»Über welche Hilfsmittel sie verfügen - davon wird Ihnen McLane eine traurige Ballade singen können, falls er lebend zurückkehrt«, sagte Wamsler und stand auf.
Die Konferenz wurde mit diesem Beschluß beendet. Und niemand wußte, was wirklich geschehen war.
*
Noch im selben Sekundenbruchteil, in dem der milchig-durchsichtige Körper des Fremden sich zu bewegen begann, feuerte Atan Shubashi.
Ein hauchdünner Strahl spannte sich von dem Projektor der Waffe bis zu den miteinander verbundenen Tanks.
Die Energie zerschnitt den Stahl der Vorratsbehälter.
Der gewaltige Überdruck, unter dem der reine Sauerstoff stand, brach sich Bahn. Mit einer ungeheuren Explosion entwich das komprimierte Gas. Binnen einer einzigen Sekunde war der Kommandoraum mit Sauerstoff von rund eineinhalb Atmosphären Druck gefüllt. Die Druckwelle drückte den gewaltigen Schaltschrank ein. Sie erreichte die Männer ...
Vor ihnen wirbelte die massive Stahltür davon, als sei sie ein Fetzen Blech. Sie wurden zu Boden gerissen, und rutschten zwanzig Meter, bis sie eine Wand aufhielt. Hasso wurde einige Sekunden lang bewußtlos. Er kam wieder zu sich, als ihn Atan hochzog.
»Was ist los?« stammelte er.
Atan antwortete nicht. Er überprüfte die Apparaturen seines Anzugs und stellte fest, daß sämtliche Geräte noch funktionierten. Durch die Lautsprecher kamen jetzt die Außengeräusche: Das stete Summen der Umwälzanlage, die den Sauerstoff in den beiden Räumen absog, durch die Filter leitete und in den Kontrollraum zurückleitete. Irgendwo klapperte unregelmäßig ein Blechgitter vor einer der kleinen Turbinen. Atan hinkte hinüber zu dem verwüsteten und halb eingedrückten Durchgang und spähte um die Ecke.
Die Fremden waren keine Gefahr mehr. Nicht einer von ihnen lebte.
»Haben wir Glück gehabt?« fragte Hasso neben seinen Ohren.
»Ja. Wir sind außer Gefahr.«
Dann begannen Atans Knie zu zittern, und er mußte sich am Rahmen festhalten. Er drehte langsam den Oberkörper herum und grinste Hasso an.
»Ich habe es immer gewußt«, sagte Atan mühsam. »Ich bin ein Genie!«
»Das ist gut«, sagte Hasso. »Dann kannst du mir ja wahrscheinlich sagen, wie wir hier herauskommen können!«
Sie sahen sich an und begriffen. Eine Gefahr hatten sie ausgeschaltet, andere waren dadurch nicht geringer geworden. Sie besaßen die technischen Einrichtungen, Nahrungsmittel und Luft, aber nichts, was sie von hier wegbringen konnte. Die LANCET schaffte nicht einmal den Weg in den Nachbarkubus. Und -der Laborkreuzer CHALLENGER raste geradewegs auf den Asteroiden zu, um sich eine Kurskorrektur abzuholen.
»Es sieht so aus, als sollten wir uns etwas einfallen lassen«, sagte Hasso und hielt seinen Arm vor das Quarzglas seines Helms. »In dreiundvierzig Stunden kracht die CHALLENGER auf den Asteroiden.«
*
1,3 Parsek von Terra entfernt brannte Alpha Centauri. Der Stern besaß die 2,1-fache Gesamtmasse der irdischen Sonne und zählte zu der Gruppe der visuellen Doppelsterne. Es war eine Sonne mit einem dunklen Begleiter, einem öden Planeten. Das Doppelsternsystem war von allen ähnlichen Konstellationen das erdnächste. Urplötzlich erschien außerhalb des Schwerefeldes der Sonne ein schlanker Diskus.
Die ORION VII rematerialisierte aus dem Hyperraum.
Der dunkle Begleiter des Alpha Centauri umkreiste seine Sonne in dem Bahnabstand, die der Entfernung des Planeten Uranus von der irdischen Sonne entsprach.
McLane, de Monti, - Tamara und Helga schwiegen. Die ORION VII war aus dem Hyperraum gekommen, weil der strapazierte Computer eine Überprüfung der Kurskoordinaten verlangt hatte. Es stellte sich nach wenigen Sekunden heraus, daß die Fluglinie stimmte. McLane saß mit einem versteinerten Gesicht vor seinem Schirm.
