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»Eure Zurückhaltung macht mich närrisch. Wenn sie gespielt wäre, würde ich es gern auf mich nehmen, Euch davon zu kurieren. Aber sie scheint leider recht wirklich zu sein ... Hört mich an, ich glaube .ja, ich glaube, daß ich so weit gehen werde, Euch zu heiraten.«

»Aber Ihr seid doch gewiß verheiratet!« rief sie aus.

»Nun, das ist es eben, worin Ihr Euch täuscht. Ich verheimliche Euch nicht, daß man mir seit meinem fünfzehnten Jahr alle möglichen Erbinnen in die Arme geworfen hat, aber es glückte mir immer, mich rechtzeitig zu retten, und ich war fest entschlossen, mein Leben in der Haut eines Junggesellen zu beschließen . Für Euch jedoch fühle ich mich fähig, die ehelichen Ketten auf mich zu nehmen. Wenn die Vorstellung eines Lebens außerhalb der göttlichen Gesetze der einzige Grund ist, der Euch von mir trennt, werde ich dieses Hindernis niederreißen.«

Er vollführte einen zeremoniellen Gruß, indem er sich leicht verbeugte.

»Dame Angélique, werdet Ihr mir die Ehre geben, mich als Euren Gatten anzunehmen?«

Wahrhaftig, er war entwaffnend.

Sie durfte sein Angebot nicht leicht nehmen, wenn sie es nicht riskieren wollte, ihn ernstlich zu beleidigen. So versicherte sie, daß sie fassungslos sei, daß sie niemals eine solche Ehre erhofft, aber keinen Zweifel daran habe, daß er, kaum in sein luxuriöses Palais zurückgekehrt, seinen wahnwitzigen Vorschlag bedauern werde, weshalb sie selbst ihn nicht annehmen könne. Das Hemmnis, daß sie von ihm trenne, gehöre nicht zu denen, die man leicht beiseite schiebe, selbst dann nicht, wenn man den Preis dafür zu zahlen bereit sei.

»Versteht mich, Monsieur de Bardagne . es fällt mir schwer, Euch die Gründe für das zu erklären, was Ihr meine Fühllosigkeit nennt. Ich habe viel in meinem Leben gelitten ... durch die Männer. Ihre Brutalität hat mich tief verletzt und mir für immer die Freude an der Liebe ausgetrieben . Ich fürchte sie und finde keinen Geschmack mehr an ihr.«

»Wenn es nur das ist!« rief er, wieder heiterer. »Was habt Ihr von mir zu fürchten? Ich kenne die Frauen und verstehe es, sie galant zu behandeln . Ich bin kein Schiffer vom Hafen ... Ein Edelmann bittet Euch ihn zu lieben, schöne Dame. Vertraut mir. Ich werde Euch schon besänftigen und das Meinige dazu tun, Eure Ansichten über die Liebe und ihre Vergnüglichkeiten zu ändern.«

Angélique war es geglückt, die Pforte zu öffnen, Honorine hineinzuschieben und den Korb in den Hof zu stellen. Sie wünschte die Unterhaltung zu beenden.

»Versprecht mir, daß Ihr über meine Vorschläge nachdenken werdet«, beharrte der Statthalter des Königs, sie am Arm zurückhaltend. »Ich stehe zu allen. Ihr werdet den auswählen, der Euch am besten gefällt .«

»Ich danke Euch, Herr Graf. Ich werde es mir überlegen.«

»Sagt mir wenigstens, von welcher Farbe Euer Haar ist!« bat er noch.

»Weiß«, sagte sie und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

Angélique war von Maître Gabriel beauftragt worden, dem Reeder Jean Manigault eine Botschaft zu überbringen. Sie befand sich schon auf dem Rückweg durch ein an den Wällen entlangführendes Gäßchen, als sie zwei Männer bemerkte, die ihr folgten.

In ihre Gedanken versunken, hatte sie bis dahin nicht auf sie geachtet. Aber die verlassene Gasse, in die sie eingebogen war, ließ das Geräusch der sich immer im gleichen Abstand hinter ihr haltenden Schritte zu ihren Ohren dringen.

Sie warf einen Blick über ihre Schulter und bemerkte zwei Individuen, deren Aussehen ihr nicht gefiel. Es waren weder umherstreifende Matrosen noch Schiffer aus dem Hafen. Ihre bürgerliche Kleidung schien fast elegant, stach aber auffallend gegen die unrasierten, verschlagenen Physiognomien ab. Sie wirkten wie verkleidet.

Ein aus früheren Erfahrungen gewonnener Spürsinn ließ sie denken:

»Polizisten«, und sie beschleunigte ihren Gang.

Alsbald näherten sich die Schritte, und einer der beiden Männer rief sie an:

»He, Hübsche . lauft uns nicht davon!«

Sie ging noch schneller, doch sie hatten sie schon erreicht und rahmten sie auf beiden Seiten ein. Einer von ihnen packte ihren Arm.

»Ich bitte Euch, Messieurs, laßt mich!« sagte sie, sich losreißend.

