Выбрать главу

»Wo waren wir stehengeblieben?« wiederholte er.

»Gehört mein Herr zu jenen Personen, die Ihr als Pfeiler des hugenottischen Widerstands betrachtet?«

»Und ob er dazu gehört!« rief Bardagne empört aus und hob die Arme gen Himmel. »Er ist einer der schlimmsten! Er wirkt im Schatten, aber auf schädlichere An, als wenn er sich öffentlich zu predigen unterfinge. Er unterstützt die mit dem Interdikt belegten Pastoren, Flüchtlinge, was weiß ich. Ihr habt gewiß verdächtiges Kommen und Gehen beobachten können .«

»Ich sehe Maître Gabriel über seinen Rechnungsbüchern sitzen und die Bibel lesen«, meinte Angélique. »Er hat nichts von einem Verschwörer.«

Doch während sie noch sprach, stieg aus ihrem Gedächtnis eine ganze Reihe von Eindrücken auf, fremde Gesichter, heimliche Zusammenkünfte, die aus dem Hause Maître Bernes in das des Papierhändlers oder des Pastors Beaucaire hinüberwechselten, geflü-sterte Gespräche, verstohlene Schritte in der Nacht . Zum Glück schien ihre Unbefangenheit den Vertreter des Königs verwirrt zu haben.

»Das wundert mich . oder paßt Ihr nicht genügend auf?«

Er schlug mit der Hand auf ein dickes Aktenstück.

»Denn ich habe hier Berichte, die keinen Zweifel an seinen gefährlichen und schädlichen Umtrieben lassen. Mehrmals habe ich ihn schon gewarnt. Er schien zu verstehen und hörte mir freundschaftlich zu. Er kam mir aufrichtig vor, aber die Flucht seines Sohns hat mich grausam enttäuscht.«

»Derjunge Martial reiste ab, um das Seilerhandwerk in Holland zu studieren.«

»Wie naiv Ihr seid! Sein Vater schickte ihn fort, weil er spürte, daß der junge Mann bereit war, sich zu bekehren, und er diese Bekehrung verhindern wollte.«

»Man hat es mir so gesagt«, antwortete Angélique, die sich von Minute zu Minute bedrängter fühlte. »Und ich glaube, daß Ihr Euch vom Anschein täuschen laßt. Ich, die ich seit langen Monaten in dieser Familie lebe, kann Euch versichern, daß Monsieur Berne nur daran gelegen war, die Ausbildung seines Sohnes zu vervollkommnen. Ihr wißt ja, daß die Reformierten viel zu reisen pflegen.«

»Viel zuviel«, sagte Monsieur de Bardagne trok-ken. »Es ist eine Gewohnheit, die sie lieber aufgeben sollten. Im übrigen sind die Anordnungen in diesem Punkt absolut eindeutig.«

»Ihr seid mir bisher viel liebenswürdiger und großzügiger vorgekommen.«

Der königliche Beamte geriet in Erregung.

»Was wollt Ihr damit sagen? ... Ich mißbillige die Gewalt und .«

»Ich will damit sagen, daß mir diese inquisitorische Tätigkeit recht wenig in Einklang mit Eurem Charakter zu stehen scheint. Ich habe in Euch mehr einen den irdischen Befriedigungen zugewandten Menschen gesehen.«

Er lachte herzlich, im Grunde geschmeichelt. Sie war nicht so gleichgültig und kühl, wie sie sich den Anschein zu geben suchte.

»Verstehen wir uns recht«, begann er wieder. »Wie jeder gute Christ versuche ich, mir meinen Himmel zu verdienen, aber ich gebe zu, daß mich die in Frage stehende Aufgabe vor allen Dingen ihrer weltlichen Seite wegen interessiert. Sich mit religiösen Angelegenheiten zu beschäftigen, ist im Augenblick die schnellste Möglichkeit für einen Beamten, voranzukommen. Andererseits habe ich die größte Hochachtung vor Monsieur Berne. Ich möchte ihm gern helfen, aber er beharrt auf seinen Irrtümern, er will nicht begreifen .«

»Was soll er begreifen?«

»Daß wir die Erziehung seiner beiden Kinder nur einer katholischen Familie anvertrauen können. Das Übel sitzt schon zu tief in diesen jungen Seelen.«

»Warum hat man seine Tochter Séverine verhaftet?«

»Weil es Zeit wird, daß sie sich für die Religion ihrer Wahl entscheidet.«

»Solche Maßnahmen zerstören die Autorität des Familienvaters, die Grundlage unserer Gesellschaft und des Landes.«

»Was tut das, wenn diese Autorität schädlich ist. Ich habe hier einen Bericht, der .«

Er zog ein zweites Aktenstück heran, stockte jedoch mitten in der Bewegung. »Aber ... Ihr verteidigt sie ja!« rief er, indem er sie mißtrauisch betrachtete.

