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Nicht weit entfernt hörte sie Schritte. Angélique stürzte sich in die Deckung der Bäume.

Dragoner erschienen, gleich roten Teufeln das Ballett der Plünderer tanzend, das die Armeen belohnt und berauscht, seitdem der Mensch zum Krieger geworden ist.

Ein rauher Schrei, Zeugnis triumphierenden Genusses, stieg aus ihren Kehlen, während sie ihre langen Hellebarden gegen die Mauer richteten.

»Auf die Piken! Auf die Piken!«

Aus einem Fenster weiter oben wurde eine kleine Gestalt geschleudert, eine Puppe, die sich im Leeren drehte, Rebecca! .

Angélique verbarg ihr Gesicht in den Händen.

Von Entsetzen überwältigt, ließ sie sich ins Buschwerk gleiten und kehrte nach Plessis zurück.

Die vor dem Schloß zusammengedrängte Dienerschaft blickte in Richtung des benachbarten Wehrturms, an dem Flammen hochschlugen.

»Habt Ihr Rebecca gefunden?« fragte Madame de Cambourg. »Und den Baron?«

Angélique bemühte sich, ihre Züge nichts von dem Erlebten verraten zu lassen.

»Sie sind ... in den Wald geflohen. Wir werden dasselbe tun. Schnell, ihr Burschen, nehmt eure Mäntel und packt Lebensmittel zusammen. Wo ist Barbe? Man soll sie wachrütteln. Sie soll Charles-Henri anziehen.«

»Madame«, sagte La Violette. »Seht dort hinüber.«

Er wies auf zahlreiche Lichtpünktchen, die zwischen den Bäumen des Hanges abwärtstanzten: die Fackeln der Dragoner.

»Sie kommen hierher ... von Cambourg.«

»Sie rücken schon an!« schrie die Stimme eines der kleinen Lakaien. Auch am Ende der großen Allee leuchteten Fackeln auf. Die Dragoner näherten sich ohne Eile dem Schloß. Man hörte nur ihre Stimmen, die, noch fern, einander zuzurufen schienen.

»Gehen wir ins Haus und verriegeln wir alle Tü-

ren«, entschied Angélique. »Alle, habt ihr verstanden?«

Sie selbst prüfte die Eisenstangen, die man quer vor die Innenseite des Portals legte, die Schlösser, die schweren Holzläden, mit denen die Fenster des Erdgeschosses verbarrikadiert wurden. Vor vielen von ihnen befanden sich Gitter. Nur die beiden großen Fenster zu beiden Seiten des Portals waren ohne Schutz.

»Nehmt eure Waffen zur Hand und postiert euch in der Nähe dieser Fenster.«

Der Abbé de Lesdiguière zog ruhig seinen Degen. Malbrant erschien mit einem Armvoll Musketen und mit Pistolen beladen.

»Wo habt Ihr die her?«

»Ich habe mich ein wenig versorgt, als es hier unruhig wurde.«

»Ich danke Euch, Malbrant.«

Der Stallmeister begann die Musketen an die Männer zu verteilen. Selbst den Dienerinnen gab er Pistolen, deren schwere Kolben sie mit Schrecken ergriffen.

»Wenn ihr mit dem Pulver nicht zurechtkommt, Herzchen, könnt ihr das Ding immerhin beim Lauf nehmen und tüchtig auf die Schädel klopfen.«

Madame de Cambourg, die sich mit ihren Kindern in den Salon geflüchtet hatte, folgte Angélique mit angstvollem Blick.

»Was ist meiner kleinen Rebecca geschehen? Und meinem Mann? Ihr wißt etwas, nicht wahr, Madame?«

»Bleibt ruhig, ich bitte Euch! Soll ich Euch helfen, die Kinder ein wenig zur Ruhe zu bringen? Wir dürfen sie nicht aufregen.«

Mit gefalteten Händen glitt die Baronin de Cam-bourg auf die Knie.

»Laßt uns beten, Kinder. Ich weiß nun genug. Der Tag der Heimsuchung ist gekommen, von dem der Herr gesagt hat: >Ich werde die Meinen verlassen, um ihre Herzen zu prüfen. Ich werde sie dem Bösen ausliefern.««

»Madame! Die Dragoner!«

Durch ein halbgeöffnetes Fenster spähten die Diener besorgt nach draußen. Auf dem vom Licht der Fackeln rötlich beleuchteten Vorplatz war Montadours unförmige Gestalt auf dem schweren Apfelschimmel zu sehen. Der Kapitän schien Angélique noch dicker und massiver, als sie ihn in Erinnerung hatte. Acht Tage alte rote Bartstoppeln machten sein Gesicht noch gröber. Er schien aus rotem Ton zusammengefügt, aus schlecht getrockneter Ziegelerde.

