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»Ich hab’ nur meine Armbrust«, meinte der alte Antoine, »aber glaubt mir, Frau Marquise, sie ist tüchtig, wenn’s drauf ankommt. Paßt auf, ich werde die Tölpel in Nadelkissen verwandeln.«

Angélique kehrte mit Verbandszeug zu La Violette zurück. Durch die Halle schwammen Schwaden dichten Rauchs, der in den Augen brannte. Schon während sie niederkniete, sah sie, daß ihre Bemühungen vergeblich sein würden. Der Diener lag im Sterben.

»Frau Marquise«, stammelte La Violette mit von Blut halb erstickter Stimme, »ich wollte Euch sagen ... daß ich Euch in meinen Armen gehalten habe, ist die schönste Erinnerung meines Lebens.«

»Was sagst du da, armer Kerl?«

Er phantasiert, dachte sie.

»Ja, ja ... Damals, als der Herr Marschall mich schickte, um Euch zu entführen. Ich mußte Euch schon in die Arme nehmen, mußte Euch sogar ein wenig den Hals zudrücken, um zu Rande zu kommen ... Hab’ Euch angesehen, während ich Euch trug ... und darum ist es meine schönste Erinnerung, weil es eine Frau . so schön . wie Ihr .«

Seine Stimme ging in ein Flüstern über. Er schloß in einem Hauchen, das seinen Worten das Gewicht des Geheimnisses lieh:

». nicht mehr gibt.«

Sein Atem war kaum noch zu spüren. Sie nahm seine Hand:

»Ich vergebe dir, was du in jener Nacht getan hast. Soll ich den Abbé de Lesdiguière holen, damit er dich mit dem Segen der Kirche versieht?«

In letzter Abwehr raffte er seine schwindenden Kräfte noch einmal zusammen:

»Nein, nein, ich will in meiner Religion sterben.«

Richtig. Sie hatte es vergessen. Er war ja Protestant.

Sie streichelte über seine runzlige Stirn.

»Armer Kerl! Armer, gequälter Mensch. Geh, geh jetzt ... Möge Gott dich in seine Gnade aufnehmen.«

La Violette war tot. In einer Ecke stöhnte eine verwundete Dienerin. Das Gesicht Malbrant Schwertstreichs war schwarz von Pulverdampf. Die kleinen Lakaien schleppten Munition in die beiden Etagen.

»Ich muß etwas tun, muß Schluß damit machen«, dachte Angélique.

Sie stieg in den ersten Stock hinauf. Entschlossen öffnete sie eins der Fenster:

»Kapitän Montadour!«

Ihre Stimme vibrierte in der von scharfen Dämpfen gesättigten Nacht. Der Kapitän der Dragoner riß unten sein Pferd zurück, um sie besser sehen zu können. Er erkannte sie mit einer Mischung aus Furcht und Triumph. Sie war da! In der Falle gefangen! Er würde seine Rache haben.

»Mit welchem Recht wagt Ihr es, Kapitän, über eine katholische Wohnung herzufallen. Ich werde mich an den König wenden!«

»Eure katholische Wohnung ist ein Hugenottennest! Gebt uns die ketzerische Wölfin und ihren Wurf heraus, und wir werden Euch und Eure Söhne in Ruhe lassen!«

»Habt Ihr es nötig, Euch mit Frauen und Kindern zu befassen? Ihr tatet besser daran, die Banden de La Morinières zu verfolgen.«

»Eures Komplizen!« brüllte Montadour. »Glaubt Ihr, daß ich mir nicht meinen Reim gemacht habe? Ihr habt uns verraten, habt Euch dem Teufel ergeben, Zauberin! Und während ich meine Haut für unsere Religion zu Markte trug, seid Ihr in den Wald gelaufen, um uns an die Banditen zu verkaufen. Ich habe einen Eurer Galane zum Plaudern gebracht .«

»Ich werde mich an den König wenden!« rief Angélique so laut sie konnte. »Er und auch Monsieur de Marillac werden über Euer Verhalten unterrichtet werden. Denkt daran ... in den Intrigen der Großen sind die eifrigsten Diener immer diejenigen, die am ersten bestraft werden!«

Montadour zögerte eine Sekunde. Es war etwas Wahres in dem, was sie sagte. Schon jetzt konnte er sich ausmalen, daß das unerwartete Resultat, zu dem der von ihm und seinen entmutigten, mürrischen, von allen Verbindungen abgeschnittenen Soldaten unternommene Bekehrungsversuch des Poitous geführt hatte, ihm kein Wohlwollen einbringen würde. Aber seine Leute brauchten Morde und Plünderungen, um wieder Vertrauen zu sich zu fassen. Und niemals würde ihm eine zweite Gelegenheit in den Schoß fallen, sie, diese Frau, zu besitzen, deren Anblick ihn seit Monaten quälte und die ihn, Montadour, wie einen gemeinen Köter an der Nase herumgeführt hatte. Später würde er schon sehen. Aber vorher wollte er sie besitzen, sollte sie um Gnade wimmern, sich demütigen.

