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»Mein Engel ... Komm, ich bring’ dich weit fort ... Wir werden zusammen fortgehen ... Das gefällt dir, nicht wahr? Ich werde mit dir spielen .«

Die Sonne glänzte auf dem Haar aus goldener Seide an ihrer Schulter, und dieses Haar lebte, vom Windhauch bewegt.

»Armer, kleiner Junge! ... Armer, kleiner Herr!«

Bauern, die sich angstvoll die große Allee herauf näherten, sahen sie auf sich zukommen.

Sie nahmen ihr ihre Bürde aus den Händen und führten sie zum Haus des Intendanten Molines. Die Dragoner hatten es geplündert, aber nicht in Brand gesteckt. Jemand trug einen Stuhl in den Hof hinaus, und man nötigte sie, sich zu setzen. Sie wollte das Haus nicht betreten. Es gelang ihnen, ihr ein wenig Branntwein einzuflößen, und sie blieb dort, stumm, die Hände auf den Knien.

Die ganze Umgebung, alles, was an Bauern in den Pachthöfen und Weilern verblieben war, fand sich in Plessis ein. Betroffen starrten sie zu der trägen Rauchwolke hinauf, die über die Baumkronen zog. Der ganze rechte Flügel, in dem die Küchenräume untergebracht waren, hatte in Flammen gestanden. Der Brand war erloschen, man wußte nicht recht, weshalb, so daß den Überlebenden ein schlimmeres Schicksal erspart geblieben war. Man zog Malbrant Schwertstreich zwischen den Möbeln hervor, hinter die er geflüchtet war und die ihn wunderbarerweise beschützt hatten; dazu fand man drei der Mägde, denen die Rohlinge nichts anderes als Gewalt angetan hatten. Sie schluchzten, die Gesichter in den Armbeugen verborgen.

»Was denn? Was gibt’s denn da zu zetern?!« schimpften die alten Frauen. »Wer hat das nicht einmal in seinem Leben durchmachen müssen? Ihr seid nicht gestorben, das ist die Hauptsache! Und für den Rest: schnell getan, schnell vergessen, so will’s die Vernunft.«

Gegen Mittag zeigte Flipot seine Eichhörnchennase. Es war ihm gelungen, mit einem der kleinen Lakaien aus einem Fenster zu entkommen und sich im Wald zu verstecken.

Ein aus einer Wunde blutender Kopf lehnte sich gegen die Knie Angéliques, unterdrücktes Schluchzen schüttelte die schwachen Schultern. Es war der Abbé de Lesdiguière, die Stirn von einem schmutzigen Verband umwunden.

»Es ist entsetzlich, Madame! Sie haben mich verletzt. Ich habe Euch nicht bis zum Ende verteidigen können ... auch den armen Kleinen nicht.«

Man hatte ihn offenbar seines geistlichen Gewandes wegen geschont. Angélique stieß ihn zurück, von einem Schauder erfaßt, der nicht ihm, sondern ihr selbst galt.

»Berührt mich nicht . um alles in der Welt, berührt mich nicht!«

Und plötzlich:

»Wo ist Florimond?«

»Ich weiß es nicht. Auch den jungen Nathanaël hat man in Cambourg nicht gefunden.«

Von neuem in ihre Betäubung zurückfallend, schien sie ihn nicht zu hören. Sie sah den lachenden Florimond und Charles-Henri vor sich, während sie Gontran zu seinem Bild Modell standen.

»Kleiner Cherub mit dem Engelslächeln - Ihr seid allerliebst.

Kleines Wichtelmännchen voller Bosheit - Ihr seid allerliebst.«

»Die arme Dame wird närrisch«, flüsterte eine der Frauen, die sich in ihrer Nähe aufhielten.

»Nein, sie betet. Sie sagt die Litaneien auf.«

»Was ist das für ein Lärm dort im Park?« fragte Angélique, aus ihrer Versunkenheit erwachend.

»Es sind die Schaufeln der Totengräber, Madame. Man bestattet die Leichen.«

»Ich will hinüber.«

Sie erhob sich mühsam. Der Abbé de Lesdiguière stützte sie. Am Rande des Waldes, nahe dem Gitter, hatte man mehrere Gräber ausgehoben und die Leichen hineingebettet. Im Grase lagen nur noch der Koch Lin Poiroux und seine Frau Aurélie, die man sich wegen ihres Leibesumfanges bis zum Schluß aufgespart hatte.

»Wir haben den kleinen Herrn dort drüben beerdigt«, murmelte einer der Bauern, auf einen abseits liegenden Mooshügel deutend. Das Grab war bereits mit Feldblumen bedeckt.

