»LANCET, bitte T.O.R.B.« sagte er knapp.
Sigbjörnson nahm die Überprüfung der Aggregate vor.
»Treibstoff und Maschine - klar!« sagte er. »Oxy-gen - klar. Radio - einwandfrei. Batterien - volle Ladungen.«
Bordsprechanlage: »Commander, wir sind soweit!«
McLane stand über Videophon mit der LANCET und mit de Montis Startkabine in Verbindung. Der Commander sagte: »Start freigegeben.«
»... vier - drei - zwei - eins - null!«
Drei Dinge geschahen fast gleichzeitig. Sie brachten den kugelförmigen Körper, der acht Meter Durchmesser besaß, vom Schiff weg.
De Monti öffnete die Schleuse, schaltete die magnetische Rampe ein und sah, daß die Blöcke auf den Startschienen nach oben schnellten. Sie hingen an der Wandung der LANCET fest und schoben, mit einer Beschleunigung von nur vier g, das Beiboot senkrecht aus der ORION.
Dann, nachdem die Magnete abgefallen waren, schloß sich die Schleuse wieder. Die LANCET war im Raum ...
McLane, Helga Legrelle und Tamara Jagellovsk beobachteten den Sichtschirm vor dem Pult. Deutlich sichtbar schwebte die LANCET mit den zwanzig erleuchteten Kuppeln zwischen dem Schiff und dem Asteroiden. Dann feuerte Hasso kurz mit den Triebwerken und steuerte die Kugel »hinunter« auf den Asteroiden. Über Bordsprechanlage kamen die ge-murmelten Sätze, mit denen sich Hasso und Atan in der LANCET verständigten.
Der Monitor direkt über McLanes Blickfeld zeigte einen Ausschnitt der kleinen Kabine. Schweigen. Niemand wagte ein Wort zu sagen.
McLane hatte ein Gefühl für Gefahren; er war schon sehr lange im Raum. Er wußte nicht, was auf MZ 4 vorging, aber er wußte, daß Atan und Hasso einem Geheimnis entgegensteuerten. Es war eine Ahnung, die sich nicht durch sachliche Fakten begründen ließ.
»Hasso?« fragte er endlich.
Das Beiboot war nur noch hundert Meter von der Oberfläche des Asteroiden entfernt.
»Ja?«
»Könnt ihr etwas Ungewöhnliches erkennen?« fragte der Commander besorgt.
»Nichts, Cliff. Wir sehen nur, daß alles wie ausgestorben liegt.«
»Bitte sofort benachrichtigen, wenn etwas geschieht, ja?«
»Selbstverständlich«, versprach Hasso.
Als die LANCET fünfundsiebzig Meter von der felsigen Oberfläche entfernt war, schlug der dünne Zeiger eines Instruments stark aus und fiel eine Zehntelsekunde später wieder in seine Ausgangsstellung zurück. Hasso bemerkte es und wollte eine Meldung durchgeben. Aber da verschwand die Kugel mit den hellen Lichtbuckeln darauf bereits in der Dunkelheit eines dreißig Meter tiefen Landeschachtes.
Die Stimmen klangen auf seltsame Weise unpersönlich. Sie wurden von den winzigen Mikrophonen aufgefangen, die in den Halsblenden der Helme untergebracht waren. Antennen auf den Schultern strahlten sie ab, Lautsprecher in Ohrhöhe gaben die Worte wieder. Hasso und Atan schalteten die Mikrogeräte ihrer Armbänder ein und verließen die LAN-CET.
Schritte ... Sie klangen dunkel verschwommen, waren fast unhörbar. Die hochempfindlichen Mikrophone in den Raumanzügen nahmen die Schwingungen auf und gaben sie wieder.
»Zur Schleuse, Atan«, sagte Hasso leise.
Schweigend legten sie die zwanzig Meter zurück und standen vor der Schleuse. Atan Shubashi hielt seine Hand vor die Photozelle und wartete, bis sich die Schleuse öffnete. Die Männer betraten Sekunden später das Korridorsystem der Relaisstation. Sigbjörnson blickte auf sein Armbandfunkgerät. Das leuchtende Dreieck einer gleitenden Skala deutete auf einen seltsamen Wert. Null!
»Halt, Atan!« sagte Sigbjörnson scharf. Sein Blick drückte Verwunderung aus.
»Was ist los?« fragte die Stimme neben seinen Ohren.
»Sieh einmal auf deinen Druckanzeiger. Hier in diesem Abschnitt der Gänge ist etwa soviel Sauerstoff wie in einem Aquarium.«
Die beiden Männer standen vor einem dunklen Gang. Nicht einmal die Notbeleuchtung brannte.
»Die hydroponische Anlage oder die Umwälzer müssen ausgefallen sein«, sagte Shubashi.
»Und die Generatoren sind ebenfalls stillgelegt«, stellte sein Partner fest.
