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»Aber warum?«

Er starrte sie mit brennenden Augen an. Sein Blick war beredter als alle Worte. Er verletzte sie nicht, aber er bewegte sie bis zu Tränen. Angstvoll wandte sie die Augen ab.

»Nein, mein liebes Kind«, flehte sie leise, »nein, Ihr dürft nicht ... ich bin .«

Er unterbrach sie durch eine Geste.

»Ich weiß, wer Ihr seid ... Ihr seid die, die ich anbete . die, die mir eine Liebe einflößt, die mich hat begreifen lassen, daß man ... Gott über den Lippen einer Frau vergessen könnte.«

»Ihr dürft nicht so sprechen.«

Und als sie ihre Hand ausstreckte, nahm er sie in die seine. Sie wagte es nicht, sie ihm zu entziehen, so sehr überraschte sie die Berührung dieser Hand durch ihre Frische und Männlichkeit.

»Erlaubt, daß ich mich Euch . ein einziges Mal ... bekenne«, sagte er mit erstickter Stimme. »Ihr habt mein Dasein mit einem irdischen, lebendigen Gefühl erfüllt, das ich nicht zu bedauern vermag. Euer Anblick hat mich entzückt, jedes Eurer Worte .«

»Und doch kennt Ihr meine Fehler.«

»Sie haben Euch mir noch teurer gemacht, weil ich Euch schwächer, menschlicher sah. Ach, ich hätte Euch gern in meine Arme genommen und gegen Eure Feinde und gegen Euch selbst verteidigt ... Euch geschützt mit all meiner Kraft.«

Diese Kraft, die er für sich in Anspruch nahm, strömte von ihm aus, federnd im Schatten der Dämmerung, mit der gebieterischen Heftigkeit seiner Jugend. Und zum erstenmal seit langen Monaten war sie empfänglich für diesen dichten, durchdringenden Lebensstrom, der sie aus ihrer Verzweiflung herausreißen zu wollen schien.

Sie wußte, daß er sich abends in die Wälder entfernte, um auf die Knie zu sinken und heimlich zu beten. Aber wie lange noch würden sich die Liebe zu Gott und die, die er einer zur Verdammnis verurteilten Frau darbot, in sein Herz teilen können? ...

Unfähig zu sprechen, zog Angélique ihre Hand zurück und hüllte sich fröstelnd enger in ihren Mantel.

»Fürchtet nichts von mir«, sagte er sanft. »Ich hätte Euch angebetet ... wenn Ihr nur geruht hättet, einen Blick auf mich zu werfen. Auf das leiseste Zeichen von Euch hätte ich mich an Euch verloren . mit unsäglicher Wonne, wenn meine Worte Euch nicht beleidigen, Madame. Ich bin Euer sehr ergebener Diener ... Ich weiß, daß die Schranke, die mich von Euch trennt, ein unübersteigliches Hindernis ist.«

»Eure Berufung?«

»Nein ... Ihr selbst. Jenes Entsetzen, das Ihr vor den Männern und ihrem Verlangen empfindet, seitdem . nicht ich bin es in meiner Unwissenheit, der dieses Hindernis überwinden könnte.«

»Schweigt. Ihr wißt nicht, was Ihr sagt.«

»Ich weiß es .«

Der Schmerz prägte seinem Gesicht harte, männliche Züge ein.

». Man hat Euch zerstört, indem man Euch zuviel Leid antat. Und die Krankheit Eurer Seele hat sich Eurem Körper mitgeteilt ... Wenn es anders gewesen wäre, hätte ich mich Euch zu Füßen geworfen und Euch angefleht, mich zu lieben . Laßt mich es Euch sagen, ich bitte Euch. In den Jahren, in denen ich Euch auf allen Wegen gefolgt bin, ist mir Eure Nähe unentbehrlicher geworden als die Luft, die ich atme ... Wenn Ihr nicht so ... unberührbar geworden wärt, hätte es anders sein können .«

Er schwieg.

». Es ist nicht anders«, begann er leise von neuem. »Und es ist vielleicht besser so. Dieses Hindernisses wegen bin ich gezwungen, auf Seiten Gottes zu bleiben. Ich werde niemals Euer Liebhaber sein . Dieser Traum .«

Mit übermenschlicher Anstrengung überwand er sich:

»Wenigstens werde ich Euch retten .«

Das gläubige Leuchten kehrte in seine Augen zurück.

»Ich werde Euch retten ... ich werde mehr für Euch tun als alle die, die Euch in ihren Armen gehalten haben. Ich werde Euch wiedergeben, was Ihr verlort: Eure Seele, Euer Herz, Eure Weiblichkeit, alles, was man Euch nahm ... Noch kann ich nichts tun, aber ich werde für Euch sterben, und an jenem Tag ... an jenem Tag, an dem Gottes Licht mich umhüllen wird, wird mir die Gnade gewährt werden, Euch zu retten. Am Tage meines Todes ... oh, wenn er nur käme!«

Inbrünstig faltete er die Hände vor seiner Brust. »O Tod, beeile dich! Du allein erlaubst mir, sie zu befreien!«

Sie hatten den Ruf des Käuzchens überhört. Plötzlich erschien in der Öffnung zur Schlucht ein Reiter mit großem Spitzenkragen und im Winde flatterndem Helmbusch. Hinter ihm drängten sich mit Lanzen bewaffnete Männer in roten Röcken.

