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»Hier. Ich habe die Robotsonde aktiviert.«

Cliff nickte Hasso Sigbjörnson zu.

»Ausklinken!«

In der unteren Schale des Diskus öffnete sich eine Schleuse, deren Elemente sich wie ein Zentralverschluß einer Kamera bewegten. Ein magnetischer Strahl ließ einen schwarzen kugelförmigen Gegenstand zu Boden gleiten; er hing an einem mechanischen Anker. Auf einem kleinen Schirm dicht über seinem Handgelenk sah Cliff die Signale, die Helga optisch sichtbar gemacht hatte. Eine Signallampe erlosch - die Schleuse war wieder geschlossen.

»Wir starten durch das Auge dieses Zyklons senkrecht nach oben«, sagte Cliff und zog den Hebel des Antigravs zu sich heran. Der Diskus hob sich wieder und erhöhte seine Geschwindigkeit.

Dann setzten Cliff und Hasso sämtliche Kräfte der Maschinen ein und erreichten, nur hin und wieder von Ausläufern des Sturms durchgeschüttelt, den freien Raum. Wieder zweitausend Kilometer von Rhea entfernt, leitete Cliff den ersten einer Reihe von Transitionssprüngen ein, die die ORION zurück zur Erde bringen sollten. Ein paar Stunden später ...

Die Besatzungsmitglieder umstanden den Sessel des Commanders. Cliff McLane saß erschöpft darin und betrachtete die vertrauten Konstellationen auf dem gewaltigen Schirm. Sie waren in der Nähe des Solsystems.

»Wir haben immerhin bewiesen, daß es lediglich eine Sache des gesunden Menschenverstands ist, auf diesem merkwürdigen Planeten zu landen. Wenn man natürlich mitten in einen Hurrikan hineinfliegt, kann es schiefgehen«, sagte Cliff.

»Eine weitere Voraussetzung sind einwandfreie Maschinen«, erwiderte Hasso und stieß sich von einem geschwungenen Träger ab.

»Und ein Chef, der für gewisse Extratouren Verständnis hat«, sagte Helga Legrelle zweideutig. »Sollte Wamsler dir den Kopf abreißen wollen, weißt du wenigstens, warum das geschieht.«

»Winston Woodrov Wamsler bellt nur, aber er beißt niemals«, sagte Cliff. Es war deutlich zu spüren, daß seine Laune ausgezeichnet war. Hätte er geahnt, daß dies ein entscheidender Irrtum war, wäre Cliff Allistair McLane mit der schwärzesten aller schwarzen Stimmungen der Erde und der Raumschiffbasis 104 entgegengeflogen.

»Radioecho!« sagte Helga.

»Die Erde hat uns wieder«, stellte Cliff fest und stand auf.

Der gewaltige Raum, den die Erde kontrollierte, durchmaß neunhundert Parsek, also neunhundertmal 3,26 Lichtjahre. Man hatte den kugelförmigen Raum in zehn Entfernungsabschnitte eingeteilt. Diese Schalen, konzentrisch um die Erde als absolutem Mittelpunkt angeordnet, trugen die Nummern Eins bis Zehn. Dazu kamen die vier allgemeinen Richtungen: Ost, Nord, West und Süd. Es war, als zerschneide man einen Apfel in vier Teile. Jeder dieser Teile war eingeteilt in Raumkuben, deren Kanten teilweise gekrümmt und zum anderen Teil gerade waren. Jeder Kadett hatte sämtliche Bezeichnungen im Kopf und konnte sie im Schlaf identifizieren.

Innerhalb dieser Zone befand sich das Gebiet, das die Raumaufklärungsverbände kontrollierten. Diesen Verbänden stand Raummarschall W. W. Wamsler vor.

Und in diesem Augenblick begann er zu toben ...

2.

