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Der Ort wurde später das Feld der Dragoner genannt. Niemals wuchs dort etwas anderes als Quek-ken und Dornen .

So begann der große Aufstand des Poitou.

Vergeblich mißbilligte der König das Verhalten Monsieur de Marillacs und ersetzte ihn als Gouverneur der Provinz durch Baville.

Der von dem alten Intendanten Molines überbrachte Fürsprachebrief - der König hatte Molines sofort selbst empfangen, als er in Versailles erschienen war - kam zu spät.

Während Seine Majestät noch Louvois, den scheinheiligen, verdrießlichen Komplizen Marillacs, zu sich rufen ließ, um sich von ihm über die genaue Lage informieren zu lassen und Anordnungen zu treffen, explodierte bereits das Poitou.

Aus der Ferne war nicht zu erkennen, daß die Tat, die diesen jähen Ausbruch auslöste, die schmutzige Ermordung eines kleinen Jungen mit goldenen Locken gewesen war. Die Situation verwirrte sich alsbald, und lange Zeit schrieb man die Zerstörung des Schlosses Plessis und das Verschwinden der Marquise und ihrer Söhne den Raubzügen der Protestanten zu. Es wäre ein leichtes gewesen, beides auf das Konto der Ketzer zu setzen. Doch die ersten Truppen, die in die Gâtine einzudringen versuchten, stießen zu ihrer Verblüffung auf Katholiken, kommandiert von einem Gordon de la Grange, Angehörigen einer alten Familie, die das Schicksal aller auf ihren Gütern lebenden Geschlechter teilte, bei Hofe schlecht angeschrieben zu sein.

Indessen nahm im Süden des Sumpfgebietes der Hugenotte Samuel de La Morinière seine Offensive von neuem auf.

Die königlichen Regimenter zogen sich auf eine von Loudun über Parthenay nach Niort führende Linie zurück, während der Winter mit seinen mal-venfarbenen Nebeln über die kahlen Wälder hereinbrach und ein erbitterter Kleinkrieg begann, grausam durch seine ungezügelte Brutalität, seine geheimnisumwitterte Verschwiegenheit, durch den eigensinnigen Charakter derer, die es zu befrieden galt. Sie waren wie Schatten. Mit wem sollte man verhandeln in diesem von Einwohnern wimmelnden Land, die man niemals sah, in diesem in sich verschlossenen Gebiet, das einer Wüste glich? Warum dieser unvermutet ausbrechende Groll? Auf wen hatten sie es abgesehen? Auf den König, die Truppen, die Steuereinnehmer? ... Warum schlugen sie sich? Für religiöse Fragen, für Angelegenheiten der Provinz, aus Lokalpatriotismus? Welche Ziele wollten diese erdigen Maulwürfe, diese ungehobelten, plötzlich wild gewordenen Junker erreichen?

Im Rat des Königs fand man es angemessen, die Arme gen Himmel zu heben und sich in den verschiedenartigsten Vermutungen zu ergehen. Im Grunde hatte niemand laut zu sagen gewagt, was man wußte, was man spürte. Niemand wäre bereit gewesen, sich einzugestehen, daß dieser Schrei, dieses dumpfe Knurren des gejagten Wildes, das verletzt in der Tiefe seines Waldes erwacht und sich entschließt, bis zum Tod zu kämpfen, das letzte Aufbäumen eines Volkes war, das sich gegen seine Versklavung wehrt.

Der Winter begann für das Poitou mit Not und Hunger. Das Bekehrungsunternehmen Monsieur de Marillacs hatte infolge der leichtfertigen Vernichtung der protestantischen Ernten eine schon durch erdrük-kende Steuern und ein vorhergegangenes schlechtes Jahr gefährlich aus dem Gleichgewicht geratene Lage in eine allgemeine Katastrophe verwandelt. Während Montadour im Umkreis protestantischer Kirchen das Getreide in Brand steckte, waren die Steuerbeamten dort, wo sich katholische Glockentürme erhoben, so weit gegangen, Häuser abreißen zu lassen, um ihr Gebälk verkaufen zu können. Um sich der Abgaben zu versichern, hatten sie Betten, Kleidungsstücke, die zur Arbeit benötigten Tiere, ja selbst die Brote beschlagnahmt, jene runden, duftenden, auf Brettergestellen für die sechs Wintermonate gestapelten Laibe. Was bedeutete schon der Ruin eines Menschen! Waren es mehrere, bedeutete es ein verlassenes Dorf, Elende auf den Straßen, wenn der Herbst kam, abgezehrte Gestalten, die sich an denen schadlos halten wollten, die sich an ihnen schadlos gehalten hatten.

Provianttransporte, die für die Armee nach Nantes abgingen, wurden unterwegs von den Bauern geplündert.

Nachdem man bei klarem Himmel und warmer Sonne vom Sommer alles hatte erwarten können, war durch die Unruhen die letzte Hoffnung vernichtet worden, und der Hunger war da.

