Cliff begann schallend zu lachen. Tamara wurde rot. Oberst Villa lächelte unmerklich.
»Wenn ich diesen erbitterten Dialog anhöre und meine Schlüsse ziehe«, meinte Villa und sah langsam von Tamara Jagellovsk zu Cliff McLane, »dann muß ich feststellen, daß Sie sich schon überraschend nahegekommen sind.«
»Ich denke, Oberst Villa«, erwiderte McLane mit verschlossenem Gesicht, »daß sich Leutnant Ja-gellovsk schon an uns gewöhnen wird.«
»Wer sich an wen gewöhnt, Major, wird die Zukunft zeigen«, erwiderte Tamara. »Aber an eines gewöhne ich mich sicherlich niemals!«
»Woran bitte?« fragte er unschuldig und überrascht.
»Daran, daß Sie mich belügen!«
»Ich?« fragte Cliff und runzelte die Brauen. »Ich soll Sie belogen haben? Es würde mir nicht im Traum einfallen!«
Tamara stemmte die Fäuste in die Seite und sah ihn scharf an.
»Sicher nicht. Und wie war die Sache mit diesem stummen Funksatelliten?«
Cliff verstand augenblicklich.
»Das war, Leutnant ...« begann er. Aber Tamara unterbrach ihn sofort.
»Das war eine Lüge, Major McLane. Und wenn Sie sich einbilden sollten, Sie könnten mich ... «
»Meine Dienstzeit«, sagte Villa in unüberhörbarer Schärfe, »ist sehr ausgefüllt. Ich kann mir nicht leisten, Zeuge Ihrer - hm - Unterhaltung zu sein. Ich glaube, Leutnant Jagellovsk, das sind Probleme, die Sie mit Commander McLane viel besser bei einem Glas Whisky besprechen können.«
McLane stand auf und salutierte.
»Ich möchte melden, daß Leutnant Jagellovsk strenge Antialkoholikerin ist. Sie verabscheut geistige Getränke.«
»Was?« rief Tamara. »Wer sagt Ihnen denn, daß ich nie etwas trinke?«
»Sie schworen, Mario de Monti anzuzeigen, weil er während des Fluges das Wort >Whisky< gebrauchte.«
Cliff schien sich verteidigen zu müssen. Auf Hassos Gesicht erschien ein mildes Lächeln.
»Ganz recht, McLane! An Bord! Aber wer sollte uns zwingen«, sagte Tamara, »unsere Privatangelegenheiten an Bord der ORION VII zu besprechen? Es gibt doch auch noch ein Starlight-Casino und derlei Etablissements mehr!«
Außer McLane lachten alle, die hier um den Schreibtisch versammelt waren. McLane blickte auf die Uhr.
Die vier Leute verabschiedeten sich von Villa. Als sie bereits auf halbem Wege zur Barriere waren, rief sie Oberst Villa an. Sie blieben stehen.
»McLane! Sie haben der Erde einen großen Dienst erwiesen. Das ist zweifellos richtig. Wenn Sie sich aber einbilden sollten, Sie könnten weiterhin Ihre Extratouren machen, nur weil Sie diesmal mehr Glück hatten, muß ich Sie warnen. Sie sind nach wie vor strafversetzt und unter Aufsicht. Noch mehr als fünfunddreißig Monatelang!«
»Guten Abend«, sagte Cliff und drehte sich um.
12.
Es war Nacht ... Bickerton Island, eine Insel am Westrand der Bucht, lag unter den Sternen. Das Starlight-Casino trug heute nacht seinen Namen zu Recht: Über der Tanzfläche und den zahllosen Nischen standen die Sterne. Das System von submarinen Gängen und Korridoren schickte mehrere Ausläufer bis hierher. Kleine Wagen brachten die Besatzungen der Raumschiffe, Bodenpersonal und die zahllosen Menschen nach oben, die in den Büros und den Rechenzentren beschäftigt waren.
Dies war nur eine der zahlreichen Schiffsbasen Erde. Basis 104, Nordaustralien. Ausgerüstet mit Maschinen, Rampen und Hochhäusern, in denen die Raumleute und deren Familien lebten. Das Casino war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Mannschaft des Kreuzers ORION fiel dennoch auf.
Sie saßen um einen mächtigen runden Tisch. Commander Cliff Allistair McLane hielt ein zylindrisches Glas in der Hand. Neben ihm saßen Hasso Sigbjörnson und dessen Frau. Der Robot paßte auf die Kinder auf.
