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1.

Das Raumschiff näherte sich mit Unterlichtfahrt der mächtigen Sonne. Der Stern war dreihundertachtzig Parsek von der Erde entfernt und hatte nur einen einzigen Begleiter: Rhea.

Von allen Planeten, die den Pionierkommandos Terras bekannt waren, schien Rhea die gefährlichste, nutzloseste und aufregendste Welt zu sein - ein Planet mit doppelter Erdmasse im Urzustand. Das Schwerefeld war stärker. Die Mesonstürme in den obersten atmosphärischen Schichten machten eine Landung unmöglich. Das Gas, das anstelle einer normalen Sauerstoffhülle die zerklüfteten Schründe der Oberfläche umgab, leuchtete auf wie ein starker Blitz, wenn sich Meteoriten dem Boden entgegenstürzten. Ein immerwährender planetenweiter Hurrikan scheuchte die Gasmassen mit Geschwindigkeiten von über fünfhundert Stundenkilometern vor sich her, wirbelte sie herum, schuf Zonen aus Turbulenzen und fast windstillen Augen und riß Ozeane mit sich.

Rhea war eine Herausforderung an jeden Raumfahrer.

Heute, im Zeitalter der schweren Triebwerke und der sicheren Schiffshüllen war vieles möglich, was vor zwei Jahrhunderten noch ins Reich der Fabel verwiesen worden war: Rhea war außergewöhnlich. Aus diesem Grund war sie Commander Cliff Allistair McLane ein Dorn im Auge. Er kehrte mit seinem Kreuzer von einer Inspektionsfahrt zurück, die ihn bis an die Grenzen des kugelförmigen Raumbezirks gebracht hatte, den Terra kontrollierte. Hier, siebzig Parsek - also 228,2 Lichtjahre - vom Außenrand der Raumkugel entfernt, näherte sich der Kreuzer McLa-nes dem Planeten Rhea.

Lautlos, mit 229 700 km/sek, also eine Winzigkeit innerhalb der Lichtgeschwindigkeit fliegend, näherte sich der Diskus dem Stern. Das Schiff trat aus der Anonymität der strahlenden Punkte im All hervor, wurde größer und heller, schimmerte dann auf und zeigte sein wahres Aussehen. McLanes Schiff war einer jener flachen, diskusförmigen Kreuzer, wie sie die Raumaufklärungsverbände flogen, ein silbern schimmerndes Gebilde aus Stahl, Kunststoff und Glas. Schnell und wendig, sicher und zuverlässig, und mit einer Crew besetzt, die unter McLane eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte. Im Innern des Schiffes herrschte nur ein einziges Geräusch: Das Singen der Antriebsmaschinen.

»Noch fünfzehn Lichtminuten bis Rhea«, sagte eine Stimme in der Kommandokanzel.

»Danke, Atan«, erwiderte McLane.

Das Raumschiff jagte weiter. In Hunderten von Lichtjahren Umgebung gab es nichts, das an Terra erinnerte. Hier, im östlichen Quadranten der zweidimensionalen Projektion des terranischen Herrschaftsgebietes, fand man nur Relaisstationen, Planeten mit winzigen Testkolonien oder mit Gruppen, die nach dem Krieg zurückgeblieben waren. Es lohnte sich nicht, so weit von Terra entfernt zu siedeln.

Der Diskus raste heran. In der Kommandokanzel herrschte eine unbestimmte Gespanntheit; man brauchte nur die Gesichter der Menschen anzusehen. McLane saß vorgebeugt in seinem Sessel und betrachtete den riesigen Schirm vor sich, der eine Menge Sterne, einen Abschnitt der Milchstraße und die leuchtende Sonne des Planeten Rhea zeigte. Niemand sprach. Alle wußten, worum es ging.

Cliff Allistair McLane wollte wieder einmal beweisen, daß es für ihn das Wort unmöglich nicht gab. Jedesmal, wenn er dies vorhatte, riskierte er fast alles und - gewann. Er hatte vor, das Gesetz dieser Serie auch heute zu beweisen.

Commander McLane ... Ingenieur Sigbjörnson ... Astrogator Shubashi ... Funktechnikerin Legrelle ... Erster Offizier de Monti ...

Das war die Crew des schnellen Raumkreuzers ORION VII. Angeführt von ihrem Kommandanten, gingen die vier Leute durch jedes Feuer und waren bereit, sich großzügig über Dienstvorschriften hinwegzusetzen, nur um ihren Ruf zu wahren. Dieser Ruf wurde in den Gesprächen an der Bar des Star-light-Casinos diskutiert. Er erfüllte Kadetten mit Neid und Freunde mit Furcht, denn sie kannten die Gefahren, in denen sich McLane wohl zu fühlen schien wie ein Vogel in der Luft. Dieser Ruf drang aber auch bis in die Büros der Vorgesetzten und in die Ohren von Wamsler, dem Chef der Terrestrischen Aufklärungsverbände. Und dies war die größte Gefahr für McLa-ne und seine Crew.

