzuerwek-ken vermochte, der so verwinkelte Schicksalspfade gegangen war, und vor ihr das Bild eines kleinen Jungen mit schwarzen Locken und feurigen Augen, in der einen Hand den Hirtenstab, in der anderen duftende Früchte. So hatte er sie am Eingang seines eigenen Reiches erwartet: der Wiesen und Wälder.

Sie wischte die matt gewordene Vision beiseite:

»Nicolas«, sagte sie. »Weißt du, was aus ihm geworden ist? ... Ein Bandit. Man hat ihn auf die Galeeren des Königs geschickt. Weißt du, wie er gestorben ist? ... Ein Offizier stürzte ihn im Laufe einer Revolte, die er angeführt hatte, ins Meer .«

Und da der Mann neben ihr nichts sagte:

»Erstaunt es Euch nicht, Meister Valentin, daß ich so viel über Nicolas Merlot weiß, der seit so langem aus der Gegend verschwunden ist?«