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Monsieur de Bardagne hielt Wort. Und es war wie Balsam für Angéliques wundes Selbstbewußtsein, daß er sich trotz der Ungeschicklichkeiten, die sie sich vorwarf, beeilte, ihrem Rat zu folgen und ihr Genugtuung zu verschaffen. Schon am folgenden Tage wurden Martial und Séverine zu ihrer Tante auf die Ile de Ré gebracht.

Angélique fehlte es nicht an Arbeit in ihrer kleinen Welt. Die Haushaltsgeschäfte ließen ihr kaum Zeit zur Überlegung.

Um die Wäsche zu spülen, ging sie zu einem Brunnen der Stadt, der größer war als der im Hof, und nahm auf diese Wege Honorine mit. Als sie eines Morgens eben die gewaschenen Wäschestücke in dem geflochtenen Korb aufgehäuft hatte, sah sie zu ihrer Überraschung ihre Tochter mit einem blinkenden Gegenstand spielen.

»Zeig mir das«, sagte sie.

Durch Erfahrung mißtrauisch, verbarg Honorine den Gegenstand hinter ihrem Rücken, doch nicht schnell genug, um ihrer Mutter den Anblick einer sehr hübschen Kinderklapper aus ziseliertem Gold mit Elfenbeingriff, eines wahren Kleinods, zu entziehen.

»Wo hast du diese Klapper gefunden? Honorine, du darfst nichts behalten, was dir nicht gehört.«

Die Kleine ließ das Spielzeug nicht los.

»Der nette Herr da hat es mir gegeben.«

»Welcher nette Herr?«

»Da hinten«, erwiderte Honorine mit einer unbestimmten Geste zum Hintergrund des Platzes.

Um eine Szene zu vermeiden, da die durchdringenden Schreie des Kindes die Schar der waschenden Gevatterinnen auf den Plan rufen mußte, ließ sie es dabei bewenden und nahm sich vor, die Angelegenheit ans Licht zu ziehen, sobald sie zu Hause sein würden. Sie griff nach dem Korb, nahm ihre Tochter bei der Hand und machte sich auf den Rückweg.

In einer engen, wenig begangenen Gasse trat ein Mann auf sie zu, den Mantelzipfel fallen lassend, mit dem er bis dahin sein Gesicht verborgen hatte. Sie stieß einen leisen Schrei aus, beruhigte sich aber, als sie den Statthalter des Königs, Nicolas de Bardagne, erkannte.

»Oh, Ihr habt mir Angst eingejagt!«

»Das tut mir leid.«

Seine galante Eskapade schien ihn zu erregen.

»Ich habe mich ohne Begleitung in dieses feindselige Viertel gewagt und möchte aus guten Gründen nicht erkannt werden.«

»Das ist der nette Herr«, warf Honorine ein.

»Ja, ich habe mich durch ein Geschenk für dieses charmante Kind ankündigen wollen.«

Honorine betrachtete ihn mit bewundernden Augen. Wie sehr sie schon Frau war, durch eine goldene Kinderklapper erobert! ...

»Ich kann es nicht annehmen«, sagte Angélique. »Es ist zu wertvoll. Ich muß es Euch zurückgeben.«

»Ah, es ist nicht leicht, Euer Herz zu rühren«, seufzte er. »Ich habe Tag und Nacht von Euch geträumt und versucht, mir Euch mit einem Ausdruck der Sanftheit und Hingabe vorzustellen. Aber kaum stehe ich vor Euch, richtet Ihr die Schranke Eures Blicks gegen mich auf . Darf ich Euch begleiten? Ich habe mein Pferd hier in der Nähe angepflockt.«

Sie machten sich langsamen Schritts auf den Weg. Einmal mehr stellte Monsieur de Bardagne verzweifelt bei sich fest, daß diese Frau ihn durch einen unbekannten Zauber gefesselt hatte. Ein geduldiger Anbeter, solange er fern von ihr war, verlor er die Kontrolle über sich, sobald er sich in ihrer Nähe befand. Vielleicht war es ein anomales Phänomen, aber es war Tatsache. Er erkannte es an. Er nahm es hin. Er ergab sich . Er fühlte sich imstande, bittend vor ihr in die Knie zu sinken.

Sie hatte schöne Arme, nun durch die Kälte des Wassers gerötet, in das sie sie getaucht hatte, kindliche Wimpern, einen königlichen Mund, dem das kaum merkliche Zittern und der besorgte Ausdruck nichts von seinem Adel nahm.

»Verzeiht mir, Herr Graf. Ihr seid eine bedeutende Persönlichkeit, und ich bin nur eine arme, alleinstehende Frau, für die niemand einsteht.