»Entfernung elf Lichtminuten, Cliff.«

»Danke.«

Jetzt zeichnete sich die Sonne als Punkt auf dem Schirm ab. Von der Ebene der Radargeräte aus betrachtet, lag Rhea rechts von dem Stern. Die Geräte machten das schwache Echo durch einen Satz Verstärker sichtbar. Ein Filter schob sich in Schirmmitte über die Sonne. Rechts davon erschien ein winziger Schatten.

Helga Legrelle sagte halblaut: »Ich habe Funkkontakt über Erdaußenstation IV.«

McLane schaltete den Lautsprecher links von der Sichtscheibe an und sagte leise: »Funkspruch umlegen auf Gerät Kommandant.«

In den Lautsprechern knackte es. Dann hörten die fünf Menschen das heulende Zischen der Statik, überlagert von den Störungen der Sonne. Helga Le-grelle schaltete die Filter vor; die Worte wurden deutlicher und lauter.

»Erdaußenstation IV ruft Raumkreuzer ORION ... ORION VII, melden Sie sich!«

McLane blickte hinüber zu seinem weiblichen Offizier der Raumüberwachung und grinste. Er machte ein Zeichen, das bedeutete, daß Helga den Empfang nicht bestätigen sollte.

Die Robotstimme redete ununterbrochen weiter.

»ORION VII, melden Sie sich ... Sie werden aufgefordert, Ihre Koordinaten bekanntzugeben ... Station IV ruft ORION!«

Die Blicke der Besatzungsmitglieder hingen an dem Gesicht des Commanders. Sie waren vor zwei Stunden von ihm über die bevorstehenden Ereignisse verständigt worden und waren von McLanes Vorhaben begeistert. Die Landung auf Rhea stand, wenn nicht das Schiff in der Gashülle verglühte, kurz bevor. Daran konnte ein einfacher Funkspruch, der über ein Netz von Relaisstationen gesendet und durch Benutzung einer Raumfalte schneller gemacht wurde, nichts mehr ändern. Cliffs Augen schienen die Scheibe durchbohren zu wollen.

Auf dem runden Schirm, zwei Meter im Durchmesser, zeichneten sich die Sterne der Milchstraße ab, darin eine glühende, lodernde Sonne und das Echo eines großen Planeten, umgeben von einer dunkelvioletten Aura. Immer noch wiederholte die Robotstimme die Aufforderung.

»ORION - bitte melden!«

McLane schüttelte den Kopf. Das Grinsen wich nicht aus seinem Gesicht, und die Anspannung der fünf Menschen nahm zu.

»Hasso! Zusatzmaschinen anfahren!«

»In Ordnung.«

Die noch stilliegenden Maschinen des Kreuzers begannen zu arbeiten. Noch wurden sie nicht eingesetzt. Sie liefen leer, und Hasso, der Ingenieur, saß konzentriert vor seinen Instrumenten und Schaltern.

»Helga, errichte eine Verbindung.«

»Verbindung steht, Cliff!« sagte Helga und drehte an einem Lautstärkeregler.

Plötzlich tobte eine akustische Hölle in der Kommandokanzel. Drei verschiedene Relaisstationen strahlten Funksprüche an die ORION ab. Offensichtlich hatte die vollautomatische Ortungsstation der fünften Entfernungszone und des betreffenden Sektorenausschnitts das Schiff geortet. Erdaußenstation IV schrie: »Ausnahmebefehclass="underline" ORION VII - sofortige Rückkehr zur Erde befohlen. Dies ist eine AlphaOrder der Obersten Raumbehörde! Ich wiederhole: Kurskoordinaten bekanntgeben und Anflug zur Erde einleiten ... Alpha-Order!«

Das Grinsen wich aus dem Gesicht des Kommandanten. Er machte eine komplizierte Geste; Helga verstand augenblicklich. Die Mannschaft flog schon lange mit McLane. Jupiters Außenstation, die Verbindungsstation von Wamslers Büro zu seinen Schiffen, sendete auf der gleichen Frequenz einen ähnlichen Spruch.

»Jupiter Außenstation an Schnellen Raumkreuzer ORION VII: Sie werden aufgefordert, Erdkurs einzuleiten und diese Meldung zu bestätigen. Ich wiederhole ... «

Das schrille Stakkato einer unverschlüsselten Ortermeldung mischte sich in die einander überlagernden Texte.

»Orter fünf/Ost Zwei meldet: ORION VII fliegt in Unterlichtgeschwindigkeit soeben Raumsektor Fünf an. Zielsonne scheint Rheas Begleiter zu sein ... Nummer Delta 33987 im Handbuch.«