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»Aber, natürlich, Ihr könnt auf mich rechnen!«

Er fragte sich bereits, welche der Damen der Gesellschaft vom Heiligen Sakrament dieses Mädchen in frommer Spionagemission bei den Bernes eingeschmuggelt haben mochte. Madame de Berteville? ... Madame d’Armentières? ... Was lag daran? Seine Neugier würde unbefriedigt bleiben. Die Gesetze der Gesellschaft sorgten für strengste Verschwiegenheit. Er wußte einiges davon, da er selbst zu ihr gehörte.

Schon hatte Angélique ihren Blick aus dem Fenster gewandt. Der Anblick der Straße am Wall erfüllte sie mit Unruhe.

»Es wäre furchtbar, Monsieur, wenn diese Leute sich während unserer Abwesenheit gegenseitig umgebracht hätten! Und ich habe meine kleine Tochter dort gelassen .«

»Nun, nun, dramatisieren wir nicht.«

Sie war charmant, wenn sie so erblaßte, wenn ihre klaren Augen sich in der Erregung weiteten und einen rührenden, herzbewegenden Ausdruck bekamen. Man verlangte danach, sie in die Arme zu nehmen und ihr Beistand für immer zu schwören.

Er half ihr beim Aussteigen aus der Kutsche, indem er ihr ritterlich die Hand reichte.

Ludwig XIV. hatte seine Pairs gelehrt, sich zuvorkommend gegen die geringste Kammerfrau zu verhalten, und die untergeordnete Stellung dieser hier vergaß man gern.

Monsieur de Bardagne jubilierte innerlich. Seitdem er wußte, daß sie eine Dienstmagd war, fiel es ihm schwer, seine Freude zu unterdrücken.

Sie konnte gar nicht anders als von dem Umstand geschmeichelt sein, daß eine so mächtige Persönlichkeit wie der Generalstatthalter, der persönliche Vertreter des Königs in La Rochelle, ihr seine Aufmerksamkeit zuwandte. Endlich würde er nicht mehr gegen die gleichsam angeborene Prüderie der reformierten Frauen zu kämpfen haben, deren Zurückhaltung zu überwinden er vergebens versucht hatte. In dieser Beziehung hatte er jede Hoffnung aufgegeben, selbst die auf die ein wenig säuerliche, pikante Jenny, die älteste Tochter Maître Manigaults.

Beim Anblick dieser prachtvollen Frau konnte man kaum glauben, daß die Fehler, die sie bereute, zu denen gehörten, die er, Nicolas de Bardagne, mit Vergnügen zu vergeben bereit war, vor allem dann, wenn man sie zu seinen Gunsten beging.

Und dazu kam, daß die Gegenwart ihrer kleinen Bastardtochter sie in eine Lage brachte, von der er nur profitieren konnte.

Ein ausgezeichneter Handel, ein festlicher Tag für ihn!

Beim Betreten des Hofs stützte er ihren Arm. Angélique bemerkte es kaum. Übrigens hatte sie es nötig. Ihre Beine trugen sie nicht mehr.

»Seht«, sagte Monsieur de Bardagne beruhigend, »alles hat sich beruhigt.«

Von der alten Rebecca bedient, tranken die vier Soldaten, der Kommis und der Sieur Baumier im Vestibül des Erdgeschosses Wein. Als Mann von Stand, der sich mit seinen Untergebenen nicht gemein machen kann, hielt sich Baumier ein wenig abseits.

Als er seines Vorgesetzten ansichtig wurde, erhob er sich und verneigte sich tief, schien aber durchaus nicht in Verlegenheit zu geraten.

»Hört Ihr?« fragte er mit einem resignierten Blick zur Decke.

Ein monotoner, düsterer Psalm, der aus dem Zimmer Lazare Bernes drang, besang den Tod und die Angst der Seele. Die Protestanten wachten um den bedrohten Leichnam, aus ihrer Gemeinsamkeit Trost und Stärkung schöpfend.

»Ihr seht«, wiederholte Monsieur de Bardagne, zu Angélique gewandt, »habe ich’s Euch nicht gesagt? In La Rochelle sind wir unter Leuten mit angenehmen Umgangsformen. Alles erledigt sich von selbst.«

Sie konnte den fernen Chor nicht ohne leises Erbeben hören. Sie würde nie aufhören, diese Melodien von den Lippen ihrer Diener und der um ihre Mutter gedrängten Cambourg-Kinder zu vernehmen, damals, als die Dragoner mit gezogenen Säbeln ins Schloß gedrungen waren .

Der Statthalter des Königs unterhielt sich halblaut mit dem Präsidenten der königlichen Kommission für religiöse Angelegenheiten.

»Ich fürchte sehr, daß Ihr bei diesem Unternehmen einem Mißverständnis erlegen seid, Monsieur Bau-mier. Es wird recht schwierig sein, den besagten Lazare Berne des Verbrechens der Rückfälligkeit zu beschuldigen, da er sich nie bekehrt hat.«

»Ihr habt mir versichert, daß Ihr mir freie Hand laßt, dergleichen Angelegenheiten nach meinem Dafürhalten zu behandeln und durchzuführen«, protestierte Baumier steif.