Der Mann fuhr gedämpft fort, als bedürfe ihre Eile angesichts des erstarrten Gesichtsausdrucks Angéliques einer Entschuldigung:

»Wir haben es schnell ein wenig geschmückt. Später wird man ihn mit allen Ehren in die Kapelle von Plessis überführen. Aber die Kapelle ist verbrannt .«

»Hört zu«, sagte Angélique. »Hört mich an .«

Ihre erloschene Stimme festigte sich plötzlich und erhob sich nach und nach zu leidenschaftlichem Klang:

»Hört mich an, Bauern!« rief sie. »Hört ... Die Soldaten haben den letzten der Plessis-Bellière getötet ... den Erben des Besitzes. Das Geschlecht ist tot ... ist verloren! Sie haben ihn getötet. Sie haben euern Herrn getötet. Ihr habt keinen Herrn mehr ... Es ist zu Ende ... zu Ende für immer ... Es gibt keine Herren von Plessis mehr ... Die Linie ist erloschen!«

Die Bauern stießen einen klagenden, schmerzlichen Schrei aus, und das Schluchzen der Frauen verdoppelte sich.

»Es waren die Soldaten des Königs, die dieses Verbrechen begingen. Die Armee, die bezahlt wird, um die Leute der Provinzen zu mißhandeln und ihre Ernten zu verwüsten ... Nichtsnutzige Diebe, die nur aufhängen und entehren können . Fremde, die unser Brot essen und unsere Kinder töten ... Werdet ihr ihre Verbrechen ungestraft lassen? ... Wir haben sie satt, diese Briganten, denen wir im Namen des Königs auf Gnade und Ungnade ausgeliefert sind. Der König selbst würde sie hängen lassen. Wir aber . wir werden es für ihn übernehmen . Bauern, ihr werdet sie nicht aus dem Lande entwischen lassen, nicht wahr? Ihr müßt zu euren Waffen greifen und euch auf die Suche nach ihnen machen ... und euren kleinen Herrn rächen .«

Während des ganzen Tages verfolgten sie die Dragoner Montadours. Die Spuren, die die Truppe auf ihrem Wege zurückließ, waren leicht zu bemerken, und gegen Abend erfüllte sie eine Art bitterer Freude, als sie erkannten, daß die Banditen den Fluß nicht hatten überqueren können und sich erneut ins Innere der Provinz wandten. Ahnten sie, daß sie verfolgt wurden? Zweifellos nicht. Aber sie waren auf verödete Dörfer gestoßen, und dieses schweigsam gewordene, vom Mysterium seiner Bäume eingehüllte Land begann sie zu bedrücken.

Die Nacht kam, dann der Mond. Auf der Sohle der Hohlwege zogen die Bauern dahin. Sie waren nicht müde. Ihr Instinkt sagte ihnen, daß das Ende der Jagd nahe sei. Der dichte Teppich roter Blätter erstickte das Geräusch ihrer groben Holzschuhe, und die schwerfälligen Männer bewegten sich auf eine geschmeidige, umsichtige Art, die ihre Wilddiebsvergangenheit verriet.

Angélique war die erste, die die Kinnketten der weidenden Pferde klirren hörte.

Sie gab das Zeichen zum Halten und spähte, sich auf den oberen Rand der Böschung schwingend, zwischen den entlaubten Zweigen hindurch. Auf einem vom Mondlicht erhellten freien Platz, einem sanft geneigten Feld, schliefen die aneinandergedrängten Dragoner, von der Orgie der vergangenen Nacht und einem beunruhigenden, ziellosen Marsch erschöpft. Ein Posten döste neben den Glutresten eines Feuers, von dem ein dünner Rauchfaden träge zum sternen-bedeckten Himmel aufstieg.

Martin Genêt, einer der Pächter, der die Führung der Bauern übernommen hatte, erfaßte die Situation sofort.

Geflüsterte Befehle gingen von Mund zu Mund, und ein Teil der Leute entfernte sich, ohne daß mehr als ein leises Rascheln der Blätter ihre Bewegung verraten hätte.

Bald darauf erhob sich von der Talseite her der zitternde Schrei des Käuzchens, dem ein zweiter antwortete.

Der Posten rührte sich ängstlich, lauschte und versank wieder in seine Träumereien.

Von den vier Ecken des Feldes glitten lautlos schnelle Schatten heran. Kein Schrei zerriß die Stille, nur hier und da war das dumpfe Grunzen von Männern zu hören, die erwachten und von neuem in Schlaf versanken.

Am folgenden Tag erreichte Leutnant Gormat, der die Verbindung zu Montadour herstellen wollte, mit einer Abteilung von sechzig Männern die Region. Er suchte die Dragoner. Er fand sie inmitten eines Feldes mit durchgeschnittenen Kehlen, noch in der Haltung Schlafender, Die Tat war mit Sensen und Winzermessern begangen worden. Montadour war nur an seinem Wanst zu erkennen. Sein Kopf war verschwunden.