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Man stieß auf sie auf dem Gipfelpunkt einer endlos und beunruhigend durch Brandheide führenden einsamen Straße im Grenzgebiet der Gâtine und der Sumpfwildnis.

Dort war es, wo Angélique die wichtigsten Anführer der Aufständischen zusammenrief, um sich mit ihnen über die Richtlinien und Maßnahmen des bevorstehenden Sommerfeldzugs zu einigen. Einmal mehr glückte es ihr, Katholiken und Protestanten zu überreden, ihre dogmatischen Streitigkeiten über einem höheren Ziel zu vergessen. Der Sieg war nur zu erringen, wenn sie zusammenstanden.

Sie blieben drei Tage auf den Höhen der Gâtine, zündeten des Abends rund um die Kapelle Feuer an und schliefen unter den Eichen in der knisternden Wärme des Sommers. Saint-Honoré, seinen Kopf in den Händen tragend, schien sie zu segnen, und die Katholiken sahen in seinem Schutz ein glückliches Vorzeichen für die zu erwartenden Kämpfe.

Saint-Honoré war im 13. Jahrhundert ein wackerer Viehhändler gewesen, den Diebe an dieser Stelle ermordet hatten. Das Bern, woher er stammte, und das Poitou, wo er umgebracht worden war, hatten sich lange um seine Reliquien gestritten. Dem Poitou war es schließlich geglückt, das Haupt des heiligen Handelsmannes für sich zu erlangen.

Die Männer tauchten ihre Waffen in das geweihte Wasser der Quelle, die unter einem Felsen hervorsprudelte und von einem Steintrog aufgefangen wurde.

Verstohlen feuchtete auch Angélique ihren Schleier an, um ihre glühende Stirn zu kühlen. Das Fieber hämmerte in ihren Schläfen und verlieh ihrem Blick unnatürlichen Glanz. Trotz der Kräutertränke der Hexe erholte sie sich nur langsam von ihrer heimlichen Niederkunft.

Kaum aus Fontenay-le-Comte zurückgekehrt, hatte sie sich in die Gâtine begeben wollen. Sie wollte vor sich verleugnen, was geschehen war, aber die Natur erinnerte sie an den Evasfluch, mit dem Gott ihren Körper gezeichnet hatte.

Sie litt vor allem nachts. In der Hingabe an den Schlaf verließ sie die übersteigerte Erregung des Kriegs und der Rache, und aus den tieferen Schichten ihres Wesens stieg ein trostloses Unbehagen, und sie hörte wieder das Plärren des neugeborenen Kindes.

Eines Nachts erschien ihr Saint-Honoré, den Kopf in den Händen: »Was hast du mit dem Kind getan?«

fragte er sie. »Nimm es zu dir, bevor es stirbt ...«

Angélique erwachte im Heidekraut, Saint-Honoré war noch immer da, neben dem Portal der Kapelle. Die Dämmerung stieg über den Horizont. Es war kalt, und dennoch fühlte sie Schweiß an ihrem Körper. Ihre Glieder schmerzten. Sie raffte sich auf, um zur Quelle zu gehen, zu trinken und sich zu erfrischen.

»Wenn ich keine Milch mehr habe, werde ich aufhören, an das Kind zu denken«, sagte sie sich.

Um die Mitte des Vormittags meldeten die Posten eine Kutsche auf der sich zur Höhe windenden Straße. Bisher hatten sie nur einen Reiter passieren sehen, zweifellos einen Kaufmann, der, erschreckt durch den wüsten Ort, eilig davongaloppiert war, als er zwischen den Baumstämmen verdächtige Gestalten entdeckt hatte.

Die Partisanen zerstreuten sich unter den Bäumen, aber die Spuren ihres Lagers waren allzu offensichtlich, und Angélique schickte Martin Genêt und einige Bauern aus, die das Fuhrwerk anhalten sollten, sobald es auf die Höhe der Steigung gelangt war. Man mußte Reisenden mißtrauen, die auf ihrer Fahrt von einer Region in die andere keinen Grund zu Skrupeln hatten, die Bewegungen der Rebellen gegen hohe Belohnung den in der Umgebung stationierten königlichen Soldaten zu verraten.

Das Gelächter der Männer drang von dem angehaltenen Fuhrwerk herüber, und da die Diskussion sich in die Länge zog, trat sie hinzu, um sich zu informieren.

Es war eine erbärmliche, von einer nicht minder jämmerlichen Schindmähre gezogene Halbkutsche. Der Kutscher, ein alter, zahnloser Bursche, zitterte dermaßen vor Schreck, daß er kein Wort hervorbrachte.