»He, warum denn? Ihr seht nicht allzu lustig aus. Man könnte Euch doch ein wenig Gesellschaft leisten.«

Ihr tückisches Lächeln ließ sie das Schlimmste befürchten. Wenn sie genötigt war, die aufdringlichen Burschen zu ohrfeigen, machte sie sich auffälliger, als ihr lieb sein konnte. Waren es reiche Bürgersöhne, würden sie ihr Mißgeschick vielleicht hinnehmen. Aber ohne recht zu wissen, warum, fürchtete sie, daß sich hinter ihrer eleganten Außenseite etwas Verhängnisvolles verstecken könnte.

Ihre Augen suchten längs der verschlossenen Häuserfronten nach Hilfe. Aber es war die Stunde nach der Mittagsmahlzeit, und La Rochelle pflegte nach der Gewohnheit der Mittelmeerländer die Fenster mit Läden zu verdunkeln. Die Sonne schien strahlend und warm für die Jahreszeit und lud zur Mittagsruhe ein. Niemand am Fenster, niemand auf der Türschwelle. Zum Glück befand sich Angélique nicht weit von den Lagerhäusern Maître Bernes.

Es war besser, sich in ihren Schutz zu flüchten, als den Versuch zu wagen, das noch ferne Haus zu erreichen, und auf dem Wege dorthin diese reichlich unerfreuliche Begleitung dulden zu müssen. Sie wußte, daß Maître Gabriel sich dort aufhielt, und war überzeugt, daß er die Burschen in ihre Schranken verweisen würde.

Sie fuhren fort, ihr Komplimente und abgeschmackte Albernheiten zu sagen. Vielleicht waren es doch nur leicht angetrunkene Müßiggänger auf der Suche nach irgendwelchen Vergnügungen.

Sie überquerte die Gasse und entdeckte zu ihrer Erleichterung am Ende einer langen, blinden Mauer die Einfahrt, vor der am Abend ihrer Ankunft in La Rochelle Maître Gabriel zum erstenmal angehalten hatte, um seine Kornkarren in den Hof zu dirigieren. Sie war nur noch wenige Schritte davon entfernt, als einer der Männer, der größere, der unter dem Tuch seines taubenblauen Rocks recht muskulös schien, ihre Hand ergriff und einen Arm um ihre Taille legte.

»Genug, meine Hübsche! Ihr werdet zwei netten Jungs wie uns, die nichts weiter möchten als ein Lächeln und ein schnuckliches Schmätzchen, doch kein schiefes Maul ziehen. Man hat uns erzählt, daß die Mädchen von La Rochelle den Fremden freundlich entgegenkämen. Beweist uns das!«

Während er sprach, beugte er sich über sie und versuchte, seinen Mund auf ihre Lippen zu pressen.

Sie warf sich zurück und gab ihm mit aller Kraft eine schallende Ohrfeige. Er ließ sie los und hielt seine schmerzende Wange. Sie machte einen Satz zur Tür, aber schon hatte sie der andere umschlungen. Ein böses, triumphierendes Lächeln verzog die Lippen des Geohrfeigten.

»Gib’s ihr, Jeannot!« rief er. »Halt sie fest. Wir werden ihr ein bißchen die Röcke lüpfen . Was für ein Happen! Ein wahrer Glückstag ist das für uns!«

Gemeinsam gelang es ihnen, sie zu bändigen. Ein brutaler Fußtritt in die Kniekehlen ließ sie taumeln. Sie schrie auf. Schläge trafen ihren Mund. Grobe Hände rissen an den Schnürbändern ihrer Korsage.

Sie glaubte, ohnmächtig zu werden, doch sie faßte sich wieder und wehrte sich wie eine Rasende mit Fäusten und Zähnen.

Von neuem gelang es ihr zu entkommen, und verzweifelt lief sie der Einfahrt zu. Ein Stein ließ sie stolpern, sie stürzte auf die Knie, schleppte sich weiter. Sie schrie:

»Zu Hilfe, Maître Gabriel! ... Zu Hilfe!«

Schon wieder waren sie über ihr. Sie schlug um sich wie in einem Alptraum, wie sie gegen die Dragoner Montadours gekämpft hatte, mit dem gleichen Gefühl der Ohnmacht, dem gleichen lähmenden Entsetzen.

Plötzlich schienen ihre Widersacher davonzufliegen. Einer von ihnen prallte gegen die Mauer, von einer schier unmenschlichen Kraft geschleudert. Seine Augen wurden glasig. Er schwankte und fiel, schlaff wie ein Hampelmann, über Angélique. Rotes Blut schoß stoßweise aus einer Schläfenwunde. Erschrocken bemühte sie sich, die Last von sich zu stoßen. Das Blut sprudelte wie eine Quelle. Es gelang ihr nicht, sich von dem Körper zu befreien, der mit der zähen Trägheit eines Leblosen über ihr lag, obwohl sie wie wahnwitzig gegen ihn ankämpfte. Endlich brachte sie es fertig, ihn beiseite zu schieben. Vor ihr hatte es der Mann im blauen Rock mit Maître Gabriel zu tun. Der Kaufmann war seinem Gegner an Kraft und Körperbau weit überlegen. Seine Fäuste schlugen hart auf ihn ein. Der Mann bat schon um Gnade. Zweimal war er zu Boden gegangen. Seine Kleidung war zerknittert und staubbedeckt, sein Gesicht bekam einen verstörten Ausdruck. Die Perücke war in den Rinnstein gefallen, und das zum Vorschein gekommene fettige, schmutzige Haar fiel ihm über die Augen.