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Drei Paar Halbschuhe und ein Paar Stiefel hatten sich am Rande von Angéliques Lager aufgereiht. Sie wußte, daß die Halbschuhe mit roten Hacken und Schnallen aus vergoldetem Silber Monsieur de Breteuil gehörten, aber die andern waren ihr unbekannt.

Sie hob die Augen. Die Beine in den Stiefeln trugen eine dickbäuchige, in eine blaue Offizierskasacke gezwängte Erscheinung mit hochrotem, schnurrbärtigem Gesicht und rotem Haar.

Die Kastorschuhe mit silbernen Schnallen, schmucklos, wie es die Regel vorschrieb, in denen schwarze Beine mit mageren Waden steckten, wären auch dann ein untrügliches Zeichen der Anwesenheit eines zum Hof gehörenden Muckers gewesen, hätte Angélique in ihrem Eigentümer nicht sofort den Marquis de Solignac erkannt.

Die vierte Person, gleichfalls durch rote Hacken und zudem noch durch diamantbesetzte Schnallen ausgezeichnet, trug über einem breiten, ein wenig altmodischen Spitzenkragen das scharfgeschnittene, trockene Gesicht eines hohen Militärs, dessen Strenge noch durch einen gestutzten grauen Zwickelbart betont wurde. Diese letztere Person war es, die nach einer Verbeugung vor der zu seinen Füßen ausgestreckten jungen Frau das Wort ergriff.

»Ich habe die Ehre, mich vorzustellen, Madame. Ich bin der Marquis de Marillac, Gouverneur des Poitou und von Seiner Majestät beauftragt, Euch ihre Entschließungen zu übermitteln.«

»Könnt Ihr nicht ein wenig lauter sprechen, Monsieur«, sagte Angélique, ihre Schwäche unterstreichend. »Eure Worte gelangen kaum zu mir.«

Monsieur de Marillac blieb nichts anderes übrig als niederzuknien, um sich verständlich zu machen, und seine Begleiter mußten wohl oder übel seinem Beispiel folgen.

Angélique genoß hinter halbgeschlossenen Lidern das Vergnügen, die vier grotesken Gestalten kniend um sich versammelt zu sehen, und ihre Befriedigung wuchs noch, als sie feststellte, daß das Gesicht de Breteuils noch die roten, geschwollenen Spuren trug, die ihre Nägel hinterlassen hatten.

Währenddessen entfaltete der Gouverneur ein Pergament, nachdem er dessen Wachssiegel aufgebrochen hatte, und kratzte sich den Hals.

»An Madame du Plessis-Bellière, Unsere Untertanin, die, schuldig einer schweren Widersetzlichkeit gegen Uns, Unseren Zorn hervorgerufen hat. Wir, König von Frankreich, sind es Uns schuldig, diese Zeilen zu schreiben, um ihr Unsere Gefühle anzuzeigen, die sie vorgeben könnte nicht zu kennen, und sie zum Ausdruck ihrer Unterwerfung zu führen.

Madame,

Unser Schmerz ist groß gewesen, als Ihr vor einigen Monaten durch Undankbarkeit und Ungehorsam auf die Wohltaten geantwortet habt, mit denen Euch sowie die Euren zu überschütten es Uns gefiel. Trotz ausdrücklichen Befehls habt Ihr Paris verlassen, obwohl dieser Befehl durch den Wunsch diktiert war, Euch, deren impulsive Natur Wir kennen, vor Euch selbst und den unüberlegten Handlungen zu bewahren, die zu begehen Ihr hättet versucht sein können. Ihr habt sie begangen, habt Euch in Gefahren und Enttäuschungen gestürzt, vor denen Wir Euch schützen wollten, und seid deshalb unbarmherzig gestraft worden. Der verzweifelte Hilferuf, den Ihr Uns durch den Superiordes Redemptionistenordens, den R. P de Valombreuze, nach seiner Rückkehr aus Marokko habt zukommen lassen, hat Uns in Kenntnis der traurigen Lage gesetzt, in die Euch Eure Irrtümer gebracht hatten. Als Gefangene der Berber habt Ihr das Ausmaß Eurer Verirrungen ermessen können und Euch mit der üblichen Leichtfertigkeit Eures Geschlechts an den Souverän gewandt, den Ihr zuvor verhöhnt hattet, um seine Hilfe zu erflehen.