Angélique riß Honorine in ihre Arme. Der Abbé packte seine Muskete und deckte ihren Rückzug, während sie sich zwischen die Bäume warf und, mit dem ihren Hals umklammernden Kind auf dem Rücken, den Abhang hinaufkletterte. Herunterrollende Steine verrieten die Flucht der Partisanen, die sich so hoch wie möglich in der schlüpfrigen Schluchtwand verteilten.

Der Offizier faßte sich als erster.

»Da sind sie!« schrie er. »Wir sind in ihren Schlupfwinkel gefallen. Auf zur Wolfsjagd, Kinder!«

Die Soldaten sprangen aus den Sätteln und setzten zur Erstürmung des Abhangs an.

Angélique und ihre atemlosen Begleiter beobachteten die Annäherung der Rotröcke.

»Sie kommen ...«

»Wartet noch einen Augenblick ... Steigen wir noch ein wenig höher.«

Als die Soldaten die steilste Stelle des Abhangs dicht unter dem Kamm erreicht hatten, rief sie:

»Die Steine! Die Felsen! .«

Dumpfes Gedröhn erfüllte den dunklen Engpaß. Von den Bauern in Bewegung gesetzt, rollten riesige Steine, ganze Felsblöcke in die Tiefe und rissen auf ihrem Weg die in unsicheren Stellungen an den Steilhang gekauerten Soldaten mit. An Kopf oder Brust getroffen, verloren sie den Halt, stürzten und purzelten in wildem Durcheinander zu Tal.

Mit ihren Schultern stemmten die Bauern die mächtigen Granitblöcke, die seit Jahrhunderten über den Abgrund hingen, aus ihren Lagerungen. Schwerfällig polterten sie abwärts, rollten schneller und schneller, gegen die Baumstämme krachend, die ihnen den Weg verstellten, von neuem abspringend, um schließlich die am Fuße des Hanges versammelten Soldaten wie Ungeziefer zu zerquetschen.

Der Offizier ließ zum Sammeln blasen, und die Reiter begannen sich unter Zurücklassung der Toten mit ihren verwundeten Kameraden zurückzuziehen.

Noch im Sinken warf die Sonne purpurnes Licht über die Uniformen. Angélique beobachtete sie, zwischen den Zweigen hindurchspähend.

Sie erkannte den Offizier. Es war Monsieur de Brienne, einer jener Herren, die ihr in Versailles galant den Hof gemacht hatten. Ihn hier zu sehen, ließ sie die Weite des Weges ermessen, den sie seit den Tagen ihres flüchtigen Ruhms zurückgelegt hatte, ließ sie erkennen, welcher Abgrund, tiefer noch als diese Schlucht, sie für immer von jener Welt trennte.

Weit vorgebeugt, rief sie mit spöttischer Stimme, die lange zwischen den Schluchtwänden widerhallte:

»Ich grüße Euch, Monsieur de Brienne. Bestellt Seiner Majestät einen schönen Gruß von Bagatell-chen!«

Der König erblaßte, als er von diesem Auftrag erfuhr. Er riegelte sich in seinem Arbeitskabinett ein und blieb dort mehrere Stunden allein, das Gesicht in den Händen vergraben.

Dann ließ er den Kriegsminister kommen und befahl ihm, alles ins Werk zu setzen, um den Aufstand des Poitou noch vor dem folgenden Frühling zu unterdrücken.

Unter den Regimentern, die der König 1673 ins Poitou entsandte, befanden sich das 1. Regiment der Auvergne, befehligt von Monsieur de Riom, und fünf der ruhmreichsten Kompanien aus den Ardennen. Der König hatte von der abergläubischen Furcht der Soldaten vor den heimtückischen Fallen der Wildnis des Poitou gehört. Diejenigen, die er nun schickte, Söhne der Wälder der Auvergne und der Ardennen, waren seit ihrer Kindheit an die unheilkündende Dämmerung unter den Bäumen, an Wildschweine, Wölfe und Felsen gewöhnt und verstanden es, unsichtbaren Fährten zu folgen. Ihre Väter waren Holzschuhmacher, Holzfäller oder Kohlenbrenner. Sie waren nicht mehr in Rot gekleidet wie die Dragoner, sondern in Schwarz, und ihre Uniformen, ihre stählernen Helme mit hohem, scharfem Stutz und ihre engen, bis zur Höhe der Schenkel reichenden Stiefel erinnerten an die schrecklichen Spanier. Sie führten Jagdhunde mit sich, muskulöse, blutdürstige Doggen. Das abgehackte, atemlose Gedröhn ihrer hohen Trommeln erhob sich über das verödete, schreckerstarrte Land.