»Abstand 488 980 Kilometer«, sagte Helga Legrelle.
»Das ist ein Funksatellit«, sagte McLane mit einer Andeutung von Höflichkeit. »Vermutlich einer, der nicht mehr funktioniert. Bekommst du Kontakt, Atan?«
Shubashi hantierte wütend an seinen Instrumenten und horchte die gesamte Länge des Frequenzbandes ab.
»Nichts!« sagte er. »Das Ding hängt dort draußen wie ein taubstummer Vogel!«
De Monti verstaute das Typenbuch wieder unterhalb seines Pultes und verkündete laut: »Das ist ein Funksatellit Typ SKft 77. Vermutlich ist er gestört. Er sollte auf der stehenden Wasserstoffwelle senden, Atan. Findest du dort nichts?«
»Ich sagte es bereits«, erwiderte Shubashi.
»Außerdem ein veraltetes Modell«, sagte McLane. »Es stellt eine Gefahr für die gesamte Schiffahrt dar. Notiere bitte die genauen Koordinaten und die Drift, sprich alles auf Bordbuch und schieße es ab, Mario!«
»In Ordnung, Chef!« sagte Mario militärisch knapp und stand auf, um links unter der Kommandokanzel seinen Sitz im Werferstand einzunehmen.
Tamara schaltete sich augenblicklich ein. Das hatte Cliff befürchtet.
»Sind Sie dazu befugt, Commander McLane, einen wertvollen Funksatelliten einfach zu zerstören?«
Cliff holte tief Atem, lehnte sich zurück und sagte langsam: »Mein liebes Kind ...«
Eisig antwortete Tamara: »Ich bin weder lieb noch Ihr Kind, Commander. Ich bin, falls es Ihnen entfallen sein sollte, der verantwortliche GSD-Offizier und verbiete Ihnen, den Satelliten abzuschießen. Dieser Körper dort hat einen Wert von neunhunderttausend Credit und ... «
»Dieser Körper dort draußen, mein liebes Kind«, sagte McLane und bemühte sich weiterhin, seine Fassung nicht zu verlieren, »hat überhaupt keinen Wert mehr. Im Gegenteiclass="underline" Er stellt eine Gefahr für sämtliche Raumschiffsbesatzungen dieses Raumkubus dar.«
»Aus welchem Grund?«
McLanes Geduld wurde auf eine mehr als harte Probe gestellt. Er versuchte zu erklären.
»Erstens können Schiffe mit diesem Körper kollidieren. Er sendet nämlich keinen Peilton mehr. Zweitens erhalten Schiffe, die ihn als Relaisstation oder als Nachrichtenspeicher benutzen wollen, keine Verbindung. Drittens sind alle diese Körper so eingerichtet, daß sie lange funktionieren. Tun sie es einmal nicht mehr, dann sind sie so unbrauchbar wie Schrott. Leuchtet das Ihnen ein, Leutnant Jagellovsk?«
Ironisch gab Tamara zur Antwort: »Glauben Sie nicht, daß es eine bestimmte Station, ein Schiff oder jemanden gibt, der bereits festgestellt hat, daß der Satellit nicht mehr arbeitet?«
»Sie haben wirklich keine Ahnung!« flüsterte McLane, erstaunt ob soviel Unwissenheit. »Nicht einmal ich weiß, wie viele Satelliten, Meßsonden und Radarautomaten in sämtlichen Sektoren und Kuben unseres Kontrollbereichs umherschwirren. Sollte es eine Stelle geben, die sich um defekte Satelliten kümmert und sie auch noch repariert, dann lasse ich mich erschlagen - von Ihnen!«
Was McLane an Hartnäckigkeit besaß, hatte Tamara an Geduld.
»Ich warne Sie, Commander!« sagte sie. »Vermutlich ist bereits ein Technokreuzer unterwegs, um den Schaden zu untersuchen. Sie vernichten den Satelliten nicht!«
Eine ganze Weile lang geschah nichts.
Man hörte das Summen der Maschinen und das trockene Knistern der Luftumwälzanlage. McLane starrte Tamara an, und der Leutnant gab den Blick ungerührt zurück. Cliff kämpfte einen schweren lautlosen Kampf in seinem Innern. Sein besseres Ich siegte mühsam. Mit nahezu überirdischer Ruhe drehte sich der Commander um, winkte Mario und sagte leise: »Leutnant de Monti! Sprechen Sie auf Bordbuch: Die GSD-Beamtin Jagellovsk verbietet den Abschuß des funktionsunfähigen Funksatelliten auf den Koordinaten sowieso und so weiter. Der Kommandant geht wieder schlafen.«
McLane stand auf und ging zum Lift, ohne jemanden anzusehen. Als er dicht vor der Tür stand und sie sich langsam zurückschob, rief Atan Shubashi plötzlich: »Ich fürchte, der Kommandant geht nicht schlafen. Cliff - wir stehen dicht vor MZ 4.«
»Natürlich. Etwa drei Lichtminuten. Und ...?«
Shubashi sagte: »Clarence meldet sich nicht. Er müßte uns schon lange im Radar haben.«
»Was?« schrie McLane. Er war mit drei Sätzen wieder vor seinem Pult. Auf dem Schirm vor dem Kommandopult war die Vergrößerung des Satelliten zu sehen.