»Räuchert mir diesen Schlupfwinkel aus«, knurrte er mit einer großen Geste.

Und in seinen Steigbügeln stehend, das Gesicht ihr zugewandt, stieß er ein wildes, rohes Gelächter aus, in dem sein Haß und sein Verlangen mitschwangen.

Sie trat vom Fenster zurück. Durch Verhandeln war nichts bei ihm zu erreichen. Ein Geruch nach Rauch, anders als der des Pulvers, wehte von draußen herein.

Die schrille Stimme Aurélies kreischte unten: »Sie haben Feuer an den Läden gelegt!« Barbes verschlafenes Gesicht erschien in einem Türspalt:

»Was bedeutet all dieser Lärm, Madame? Man wird mir noch den Kleinen wecken.«

Die Dragoner haben es auf uns abgesehen. Schnell, nimm Charles-Henri, roll ihn in eine Decke und geh in den Keller hinunter. Ich werde auskundschaften, ob der Weg frei ist .«

Der unterirdische Gang! Er war ihre letzte Chance. Durch ihn konnte man Kinder und Frauen aus dem Schloß schaffen. Inzwischen mußte man zu Gott beten, daß alle Dragoner das kleine Wäldchen verlassen hatten, in dem sich der Ausgang des Ganges befand.

Sie flog in den Keller hinunter, aber schon, als sie zwischen den Fässern hindurchglitt, drängte sich ihr die schreckliche Gewißheit auf, daß ihnen auch dieser Ausweg verschlossen war. Von der anderen Seite des Pförtchens zum unterirdischen Gang hörte sie dröhnende Schläge und das dumpfe Gewirr von Stimmen. Sie hatten den Fluchtweg gefunden, zweifellos durch die Angaben des Mannes, den sie durch Folterungen zum Sprechen gebracht hatten.

Wie betäubt, das zitternde Nachtlicht in der Hand, starrte sie auf die halb zersplitterte Holzfüllung, die bereits unter den schweren Schlägen nachgab.

Sie stürzte die Treppe hinauf und legte die Riegel vor.

»Bleib hier«, sagte sie zu Lin Poiroux, der mit seinem Bratspieß hinzutrat, »und spicke mir all die stinkenden Tiere, die aus diesem Loch kriechen wer-den.«

»Feuer! Feuer!« schrillte die Stimme Aurélies.

Reisigbündel waren gegen die Mauer gehäuft worden, in den schweren Holzläden zeigten sich knisternd Risse, durch die beißender Rauch drang.

Die kleinen Lakaien kamen aus der ersten Etage herunter. Sie konnten die Angreifer nicht mehr erkennen, und außerdem war ihnen die Munition ausgegangen.

Sie starrten Angélique an, und in ihren Blicken wuchs allmählich das Entsetzen.

»Was sollen wir tun, Frau Marquise?«

»Wir müssen Hilfe holen«, sagte eine Stimme.

»Welche Hilfe?« schrie sie.

Ein Gesang erhob sich, ergreifend in seiner Traurigkeit:

»Empfange uns in Deinem Paradies, o Herr!

Wir haben Dir gedient all unsre Tage .«

Es waren die Hugenotten unter ihren Dienern, die sangen, auch die um ihre Mutter gedrängten Kinder de Cambourg, aus deren armen, kleinen Gesichtern die Angst nach und nach schwand, um einem heiteren Vertrauen Platz zu machen.

Angéliques Haare sträubten sich.

»Nein, nein, nein ...«, wiederholte sie.

Einmal mehr lief sie wie eine Wahnwitzige die Treppe hinauf bis nach oben, bis auf den Turm. Atemlos stützte sie sich auf der engen Plattform ge-gen die Brüstung und starrte nach allen Richtungen in das dichte, überall vom gleichen schrecklichen Scheiterhaufengestank erfüllte Dunkel der Nacht.

»Welche Hilfe? Welche Hilfe?« schrie sie wieder.

Sie wußte nicht einmal, wo sich die Truppen Samuel de La Morinières befanden.

Aus dem Innern des Schlosses drang ein dumpfer, explosionsartiger Laut herauf. Sie glaubte, eine Mauer sei zusammengestürzt, aber es war nur der gemeinsame verzweifelte Aufschrei der unglücklichen Belagerten, als sie der ersten ins Haus dringenden Dragoner ansichtig wurden.