»Freunde«, sagte Cliff laut, »ich trinke auf das Wohl unserer tapferen Besatzung, die sämtlichen Gefahren trotzt - sogar dem Sicherheitsdienst.«
Dröhnendes Gelächter war die Antwort. Tamara hob ebenfalls ihr Glas und antwortete nicht weniger schlagfertig: »Ich trinke auf das Wohl des Kommandanten, der so klug ist, wegen seiner Eskapaden sich einen Aufpasser zu bestellen. Lang lebe ...«
Cliff machte ein saures Gesicht. Sie saßen seit Stunden hier. Zuerst hatten sie sich über die Videophonanlagen über den heutigen Abend verständigt. Atan Shubashi hatte daraufhin einen der weiblichen Kadetten eingeladen. Der Astrogator hatte sich binnen erstaunlich kurzer Zeit von den Strapazen erholt.
»Danke für den Toast«, erwiderte Cliff und stieß Hasso an. »Wir alle werden uns bemühen, in den schweren Tagen des nächsten Einsatzes - wo immer er uns hinführen wird - keinerlei Unfug zu treiben. Vielleicht wird Ihnen, verehrter Leutnant Jagellovsk, das Bordleben ausgesprochen schal und langweilig vorkommen!«
Bedächtig trank Tamara. Dann erwiderte sie: »Solange Sie fliegen, Commander, habe ich diese Befürchtung nicht.«
Hassos Frau nickte dem Leutnant verständnisvoll zu.
Unbeweglich stand eine kleine Wolke vor den Sternen. Die Musik spielte wieder einen Song von Thomas Peter: Spaceniks Dream.
Mario de Monti kümmerte sich um Helga Legrelle. Hoch über dem Ausschnitt in der Decke des Casinos zog ein unauffällig glänzender Punkt eine gerade Bahn: Erdaußenstation IV.
Inzwischen war ihnen klargeworden, was ihr Eingreifen verhindert hatte. Sie fühlten sich ausnahmslos als Helden.
»Was wäre eigentlich geschehen, wenn wir die Dreiergruppen des fremden Funkkode nicht aufgefangen hätten?« fragte Helga Legrelle, Offizier für Raumüberwachung.
»Wir wären nicht auf MZ 4 gelandet«, sagte Atan.
»Wir wären vermutlich als Streitmacht oder als Teil der strategischen Flotte in Raumkämpfe verwickelt worden«, erwiderte Hasso ernst. »Eine Sache, die keinem gefallen hätte.«
»Wir wären zumindest nicht so berühmt wie jetzt und hier«, sagte er heiter und beugte sich zu Helga. »Und einige Leute würden sich nicht darüber ärgern, daß McLanes Crew trotz der Versetzung in den Idiotendienst wieder ganz groß herausgekommen ist«, sagte Mario.
»Ich weiß, wen du meinst«, sagte Cliff ernst. »Dort naht er schon.«
Die Köpfe drehten sich. Adjutant Spring-Brauner vom Büro des Raummarschalls kam durch die Gasse zwischen den Tanzenden und den Nischen des Casinos. Es schien, als suche er jemanden.
»Mein ganz persönlicher Freund«, sagte Sigbjörnson.
Die Tischrunde erwartete Spring-Brauner schweigend und abwartend. Sogar Tamara begrüßte ihn nicht. Spring-Brauner deutete eine Verbeugung an und fragte: »Sie haben wohl nicht meinen Vorgesetzten gesehen?«
Cliff hielt den Kopf schräg und fragte zurück: »Wer sollte das sein, Mister?«
Er konnte es sich gestatten; er war ranghöher als Spring-Brauner.
»Marschall Wamsler.«
»Wir hatten noch nicht das Vergnügen und die Ehre«, erwiderte Hasso, »aber wenn wir ihn sehen sollten ...«
»Denn«, sagte Tamara plötzlich, und Cliff traute seinen Ohren nicht, »er wird es sich sicher nicht nehmen lassen, der tapferen Crew der ORION zu gratulieren ... «
»... werden wir ihm sagen, Sie ließen ihn bitten«, vollendete Atan grimmig.
Spring-Brauner warf ihm einen Blick zu, der Atan hätte glatt durchbohren müssen, und ging wieder. Die Besatzung sah sich an und lachte.
Astrogator Atan Shubashi war der Erfinder einer zeitsparenden Methode, die Umlaufgeschwindigkeiten von Weltkörpern zu bestimmen, die um Sonnen oder um schwer feststellbare Schwerkraftzentren rotierten. Atan hatte als Kadett eine Theorie aufgestellt und sie im Einsatz bewiesen: Er entdeckte den zweiten Begleiter der Sonne BD 8 4352 und klassifizierte ihn.
Helga Legrelle war der jüngste Offizier für Raumüberwachung der gesamten Flotte. Cliff mußte grinsen, als er daran dachte, wie sie zuerst auf sein Schiff gekommen war, damals ...