Von seinem Platz aus sagte Hasso nachdenklich: »Merkwürdig - MZ 4 meldet sich nicht. Das gab es noch nie!«
»Was ist MZ 4?« fragte Tamara schnell und wandte sich an Helga.
»Ein Asteroid«, sagte der Funkoffizier. »Ein Felsbrocken mit einem Kilometer Durchmesser. Man hat ihn vor fünfunddreißig Jahren eingefangen, mit einem Atomtriebwerk ausgerüstet und hier in eine stabile Bahn gebracht.«
Ein dunkelgrauer Mond, nur undeutlich vom Licht einiger ferner Sonnen aus der kosmischen Schwärze hervorgehoben, stand unbeweglich auf dem kreisrunden Schirm. Tamara richtete ihren Blick darauf.
»Wozu?« fragte sie.
»MZ 4 dient als Relais- und Fernmeldestation.«
»Und wer ist Clarence?« fragte der Leutnant weiter.
»Er ist Stationschef«, erklärte de Monti und deutete auf das Bild. »Außerdem ein Freund von uns. Wenn er sich nicht meldet, ist er entweder betrunken oder -tot.«
McLane sagte zu Shubashi: »Gehe bitte noch einmal auf die Wellenlänge und rufe den Satelliten.«
Lakonisch erwiderte Shubashi: »Ich bin auf der Wellenlänge. Nichts!«
Vierhundertachtundvierzig Parsek von Terra entfernt hing der Asteroid im Raum und schwieg. Er diente den Raumschiffen, die in diesem Kubus operierten, als Funkfeuer und als Relaisstation für ihre Hyperfunkverbindung mit der Erde. Es war so gut wie unmöglich, daß die Funkanlage ausgefallen war -sie existierte doppelt und war entsprechend gesichert. Außerdem waren die Männer der Stationsbesatzung in der Lage, sie reparieren zu können.
Shubashi wiederholte seinen Ruf.
»ORION VII ruft MZ 4. Clarence, bitte melden ... Wir wollen nichts anderes als einen Funkkontakt.«
»Hier!« sagte Helga und drehte einen Verstärker. Verworrene Funkzeichen eines nicht benützten Kode waren zu hören.
»Na also!« sagte de Monti beruhigt. »Sie leben noch.«
McLane hob die Hand und hörte einige Sekunden lang zu. Plötzlich schien der glitzernde, mit verwirrenden technischen Geräten ausgestattete Raum der Kommandokanzel von einer unfaßbaren Gefahr erfüllt, von der Ahnung kommenden Unheils.
»Das«, sagte der Commander dann, »sind Dreiergruppen, die ich in meinem ganzen Leben nicht gehört habe.«
»Soll ich das Schiff näher heranbringen?« fragte Hasso ruhig.
»Ja. Auf jeden Fall. Ich muß wissen, was ...«
»Commander!«
Die Stimme Tamaras war kühl und befehlsgewohnt wie vor den Ereignissen nach dem Start. Sie schien sich schlagartig wieder ihrer Funktion besonnen zu haben.
»Bitte?« fragte McLane zerstreut. Er dachte an wichtigere Dinge als an den GSD-Offizier.
»Sie haben eindeutige Weisung, Ihr Operationsgebiet so schnell wie möglich zu erreichen!«
»Wir sind im Operationsgebiet«, erwiderte McLane kurz angebunden und wandte sich an Atan Shubashi.
»Schalte einen Verstärker ein und nimm die Funkzeichen aufs Bordbuch auf. Helga!«
»Klar!« sagte der Funkoffizier.
Unverständliche Funkzeichen, gestaffelt in Dreiergruppen, schlugen gegen die Trommelfelle der Besatzungsmitglieder. Sie klangen wie Signale aus einer anderen Welt, und was sie bedeuteten, war nicht klar. Nur eines stand fest: Diese Zeichen sandte nicht Cla-rence, und sie bedeuteten Gefahr.
»Hört euch das an!« sagte McLane halblaut und deutlich. »MZ 4 ist wahnsinnig geworden. Vermutlich ist der Integralrechner gestört. Das ist ein sinnloser, verrückter Kode.«