Erst allmählich erfuhr man von der Rolle, die eine Frau in diesem jähen Aufflammen des Hasses spielte und wie es ihr geglückt war, Protestanten und Katholiken, die Adligen, die Bauern und die Bürger der kleinen Städte mit einem gemeinsamen Ziel um sich zu sammeln.

Bei Hofe lächelten nicht wenige über die Legende von dieser Frau.

Andere glaubten daran. Die Zeit der schönen Aufrührerinnen war nicht fern, und niemand in Frankreich hatte vergessen, daß es einstmals ein Weib Jehane gegeben hatte, das, aus ihrem Heimatwinkel aufgebrochen, ihren Reitern im Kampf vorangeritten war. Die jetzige war keine Bäuerin, denn der Adel hörte auf sie. Nach und nach versammelten die obskuren Krautjunker mit den glänzenden Namen, über die man sich in Versailles lustig machte, weil sie ärmer als Bettler waren, ihre Lehnsleute um sich, um sie auf eine an ein Wunder grenzende Weise zu bewaffnen.

Alle nur denkbaren Wehrzeuge tauchten auf, der Waffensammlung über dem Kamin entnommen: Musketen, Lanzen und Hellebarden, alte Armbrüste, »lansquenettes«, kurze, beidseitig geschliffene Schwerter, Erinnerungen an die deutschen Landsknechte der Religionskriege, die, bärtig, mit Federn geschmückt und in allerlei Flitterzeug gekleidet, der Schrecken der Bevölkerung gewesen waren. Ihr kriegerischer Geist ging nun in diejenigen ein, die ihre nach den Schlachten auf den Feldern aufgelesenen Schwerter trugen. Sogar Pfeil und Bogen der Wilddiebe tauchten auf, furchtbare Waffen, wenn die, die sie handhabten, unsichtbar in der dichten Krone einer Eiche über einem Hohlweg lauerten. Die Soldaten des Königs begannen sehr bald den Brustpanzern von ehedem nachzutrauern.

Man erzählte sich auch, daß diese Frau schön und jung sei, woher ihre Macht über die Anführer des Krieges rühre. Man sehe sie nur zu Pferd, als Amazone, in einen dunklen Mantel gehüllt, dessen weite Kapuze ihr blondes Haar verberge.

Angélique besuchte alle Schlösser, alle Herrensitze des Landes. Die stolzen auf den Hügeln hinter ihren mit fauligem Wasser gefüllten Gräben und die zur Verteidigung der Übergänge an den Flußläufen errichteten. Hohe Wehrtürme, die nichts mehr verteidigten und in deren Schatten sie vor Kälte erstarrte Familien an dürftigen Kaminfeuern fand. Für Festlichkeiten geschaffene Renaissanceschlösser, in denen Fluchten riesiger Salons ihrem Zerfall entgegen träumten. Nur noch Mäuse durchhuschten sie. Es war zu kalt in ihnen. Die Schloßherren waren zu arm. Oder einer ihrer Söhne war Höfling in Versailles und vergeudete das Erbe. Burgen aus mächtigen Quadern, behaglicher in ihrer bürgerlichen Einfachheit, in denen man beschieden lebte, verzehrt von Ehrgeiz, ohne es jemals weiterzubringen.

Angélique fiel es nicht schwer, die Worte zu finden, die diese Leute verstanden. Sie rief ihnen ihre Namen ins Gedächtnis zurück, den Ruhm ihrer Vorfahren und ihre gegenwärtige Erniedrigung.

Man rief die Bauern im Hof des Schlosses oder an einem abgelegenen Ort zusammen. Und wenn sie dann, eine stolz aufgerichtete, schlanke Gestalt, auf ihrem Pferd oder auf der obersten Stufe einer Treppe aus altersgrauem Stein erschien und mit klarer, ruhiger, in der frostigen Luft weithin tragender Stimme zu sprechen begann, fühlten diese primitiven Wesen in ihrem Innern ein Erbeben, das sie zu sich selbst erweckte und sie zum Zuhören zwang.

Über all das, was seit langem wie eine Wunde in ihren schweigsamen Herzen war, sprach sie zu ihnen. Sie erinnerte sie an die beiden schrecklichen Jahre 1662 und 1663, in denen sie Heu und Gras, Baumrinde, Kohlstrünke und Wurzeln gegessen hatten, in denen sie darauf verfallen waren, Nußschalen und Eicheln zu mahlen, um die letzte Handvoll Roggen oder Hafer damit zu strecken. Sie erinnerte sie an ihre toten Kinder, an ihre Auszüge in die Städte - in diesen Jahren waren Nicolas und Scharen ausgehungerter Bauern wie Wölfe in Paris eingefallen. In diesen Jahren auch hatte der große Karneval in Paris stattgefunden, und man hatte den König und seinen Bruder und die Fürsten im funkelnden Glanz ihres Geschmeides gesehen.