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Sie richtete sich auf und musterte ihn angstvoll. Der Abscheu, den er ihr einflößte - den jeder Mann ihr jetzt einflößte -, hinderte sie, sich zu verteidigen, wie sie es hätte tun müssen. Das Herz schlug ihr bis in den Hals hinauf. Wenn er sie berührte, würde sie ohnmächtig werden wie in den Armen des Herzogs de La Morinière. Sie erblaßte bei der Vorstellung des entsetzlichen Krampfes, der sie damals befallen hatte, während die Erinnerung an die Nacht von Plessis sich wieder vor ihr auftat und sie mit Schrecken erfüllte. In den Augen des Müllers glomm ein Licht auf, das sie in Furcht versetzte. Ungewiß und flackernd.

»Faß mich nicht an, Valentin!«

Er beherrschte sie mit seiner wuchtigen, ein wenig vornübergeneigten Gestalt, während er mit hängender Lippe und jener törichten, stumpfen Miene vor ihr stand, die sie von früher her kannte und die sie immer zum Lachen gebracht hatte.

»Warum nicht ich?« sagte er mühsam. »Ich, der ich dich liebe ... dessen ganzes Leben von der Liebe gestohlen wurde, die du mir ins Herz gepfählt hast. Ich habe lange genug auf diese Stunde gewartet ... ich dachte, es wäre unmöglich, aber jetzt weiß ich, daß du mir gehören wirst .«

Wie Nicolas! dachte sie verwirrt. Wie Nicolas! ...

»Ich schau’ dich an, seitdem du da bist. Ich sehe dich rund werden wie ein schönes, fruchtbares Mutterschaf. Und das Glück hat mir das Herz gesprengt, weil ich begriff, daß du keine Fee bist ... daß ich dich streicheln könnte, ohne daß du mich behext.«

Sie hörte seine Stimme, ohne den Sinn der zögernden, immer wieder stockenden Worte zu verstehen, die er in seiner rauhen und trotzdem sanft klingenden Mundart murmelte.

»Komm, Liebste, Schöne ... komm auf die Farne.«

Er näherte sich ihr und zog sie an sich, zärtlich ihre Schulter streichelnd.

Es gelang ihr, ihre Schwächeanwandlung zurückzudrängen. Mit geballten Fäusten schlug sie ihm ins Gesicht, so hart sie nur konnte.

»Laß mich, Bauernlümmel!«

Valentin erbebte und wich vor der Beschimpfung zurück. Er wurde wieder zum Müller der Ukeleie, dessen grobes und jähzorniges Wesen die Gegend fürchtete.

»Wie damals«, knurrte er, »wie damals in der Scheune während der Brautnacht. Du hast dich nicht verändert, aber was tut’s. Heute abend fürcht’ ich mich nicht, du bist keine Fee. Du wirst mir’s bezahlen. In dieser Nacht gehörst du mir.«

Er sagte die letzten Worte in einem Ton schrecklicher Entschlossenheit. Dann wandte er sich um, trat mit schwerem Schritt zum Tisch und füllte sein Glas.

»Ich habe Zeit, aber denke dran, daß man Meister Valentin nicht ungestraft beleidigt. Du hast mir das Herz ausgesogen, du wirst mir’s bezahlen.«

Sie dachte, daß sie versuchen müsse, den Wütenden ein wenig zu besänftigen.

»Versteh mich, Valentin«, sagte sie mit gebrochener Stimme, »ich verachte dich nicht. Aber wärst du der König selbst, würde ich dich zurückstoßen. Ich kann’s nicht ertragen, daß ein Mann mich berührt. Es ist nun einmal so. Es ist wie eine Krankheit. Du mußt mich verstehen .«

Valentin hörte ihr aufmerksam zu, ein böses Funkeln in den Augen. Dann fuhr er sich mit dem Handrücken über die weinfeuchten Lippen.

»Das ist nicht wahr. Du lügst. Es gibt genug andere, in deren Armen du dich lachend wälzt. Schließlich hat dich ja der berühren müssen, dem du dein Junges im Bauch verdankst.«

Der Ausdruck stammte aus dem Südwesten, aber man benutzte ihn zuweilen auch im Norden. Angélique kannte ihn. Ein Junges! Ein Kind! ...

»Was für ein Junges?« fragte sie, so offensichtlich verständnislos, daß er aus der Fassung geriet.

»Zum Teufel! Das, das du trägst! Auf die Weise hab’ ich’s doch begriffen, daß du keine Fee bist. Die Feen, sagt man, könnten keine Kinder von Menschen haben. Ein Zauberer hat’s mir erzählt. Die echten Feen haben keine Kinder.«

»Was für ein Kind?« rief sie mit schriller, überschnappender Stimme.