»Funksatellit Eins/Nord meldet sich«, sagte Helga Legrelle halblaut. »Wir werden in einigen Stunden landen.«
»Jawohl.«
Das bedrückte Schweigen dauerte eine halbe Minute lang. Dann raffte sich McLane auf und sagte: »Hyperraumspruch an Außenstation Jupiter: ORION VII erbittet Landezeichen für Terra, Basis 104.«
Tamara Jagellovsk legte kurz ihre Hand auf die Schulter Cliff McLanes und sagte: »Ich kann mir vorstellen, wie Ihnen zumute ist.«
McLane sah nicht auf und nickte nur, als Helga die eingehenden Landezeiten auf Bordbuch sprach und somit speicherte. Die ORION nahm wieder Fahrt auf und glitt zurück in den Hyperraum.
»Ich möchte mich nicht aufdrängen«, sprach Tamara weiter. »Aber, wenn es Sie entlasten sollte: Ich bin gern bereit, Frau Sigbjörnson zu benachrichtigen.«
McLane sah sie an. Der Schnelle Raumkreuzer war vor den fremden Schiffen geflohen. Es bestand kaum ein Zweifel mehr, daß beide Männer tot waren. Die Fremden würden sie ohne Zögern umgebracht haben, so wie sie es mit Clarence und seinen Leuten getan hatten.
»Danke«, sagte er müde. »Das ist großzügig - ich danke Ihnen wirklich, aber das ist meine Sache. Wäre ich nicht gewesen, könnte Hasso jetzt friedlich zwischen den Korallenbänken des Großen Barriereriffs tauchen.«
De Monti sagte von seinem Platz aus: »Cliff, wir haben etwas vergessen!«
Gleichgültig nickte der Commander.
»Ich weiß«, erwiderte er. »Die CHALLENGER.«
»Aber wenn wir nichts unternehmen, stürzt der Laborkreuzer in einigen Stunden auf MZ 4 und zerschmettert zumindest einen Teil des Asteroiden«, sagte Mario.
»Wir könnten zurückfliegen und ihn umleiten, Cliff«, warf Helga ein.
»Wozu?« fragte McLane. Nach einer Weile fuhr er fort: »Im Asteroiden sitzen die Extraterrestrier, und Hasso und Atan sind tot. Die fremden Schiffe gehen uns wenig an, und die Station ist ohnehin wertlos.«
Tamara Jagellovsk begann aufzuzählen: »Der Laborkreuzer ist vollautomatisch. Kein Mensch ist an Bord, nur Geräte und die Fracht. Die CHALLENGER wird genau das tun, was wir nicht mehr tun konnten.«
»Was?« fragte Helga.
»Den Asteroiden vernichten.«
Die CHALLENGER, deren Kurs vor dem Start in den Rechner der ORION programmiert worden war, besaß als Ziel einen Planeten im Kubus Zehn/Nord 360. Der Kursänderung nach, die sie von MZ 4 erhalten sollte, lag der Planet in einem der Nachbarkuben des Asteroiden. Die Fracht und das Schiff wurden von einer kleinen Gruppe von Pionieren dringend erwartet.
McLane machte sich, als er daran dachte, eine Notiz.
Die ORION raste weiter, der Erde entgegen.
Einige hundert Menschen warten auf das Schiff und auf den Kommandanten. Wamsler wartete auf Cliff, weil er wissen mußte, ob ein Krieg drohte, und Oberst Villa wartete auf Tamara. Die Erde war abhängig von einem einzigen Schiff.
Die CHALLENGER raste im Hyperraum durch das All.
Äußerlich unterschieden sich die Schiffe fast gar nicht. Die CHALLENGER hatte nur keine Geschütze, denn sie war zu langsam und zu schwer, um ernsthaft an Gegenwehr denken zu können. »Denken« konnte ohnehin nur die Rechenmaschine der Robotsteuerung. Wie gut sie dachte - oder vielmehr, wie beschränkt - bewies die Tatsache, daß der Laborkreuzer dicht an MZ 4 vorbeifliegen mußte, um von dort eine Kurskorrektur zu erhalten.
Es war fast unmöglich, im Raumflug genau zu steuern.
Stets waren Abweichungen von Kilometern aufgetreten, manchmal von hundert Kilometern. Die Entfernungen waren zu groß. Die Kurskorrekturen konnten niemals so genau sein, daß diese Fehlermöglichkeiten ausglichen. Der Radar war blind: Das Schiff flog im Hyperraum.
Der dreidimensionale Raum existierte nicht für die Maschinen und für die Geräte - mit einer Ausnahme. Es war das Hyperfunkgerät, das Informationen empfangen und weitergeben konnte. Es empfing den vollautomatischen Peilton von MZ 4. Es analysierte den Ton ...
Und fand heraus, daß das Schiff genau dem Platz zusteuerte, an dem - getrennt durch jenes rätselhafte Medium des übergeordneten Raums - der Asteroid unsichtbar schweben mußte. Es sendete einen Identifikationsspruch aus.