Nehmt es mir nicht übel, wenn ich Euch sage, daß Ihr nichts von mir erwarten dürft. Ich . Es ist mir einfach unmöglich.«

»Aber warum?« ächzte er. »Habt Ihr nicht durchblicken lassen, daß ich Euch nicht unangenehm bin? Zweifelt Ihr an meiner Großzügigkeit? Es versteht sich von selbst, daß Ihr Eure untergeordnete Stellung aufgeben werdet. Ihr werdet die Behaglichkeit eines Hauses genießen, in dem ihr allein Herrin sein werdet, Dienstboten werden Euch zur Verfügung stehen, eine Equipage, wenn Ihr es wünscht. Für alle Eure Bedürfnisse und die Eures Kindes wird gesorgt werden.«

»Schweigt«, sagte sie hart. »Diese Fragen sind ohne Bedeutung.«

Er zwang sie zum Stehenbleiben, indem er sie gegen die Einfassung einer Tür drängte, um ihr ins Gesicht sehen zu können.

»Ihr werdet mich vielleicht für einen Narren halten. Aber ich muß Euch die Wahrheit sagen. Niemals hat mir eine Frau eine so verzehrende Leidenschaft eingeflößt wie die, die Euer Anblick in mir hat wachsen lassen. Ich bin achtunddreißig Jahre alt, und mein Leben, ich gestehe es Euch, ist nicht immer von beispielhafter Ehrsamkeit gewesen. Es war reich an Abenteuern, deren ich mich nicht rühmen kann. Aber seitdem ich Euch kenne, weiß ich, daß mir das widerfuhr, was jeder Mann zugleich fürchtet und wünscht: die Begegnung mit jener Frau, die die Macht hat, ihn zu fesseln, ihn durch ihre Zurückweisungen leiden zu lassen, durch ihre Bereitwilligkeit zu beglücken, deren Joch, deren Launen er zu ertragen bereit ist, um sie nicht zu verlieren ... Ich begreife nicht, was Euch diese besondere Macht über mich verleiht, aber es scheint mir nun, als habe ich vor Euch nichts gekannt. Alles war abgeschmackter, armseliger Zeitvertreib. Nur durch Euch kann ich erfahren, was Liebe bedeutet .«

»Wenn er wüßte, welche anderen Lippen mir schon vor ihm ähnliche Worte sagten!« dachte sie. »Die des Königs .«

»Könnt Ihr mir das verweigern?« beharrte er. »Es wäre das Leben, das Ihr mir verweigert.«

Die liebenswürdige, glatte Physiognomie des Gesellschaftsmenschen verhärtete sich. Die Augen, die einen finsteren Ausdruck angenommen hatten, musterten sie gierig. Er fragte sich, welche Farbe ihr Haar haben mochte, das sie unter einer strengen Leinenhaube verbarg: blond, kastanienfarben, rot wie das ihrer Tochter, braun vielleicht, wie der warme Schimmer ihres Teints vermuten ließ?

Ihre Lippen waren wie mit Perlmuttglanz überzogen. Sie erinnerten an die unaufdringliche Pracht der Muscheln.

In dem Zustand, in dem er sich befand, hätte er sie ohne Honorines Gegenwart, die ihn mit in die Luft gehobener Nase aufmerksam beobachtete, in seine Arme gezwungen und versucht, ihre Begierde zu wecken.

»Gehen wir«, sagte sie, ihn artig zurückdrängend. »Ihr seid ein Narr, Herr Graf, und ich glaube nicht ein Wort von dem, was Ihr mir da erzählt. Gewiß habt Ihr viel glänzendere Frauen als mich gekannt, und es kommt mir fast so vor, als wolltet Ihr meine Naivität mißbrauchen.«

Nicolas de Bardagne folgte ihr, Leere im Herzen, sich all dessen bewußt, was in seiner Erklärung verrückt klingen mußte. Er selbst verwunderte sich darüber, aber er wiederholte es sich, daß an der Tatsache nicht zu rütteln war. Er liebte sie so, daß er den Kopf darüber verlor, daß er bereit war, sich zu kompromittieren, seine Karriere zu ruinieren. Sein Blick fiel auf das kleine Mädchen, das an der Hand seiner Mutter dahinstolperte, und ein anderer Gedanke kam ihm.

»Ich schwöre Euch«, versicherte er, »falls Ihr ein Kind von mir haben werdet, es anzuerkennen und für seine Erziehung zu sorgen.«

Angélique zuckte zusammen. Kein Versprechen konnte sie stärker abkühlen als dieses. Es entging ihm nicht.

»Ich bin ein Tölpel«, seufzte er.

Als sie vor dem Haus der Bernes anlangten, setzte Angélique ihren Korb ab und löste von ihrem Gürtel den Schlüssel, der die Seitenpforte öffnete. Der Statthalter des Königs folgte jede ihrer Bewegungen mit einem Gefühl geschärften Schmerzes, in den sich melancholisches Entzücken mischte. Sie war die Grazie selbst. Sie würde der Schmuck jedes Hauses sein.