»Gewiß, aber ich setzte auch das Vertrauen in Euch, daß Ihr Eure Anklagen auf das genaueste fundiert. Der geringste Irrtum in diesen delikaten Fragen bringt uns die schlimmsten Schwierigkeiten auf den Hals. Die Reformierten sind sehr empfindlich und neigen nur allzusehr dazu, uns bösen Willen vorzuwerfen .«

Der Gesichtsausdruck des mit der Bekehrung der Protestanten betrauten Beamten ließ erkennen, daß ihm diese Bedenken absolut übertrieben schienen.

»Ihr macht zuviel Aufhebens von diesen Elenden, die nichts anderes als Deserteure des wahren Glaubens sind, Herr Generalstatthalter. Sie müssen mit der gleichen Härte behandelt werden wie auf dem Schlachtfeld dieses Verbrechens schuldig gewordene Soldaten.«

In diesem Augenblick erschien Monsieur Mani-gault, seinen Sohn Jérémie an der Hand führend und von seiner ganzen Frauenschar gefolgt.

Der Statthalter des Königs begleitete ihn nach oben. Ein Märtyrerlächeln um die messerschmalen Lippen, schloß Baumier sich ihnen an. Er war es gewohnt, allen Ärger hinunterzuschlucken. Die Gewißheit, daß er nichtsdestoweniger geistig und dienstlich auf dem rechten Wege war, half ihm, derlei Demütigungen zu ertragen. Ohne mit der Wimper zu zucken, hörte er zu, wie Nicolas de Bardagne sich vor der Versammlung zerknirscht über das »Mißverständnis« verbreitete und Maître Gabriel sogar versicherte, daß ihn keine Schwierigkeiten wegen der Öffnung der Stadttore im Augenblick der Beerdigung gemacht würden.

Der Zwischenfall war also abgeschlossen.

Er wäre um ein Haar wieder aufgeflammt, als eine kleine, runde Gestalt mit einem apfelgrünen Mütz-chen sich dem Sieur Baumier näherte, drohend einen Stock schwang und rief: »Du bist schlimm ... sehr schlimm. Ich mach’ dich tot!«

Es war Honorine, die, von allen vergessen, entschlossen war, sich wieder in den Vordergrund zu spielen. Sie steuerte geradewegs auf den Verantwortlichen für die Störung des Familienlebens zu. Er war der Unruhestifter, der böse Geist in dieser verstört zusammengedrängten Menge. Ihn mußte man strafen. Sie hatte einige Zeit gebraucht, um ihren Knüppel aus dem Holzstoß zu ziehen. Baumier vermied mit knapper Not die Schläge, die sie mit ihren kleinen, kräftigen Armen austeilte. Monsieur de Bardagne erkannte Angéliques Töchterchen wieder und lachte.

»Da ist ja das charmante Kind!«

»Ah, findet Ihr?« knirschte der Präsident der königlichen Kommission. »Und Ihr laßt es zu, daß dieses Ketzerbalg mich beleidigt?«

»Wieder einer Eurer Irrtümer, mein Lieber. Diese Kleine ist durch unsere Heilige Mutter Kirche getauft, wie es sich gehört.«

Mit einem vertraulichen Zwinkern raunte er ihm zu:

»Kommt, Maître Baumier, ich werde Euch über das ins Bild setzen, was Eurer Kurzsichtigkeit entgeht .«

Angélique hatte ihre Tochter am Arm erwischt und sich, von Laurier unterstützt, mit ihr in die Küche geflüchtet. Honorine war krebsrot und von blindwütigem Zorn erfüllt. Sie glaubte, im Verlaufe dieses Tages, an dem sich die Erwachsenen um sie nicht mehr gekümmert hatten als um die kleinen Katzen des Hauses, allzu lange Geduld geübt zu haben. Sie hatte ungestraft mit einem ganzen Zuber Wasser spielen, bei dem Versuch, ihre ausgehungerte Katze zu tränken, eine Schale Milch umstoßen und schließlich einen Marmeladentopf zur Hälfte ausschlecken können ... Die Großen fuhren fort, sich mit starren Gesichtern zu betrachten und dumpf klingende Worte miteinander zu wechseln. Zuweilen hatten sie gesungen ... Da ihre Mutter spurlos verschwunden war, hatte sie sich nach und nach immer beklommener gefühlt und sich schließlich den Erwachsenen genähert, um sie aus der Nähe zu beobachten. Sie war sofort gegen Baumier eingenommen gewesen, weil sie gesehen hatte, wie er eine Tabatiere aus seinem Rockschoß zog, sich zwei oder drei Prisen in die Nase stopfte und alsbald kräftig nieste. Dieses unpassende Verhalten war ihr im höchsten Maße abscheulich erschienen. Sie hatte sich entschlossen, diesem widerlichen Mann den Garaus zu machen.