Mit Rücksicht auf den großen Namen, den Ihr tragt, und auf die Freundschaft, die Uns dem Marschall du Plessis verband, schließlich aus Mitleid mit Euch selbst, die Wir noch immer zu Unseren geliebten Untertanen zählen, haben Wir, um Euch nicht die ganze Schwere der Züchtigung tragen zu lassen, indem Wir Euch jenen grausamen Barbaren überließen, auf Euren Ruf geantwortet.

Ihr befindet Euch nun gesund und wohlbehalten auf dem Boden Frankreichs. Wir sind darüber erfreut.

Indessen scheint es Uns gerecht, daß Ihr Uns um Vergebung bittet. Wir hätten Euch eine Zeitspanne notwendigen Insichgehens in der Zurückgezogenheit eines Klosters auferlegen können. Der Gedanke an die Leiden, denen Ihr unterworfen wart, hat Uns diese Möglichkeit jedoch verwerfen lassen. Wir haben es vorgezogen, Euch im Bewußtsein, daß die heimatliche Umgebung die Besinnung zu fördern vermag, auf Euer Besitztum zu schicken. Ihr befindet Euch dort nicht in der Verbannung. Ihr braucht dort nur bis zu dem Tage zu bleiben, an dem Ihr aus eigenem Entschluß den Weg nach Versailles wählt, um Euch zu unterwerfen. In Erwartung dieses Tages, den Wir nahe wünschen, wird ein von Monsieur de Marillac, Gouverneur der Provinz, ausgewählter Offizier mit Eurer Überwachung beauftragt .«

Monsieur de Marillac unterbrach sich, hob die Augen und wies auf den dicken Militär: »Madame, ich stelle Euch den Kapitän Montadour vor, dem ich die Ehre Eurer Bewachung anvertraut habe.«

Der Kapitän war eben in dem Versuch begriffen, unauffällig von einem Knie aufs andere zu wechseln, um die schmerzlichen Unzuträglichkeiten einer Stellung zu mildern, an die seine umfängliche Person nicht gewöhnt war. Fast wäre er gefallen, raffte sich jedoch im letzten Augenblick hoch und versicherte mit Stentorstimme, daß er der Marquise du Plessis zu Diensten sei.

Noch immer unter ihrer Decke zusammengerollt, hielt Angélique die Lider geschlossen und schien zu schlafen.

Heroisch setzte Monsieur de Marillac das Verlesen der königlichen Botschaft fort:

»Unter folgenden Bedingungen wird die Unterwerfung Madame du Plessis-Bellières erfolgen müssen. Das Ungestüm der Mitglieder ihrer Familie, deren eines sich kürzlich sogar des Majestätsverbrechens schuldig gemacht hat, ist allzu bekannt, als daß die Unterwerfung nicht einer besonders nachhaltigen Form bedürfte, die durch beklagenswerte Beispiele auf die Bahn der Rebellion verlockte Geister zum Nachdenken veranlassen soll.

Da Madame du Plessis Uns öffentlich widersetzlich gewesen ist, hat die Sühne öffentlich zu erfolgen.

Sie wird sich in einer Kutsche mit schwarzbebänderter Peitsche nach Versailles begeben. Die Kutsche wird außerhalb des Gitters halten und nicht in den Ehrenhof einfahren dürfen.

Madame du Plessis wird bescheiden und in dunkle Farben gekleidet sein.

In Gegenwart des gesamten Hofes wird sie vor den König treten, vor ihm niederknien, seine Hand küssen und ihren Lehns- und Vasalleneid erneuern.

Darüber hinaus wird sie aufgefordert werden, der Krone eins ihrer Lehnsgüter in der Touraine zu schenken. Die Urkunden und Verträge dieser Übereignung müssen Unserem Großkämmerer als Zeichen der Huldigung und Abbitte im Laufe dieser Zeremonie überreicht werden. Von nun an wird Madame du Plessis-Bellière es sich angelegen sein lassen, ihrem Souverän mit einer Treue zu dienen, die wir Uns ohne Schatten wünschen. Sie wird in Versailles bleiben, die Titel und Ehren annehmen, mit denen sie zu belehnen Wir für richtig halten, was, wie Wir wissen, ihren Stolz härter ankommen wird als kein Amt zu empfangen. Sie wird aufs sorgfältigste ihre Amtspflichten erfüllen, kurzum, sich dem Dienst des Königs mit Ergebenheit widmen, sei es im Königreich, bei Hofe ...«

»... oder in seinem Bett«, vollendete Angélique.

Monsieur de Marillac erzitterte. Seit einigen Augenblicken war er von der Vergeblichkeit seiner Ansprache, die er an eine im Halbdämmer hoffnungsloser Krankheit vegetierende Unglückliche richtete, völlig überzeugt.