Hinter ihm hielten sich einige Reiter vor dem unschlüssig zusammengedrängten Haufen des Fußvolks, die einen mit ihren Musketen, die anderen mit Hellebarden. Sie schienen sich über den weiteren Fortgang des Unternehmens nicht klar zu sein.

Das Haus war verbarrikadiert, aber hinter den bunten, mit Blei gefaßten Scheiben ahnte man auf der Lauer liegende Schatten.

»Aufgemacht da drinnen!« schrie Montadour. »Oder ich lasse die Tür einrennen.«

Niemand rührte sich. Vom Wald her, aus der Richtung von Cambourg, trafen weitere Dragoner ein und gesellten sich zu den andern. Die Erinnerung, daß sie hier fortgejagt worden waren und daß La Morinière vor weniger als einer Woche die Leichen von vier ihrer Kameraden auf diese Schwelle hatte werfen lassen, feuerte sie an.

Auf eine Handbewegung des Kapitäns näherten sich zwei mit riesigen Äxten bewaffnete Soldaten dem Portal. Die ersten dumpfen Schläge in das geschnitzte Holz erschütterten die Mauern. Eines der Kinder de Cambourg begann zu weinen, verstummte wieder, und ein gemurmeltes Gebet war zu vernehmen, das ihre Mutter sie aufzusagen hieß.

»Malbrant«, flüsterte Angélique.

Der Stallmeister hob langsam seine Waffe und schob den Lauf in die Öffnung des Fensters. Ein Schuß dröhnte. Einer der beiden Soldaten rollte auf die Fliesen vor dem Portal, Ein zweiter Schuß. Auch der andere fiel.

Die Dragoner stießen Wutschreie aus. Drei mit Musketen bewaffnete Männer stürzten mit erhobenen Kolben vor und begannen auf die Tür einzuschlagen.

Malbrant lud seine Waffe von neuem. Vom anderen Fenster aus gab La Violette einen sorgfältig gezielten Schuß ab, dem ein zweiter folgte. Zwei der Männer brachen zusammen. Malbrant erledigte den dritten.

»Zurück, Dummköpfe!« brüllte Montadour. »Wollt ihr euch einer nach dem andern abschießen lassen?«

Die Soldaten wichen wie ausgehungerte Wölfe zurück. In sicherer Entfernung zog Montadour seine Musketenschützen nach vorn. Eine Salve prasselte. Die Fensterscheiben zersplitterten und stoben in tausend vielfarbigen Funken über die Fliesen. La Violette, der sich nicht rechtzeitig gebückt hatte, fiel. Der Abbé de Lesdiguière raffte die den Händen des Dieners entglittene Waffe auf und nahm seinen Platz an der nun leeren Fensterhöhle ein. Durch die Schwaden des Pulverdampfs waren die verzerrten Gesichter der vorrückenden Dragoner zu erkennen. Ihre Offiziere schienen jedoch noch über eine andere, weniger gefährliche Angriffsmöglichkeit als die gegen das Portal zu beraten, die sie bereits fünf Männer gekostet hatte.

Angélique kroch auf den Knien zu La Violette hinüber und zerrte ihn an den Schultern in einen Winkel der Halle. Er war an der Brust verletzt, und auf seiner in den Farben der Plessis-Bellière, blau und gelb, gehaltenen Livree begann sich ein großer Blutfleck abzuzeichnen.

Die junge Frau hastete zur Küche, um Branntwein und Scharpie zu holen. Der Anblick Aurélies, der Frau des Kochs, die am Herd vor einem Zuber stand, dessen Inhalt sie aufmerksam überwachte, hielt sie auf der Schwelle fest.

»Was treibst du da? Kochst du Suppe?«

»Aber Frau Marquise! Ich bringe Öl zum Kochen, das wir ihnen wie in den guten, alten Zeiten über die Köpfe schütten werden.«

Leider war das Schloß Plessis kaum fest genug gebaut, um wie seine Ahnen aus dem Mittelalter Angriffen trotzen zu können.

Aurélie hob plötzlich den Kopf und horchte.

»Sie sind hinter den Läden! Ich hör’ sie schon kratzen!«

Wirklich hatten die Soldaten das Haus umgangen und machten sich nun an die schweren Fensterver-schläge der Küche. Gleich darauf dröhnten die ersten Axtschläge. Einer der Diener kletterte auf den Ausguß, um festzustellen, ob man sie durch eine der oberen Luken erreichen konnte. Aber es war zu schwierig.

»Lauft in den ersten Stock«, empfahl Angélique den drei kleinen Lakaien, die Malbrant mit Pistolen ausgerüstet hatte, »und schießt durch die Fenster.«