»Hier ist etwas geschehen ...« sagte Hasso und ließ den Satz unbeendet. Die Männer blickten noch einmal auf ihre Anzeigen: Keinerlei Sauerstoffdruck in dem Korridor. Dann schalteten sie die Lampen ein. Zwei starke Lichtstrahlen wanderten vor den Raumfahrern her, als diese langsam in das Gangsystem eindrangen. Die Stille und die Dunkelheit waren gespenstisch.
»Hörst du?« flüsterte Hasso plötzlich.
Beide Männer blieben stehen, als seien sie gegen eine unsichtbare Mauer geprallt. Die Sendeenergie des MZ 4-Gerätes schien derart stark zu sein, daß die Zeichen sogar durch den Helmfunk zu hören waren. Die Dreiergruppen des geheimnisvollen Kodes waren genau und scharf.
»Ja, ich höre«, erwiderte Atan ebenso leise.
Die Männer sahen sich durch das Quarzglas der Helme an. Atans Hand tastete sich hinunter zu der Waffe am Gürtel. Langsam setzten Atan und Hasso einen Fuß vor den anderen. Sie durchquerten den langen Korridor mit seinen wabenartigen Wänden und kamen bis auf einen Kreuzungspunkt. Drei weitere Stollen mündeten in den zylindrischen Raum. Auch hier sahen die Männer nur, was die Kegel ihrer Lampen aus dem Dunkel rissen.
»Hasso - links!« flüsterte Atan Shubashi. In die schwarzen Augen des Mannes kam ein gefährliches Glitzern.
Wie auf Kommando zogen die Männer die Strahlwaffen. Der spitze Dorn des Projektors wies auf die stählerne Tür. Langsam schwang die sechseckige Tür zum Mittellager auf und drehte sich um neunzig Grad. Atan und Hasso gingen zu beiden Seiten der Platte langsam und wachsam in den Raum hinein. Es war die halbautomatische Funkzentrale von MZ 4.
Schlagartig hörten die schwachen Funkzeichen auf.
Zwei Lichtkreise huschten über Schalter, über die komplizierten Anordnungen von Röhren und Twistoren, über vielfarbige Kabel und massive Bausteine von Abdeckungselementen. Sie blieben in der Form einer Acht auf den schwach leuchtenden Skalen der Sendeanlage liegen.
Sigbjörnson kam näher heran. Der Lichtkreis wurde kleiner und intensiver. Eine Sekunde später stand Shubashi neben ihm.
»Sieh dir das an!« sagte er leise.
Der Raum war leer, die Sessel und die Tische waren verwaist. Herumliegende Gegenstände zeigten an, daß die Möbelstücke vor kurzer Zeit noch benutzt worden waren. Es schien, als sei die Besatzung in wilder Flucht davongestoben. Das harte Klicken, mit denen die Männer die Außenmikrophone einschalteten, war in den Lautsprechern. Es war sicherer so, obwohl die fehlende Luft außerhalb der Anzüge keine Schallwellen leitete.
»Die Impulsscheibe steht auf einer Frequenz, die nur selten Geräte empfangen können«, stellte Shubashi fest. »Gut, daß unsere ORION eines der modernsten Schiffe ist. Sonst hätten wir die Dreierkombinationen nicht hören können.«
Hasso drehte sich um einhundertachtzig Grad. Nichts war zu sehen. Kein Laut war zu hören.
»Irgendwo müssen Clarences Männer doch stek-ken!« sagte er halblaut.
»Ich habe das Gefühl, daß sie geflohen sind«, erwiderte Atan.
»Weiter!«
Sie verließen den Funkraum und öffneten eine weitere Tür. Die Leichtigkeit der Bewegung bewies, daß auch jenseits der Tür kein Luftdruck herrschte. Der Nebenraum schien ebenfalls leer zu sein. Sigbjörnson ging voran. Es war ein Raum, der für den Bereitschaftsdienst des Funkpersonals eingerichtet zu sein schien.
»Leer?« flüsterte Hasso mit unterdrückter Erregung.
Nur die Lampen verstreuten ihr Licht durch den Raum. Die Kegel wischten über Regale mit Lesespulen, mit selbstgefertigten Zeichnungen an den Wänden und mit den ausgeschalteten Skalen einer mächtigen Stereoanlage. Plötzlich stieß Hasso einen unterdrückten Schrei aus.
»Hier!«
Der Lichtstrahl aus der Höhe seines Anzugsgürtels beleuchtete ein gespenstisches Bild. Zwei Männer saßen vor ihnen. Sie waren mitten in der Bewegung erstarrt. Vor ihnen standen Teller mit Essensresten. Neben einem der Teller lag aufgeschlagen eines jener kleinen Bücher in Dünndruckausgabe, ein typisches Erzeugnis für Raumfahrer.