Angélique machte sich heftige Vorwürfe. Sie hatte sich ungeschickt verhalten. Sie hatte ihre persönliche Meinung allzusehr durchschimmern lassen. Sie fühlte sich nicht imstande, ihre Rolle so zu spielen, wie sie es früher getan hatte. Früher hätte sie Listen gebraucht und mit größter Leichtigkeit gelogen. Vielleicht lag es daran, daß sie sich damals die Dinge weniger zu Herzen genommen hatte.

Sie mußte um jeden Preis die Situation wieder in die Hand bekommen.

»Ich verteidige sie nicht. Ich möchte Euch nur beweisen, daß ich weiß, was in dieser Familie vorgeht. Und ich sehe, daß Ihr aufgrund irgendwelcher alberner Geschichten Eurer Dunkelmänner handelt, die sie pompös als >Berichte< ausgeben, während ich nicht einmal gefragt werde.«

»Ihr werdet nicht gefragt, weil Ihr nichts sagt. Gerade durch Euch hoffte ich zahlreiche und genaue Auskünfte zu erhalten. Aber ich wartete vergeblich.«

»Es gab nichts Interessantes mitzuteilen.«

»Dennoch habt Ihr Martial Berne fliehen lassen, ohne mich über sein Vorhaben, das Euch nicht entgangen sein kann, zu unterrichten.«

»Es handelte sich um keine Flucht, sondern um eine Reise.«

»Man hat Euch an der Nase herumgeführt.«

»Sagt nur noch, daß ich eine dumme Gans bin!«

Sie aufstehen und sich zum Verlassen des Zimmers anschicken zu sehen, schmetterte Monsieur de Bardagne nieder. Eilends umschritt er seinen Schreibtisch, um sie zurückzuhalten.

»Nun, wir werden uns doch nicht wegen solcher Kleinigkeiten streiten. Ihr habt meine Worte mißverstanden. Ich bin tief betrübt .«

Unter dem Vorwand, sie aufzuhalten, legte er seine Hände auf ihre Schultern und ließ sie die Arme entlanggleiten. Unter der Leinwand der Ärmel fühlte er das feste, sanfte Fleisch. Der leise Duft nach gesunder Weiblichkeit berauschte ihn. Angélique gab sich über die Natur ihrer Macht keinen Illusionen hin. Es war ihr unangenehm, aber sie sagte sich, daß es ihre Pflicht sei, daraus Nutzen zu ziehen, und löste sich von ihm mit aller nur möglichen Diplomatie.

»Ihr habt mich in der Tat verletzt.«

»Ich bin bekümmert und bereue.«

»Weil ich glaube, Euch sagen zu können, daß Ihr so, wie Ihr Maître Berne behandelt, niemals zum Ziel kommen werdet. Ich habe ihn recht gut kennengelernt. Er wird sich sträuben und nur noch starrköpfiger werden. Während Eure Nachsicht und das hilfsbereite Entgegenkommen, das Ihr ihm bezeigt, ihn Euren Argumenten zugänglich machen wird.«

»Wirklich?«

»Vielleicht.«

Der Statthalter des Königs geriet von neuem in Verwirrung. Diesem faszinierenden Hals, über den sein Blick glitt, so nahe, konnte es nicht anders mit ihm geschehen. Er verlangte danach, ihr Glauben, ihr blindes Vertrauen schenken zu können.

»Aber ich kann ihm schließlich doch nicht seine Kinder zurückgeben«, ächzte er. »Das ist ganz unmöglich ... Übrigens gestehe ich Euch gern ein, daß nur dieser verdammte Baumier dahintersteckt. Aber da die Prozedur nun einmal in Gang gesetzt, das Fluchtdelikt ans Licht gekommen und die Tochter verhaftet ist, kann ich nicht mehr zurück.«

»Was wollt Ihr mit ihnen machen?«

»Der Junge wird den Jesuiten anvertraut, das Mädchen den Nonnen.«

Und wir werden sie niemals wiedersehen, dachte Angélique bedrückt.

»Eben deshalb bin ich zu Euch gekommen, Herr Graf, um eine andere Lösung vorzuschlagen. Selbst Maître Berne könnte nichts dagegen einzuwenden haben. Er hat eine konvertierte Schwester, die mit einem Offizier der königlichen Marine verheiratet ist und auf der Ile de Ré wohnt.«

»Ich weiß. Madame Demuris.«