Unter der zusammengeflickten Plane hockten drei dicke, schwitzende Weiber mit roten Gesichtern in einer übelriechenden Dunstwolke, von einer Ansammlung von Säuglingen umgeben, die wie ein Wurf Kaninchen über das schmutzige Stroh krochen.

»Werte Herren Räuber, tut uns nichts Böses«, flehten die auf die Knie gesunkenen Gevatterinnen.

»Wohin wollt ihr?«

»Nach Poitiers ... Wir wollten über Parthenay, weil man uns sagte, daß es in der Umgebung von Saint-Maixent von Soldaten wimmelt. Da wir armen Frauen Angst vor diesen Lüstlingen haben, wählten wir einen Umweg über eine ruhigere Straße ... Wenn wir gewußt hätten .«

»Woher kommt ihr?« fragte Angélique.

»Aus Fontenay-le-Comte.«

Und beruhigt durch die Anwesenheit einer Frau, erklärte die Dickste mundfertig:

»Wir sind Ammen der Krippe von Fontenay und sollen die Würmer da nach Poitiers bringen, weil es bei uns zu viele davon gibt. Wir sind ehrsame Frauenzimmer, Madame ... vereidigt ... jawohl, Madame .«

»Laßt sie passieren«, sagte Malbrant Schwertstreich. »Sie haben nur ihre Milch zu geben, und wenn ich mir das Gewimmel da ansehe, möchte ich meinen, daß sie nicht einmal genug für alle haben.«

»Das kann man wohl sagen, mein guter Herr!« rief die Amme und brach in schallendes Gelächter aus. »Ich möchte wissen, was sie sich gedacht haben, als sie nur drei von uns mit zwanzig Kälbchen zusammentaten. Wenigstens die Hälfte müssen wir auf Katzenart nähren.«

Sie wies auf einen Krug, in dem Brot in mit Wein gemischtem Wasser schwamm.

». Nicht gerechnet die, die auf der Strecke bleiben. Eins von ihnen ist schon beinah tot. Im nächsten Dorf werden wir anhalten müssen, um es dem Pfarrer zum Beerdigen zu geben.«

Sie hielt ihnen ein Bündel unter die Nasen, das wie ein abgehäutetes, lebloses, in ein Stück roten Chiffons gewickeltes Kaninchen aussah.

»Wenn das kein Elend ist! Seht euch das an, meine guten Herren!«

Ihre Mienen drückten Widerwillen aus.

»Es ist gut. Ihr könnt weiterfahren. Aber versteht den Mund zu halten, wenn ihr wieder in der Ebene seid. Behaltet für euch, was ihr in den Bergen gesehen habt.«

Gemeinsam ergingen sie sich in jammernden Beteuerungen.

»Gib ihm die Peitsche, Kutscher!« schrie Malbrant, den knochigen Rücken des trübseligen Gauls klopfend.

»Nein, wartet.«

Aus Angéliques Gesicht war das Blut gewichen; von dem Augenblick an, in dem die Frau gesagt hatte: »Wir kommen aus Fontenay-le-Comte«, hatte sie gewußt, warum ihr in der vergangenen Nacht Saint-Honoré erschienen war.

Doch sie war wie gelähmt, und ihre Bewegungen vollzogen sich mit alptraumhafter Langsamkeit.

Dennoch beugte sie sich vor und nahm das in den roten Fetzen gehüllte Kind, das die Amme ihr zureichte.

»Geht jetzt.«

»Was wollt Ihr mit ihm anfangen, meine Schöne. Wenn ich Euch doch sage, daß es so gut wie tot ist.«

»Geht«, wiederholte sie mit einem so harten Blick, daß die guten Frauen zurückwichen und sich still verhielten.

Steif aufgerichtet, entfernte sich Angélique. Nahe der Quelle versagten ihr die Beine, und sie mußte sich auf den Steinrand setzen.

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Zwei dunkle Augen voll glühenden Ernstes suchten die ihren. Der Abbé de Lesdiguière war ihr gefolgt. Er neigte sich zu ihr, stützte sie, umgab sie mit seinem leidenschaftlichen Mitgefühl. Er versuchte in ihrem Blick zu lesen.

»Es ist Euer Kind, nicht wahr?«

Sie gab ein kaum merkliches Zeichen, widerwillig, doch bejahend.

»Seid Ihr sicher?«

»Ich habe es an dem Mal auf seiner Schulter wiedererkannt ... und an diesem roten Chiffon.«

»Habt Ihr es getauft, bevor Ihr es ... verließet?«

»Nein.«

»Haben sie es in der Krippe getan? . Es gibt so viel Gleichgültigkeit, so viele gottlose Herzen in unseren Tagen. Madame, es muß getauft werden.«

»Es ist schon tot .«

»Noch nicht. Wie wollt Ihr es nennen?«

»Es ist mir gleich.«

Er sah sich um.