Der Abgrund tat sich auf. Er gähnte vor ihr. Die Drohung erhob sich aus dem Umkreis des Unbewußten, blähte sich auf, bemächtigte sich ihrer, während sie in dem Schwindelgefühl, das sie so oft für ein vorübergehendes Unwohlsein gehalten hatte, die ersten Lebensäußerungen eines Wesens erkannte, das sich in ihr rührte.

»Du kannst nicht behaupten, daß du es nicht wußtest«, erklärte die ferne, wie durch Watte gedämpfte Stimme des Müllers. »Seit fünf oder sechs Monaten trägst du es schon.«

Fünf oder sechs Monate! ... Aber es war ja unmöglich. Seit Colin Paturel hatte sie keinen Mann geliebt, hatte sie sich keinem gegeben ...

Fünf oder sechs Monate! ... Der Herbst! ... Die rote Nacht von Plessis, Musketenschüsse, Blut, Brand, das Schluchzen verstörter Kinder, das Kreischen der Frauen, das unerträgliche Bild der widerlich entblößten Dragoner ... Kampf und Schmerz, Demütigung ohne Ende, und fünf Monate später die schreckliche Wahrheit.

Sie stieß einen herzzerreißenden Schrei aus, der wie der Schrei eines verwundeten Tieres klang:

»Nein. Nein! Nicht das!«

Während jener Monate, in denen sie kreuz und quer durch das Poitou geritten war, von einem einzigen Ziel beseelt und sich selbst ganz fern, war ihr nichts aufgefallen. Sie wollte ihren Körper vergessen und ließ gewisse Unregelmäßigkeiten unbeachtet, deren Ursache sie in dem entsetzlichen Schock und in den Mühseligkeiten ihrer Reisen vermutete.

Nun erinnerte sie sich jedoch, und der Tatbestand ließ sich nicht mehr übersehen. Die monströse Frucht hatte sich entwickelt. Sie spannte ihr Kleid unter dem Mieder. Die Taille hatte ihre Zartheit verloren.

Der verstörte Ausdruck ihres Gesichts schien selbst Valentin zu beeindrucken. In der lastenden Stille war von draußen das Plätschern zu hören, das die Sprünge eines kleinen Fischs im stehenden Wasser verursachten.

»Was kann dir das machen?« begann der Müller von neuem. »Du bist schöner als je .«

Er näherte sich ihr wieder. Sie entzog sich seinen ausgestreckten Händen, flüchtete in die dunklen Ecken, entsetzt und unfähig, einen Schrei auszustoßen. Es glückte ihm, sie zu packen und in seine Arme zu ziehen.

In diesem Augenblick erschütterte ein heftiger Schlag die Tür, der hölzerne Riegel sprang auf, und die hohe Gestalt Samuel de La Morinières beugte sich, um in die Hütte einzudringen. Er durchforschte den Raum mit einem schnellen Blick und ließ einen dumpfen Laut hören, als er das Paar entdeckte.

Seitdem Angélique verschwunden war, hatte ihn die Angst nicht mehr losgelassen. Man hatte ihm erzählt, daß sie die Gefangene des verwünschten Müllers sei, der sie durch seine Zauberkünste im Moor festhalte. Es mochte alberner Aberglaube sein, aber nichtsdestoweniger blieb dieser papistische Müller eine höchst verdächtige, gefährliche Erscheinung. Warum war diese Dame ihm gefolgt? Weshalb kehrte sie nicht zurück? Da er es nicht mehr aushielt, hatte er sich, ohne sich anzukündigen, zu ihr führen lassen.

Er erschien und fand sie in den Armen dieses rohen, beschränkten Kerls.

»Ich schneide dir die Kehle durch, Bauernlümmel!« brüllte er und zog seinen Dolch.

Meister Valentin wich seinem Stoß knapp aus. Er sprang zur Seite und floh zum anderen Ende des Raums. Wut und Enttäuschung gaben seinem Gesicht einen Ausdruck, der nicht weniger schrecklich war als der des Hugenotten.

»Ihr werdet sie nicht kriegen«, sagte er wild keuchend. »Sie gehört mir.«

»Elender Schweinehund, ich werde dir dein Maul mit deinen eigenen Eingeweiden stopfen!«

Der Müller war ebenso groß und robust gebaut wie der protestantische Herzog. Aber er war ohne Waffen. Er glitt hinter den Tisch und belauerte jede Bewegung seines Gegners, der vor wahnwitziger Eifersucht zu beben und einen Augenblick der Unachtsamkeit abzuwarten schien, um sich auf ihn zu stürzen. Das Feuer war fast niedergebrannt, und die Winkel des Raums waren in Dunkelheit getaucht.

Valentin suchte der langstieligen Holzfälleraxt habhaft zu werden, die hinter dem Fischbassin lag.