Wamslers Büro war mit kalter Zweckmäßigkeit und in jener großzügigen Innenarchitektur eingerichtet, die sämtliche Anlagen der Terrestrischen Raumaufklärungsverbände kennzeichnete. Hinter der spiegelnden Platte des Schreibtisches saß Raummarschall Wamsler - die Stille in dem Raum war bedrohlich.

Unter der Tischplatte drang ein leises Summen hervor.

Wamsler, massiv und schwarzgekleidet, studierte die Texte, die ein Robotgerät auf eine Sichtplatte projizierte. Immer neue Zeilen bildeten sich auf dem Sichtschirm; es waren die Kurzberichte von Einsätzen der Verbände. Wamsler sah auf, als ein dünner Ton zu hören war.

Auf dem Schirm des Videophons, schräg gegenüber dem Schreibtisch, war ein Gesicht zu sehen. Eine Stimme sagte in geschäftsmäßigem Ton: »Marschall Wams-ler?«

»Ja, bitte, Spring-Brauner?«

»Der Chef der Schnellen Raumverbände ist da.«

Wamslers dunkle Augen verschwanden für einen Augenblick hinter den schweren, schläfrigen Lidern. Dann sagte er langsam, mit einer dunklen Stimme: »Ich lasse bitten.«

Winston Woodrov Wamsler war eine düstere Erscheinung, von Jahren des Dienstes und von der Schwere der Verantwortung geprägt. Alles an ihm war schwarz: die Uniform mit dem breiten Metallverschluß der Jacke, das stark gelichtete Haar mit dem Stirndreieck, die buschigen Brauen und die Augen.

Der Marschall holte tief Atem und lehnte sich zurück, den kühlen Blick auf die Barriere gerichtet. Etwas fauchte halblaut auf.

Neben der mächtigen Kartenwand leuchtete und flimmerte ein halbtransparentes Viereck; eine Kaskade aus verschiedenfarbigen Lichtstrahlen. Sie war tödlich - derjenige, der in diesen Vorhang tobender Elektronen geriet, war verloren. Wie eine zusammensinkende Wasserwand fiel die Barriere in die Projektionsleiste des Bodens zurück. Ordonnanzleutnant Spring-Brauner betrat das Büro. Neben ihm ging mit energischen Schritten eine ungewöhnliche Erscheinung bis dicht an den Schreibtisch Wamslers heran.

»Guten Abend«, sagte Winston Wamsler halblaut.

Die Stimme van Dykes war kühl und gelassen.

»Guten Abend, Marschall Wamsler.«

Regungslos blieb Spring-Brauner neben der fünf-unddreißigjährigen Frau mit dem dunklen Haar stehen. Lydia van Dyke trug die Uniform der Schnellen Raumverbände mit dem Identifikationsschild auf der linken Brustseite. Hinter den beiden Personen stach die Barriere wieder senkrecht nach oben und verschloß das Büro.

Wamsler eröffnete die Unterhaltung, die alles andere als angenehm zu werden versprach.

»General van Dyke, Sie wissen vermutlich, warum ich Sie zu mir gebeten habe.«

Die ausdrucksvollen Lippen der Frau verzogen sich zu einem fast unmerklichen Lächeln.

»Ich kann es mir denken. Ich nehme an: McLane?«

Wamsler schien nur ungern weitersprechen zu wollen.

»Ja, General. Die befehlswidrige Landung auf Rhea hat ihm das Genick gebrochen.«

Einen Augenblick lang herrschte Stille, in der man nur die schweren Atemzüge des Marschalls hörte, und das Knirschen der Stiefel, wenn sich eine der drei Personen regte. Dann sagte General van Dyke gelassen: »Die Landung auf Rhea mag befehlswidrig gewesen sein, war aber eine raumfahrttechnische Meisterleistung. Ich habe mir die Bänder des elektronischen Bordbuchs angesehen.«

Spring-Brauner war zweifellos ein sehr gut aussehender Mann. Sein persönlicher Fehler war, daß er es wußte und pausenlos versuchte, andere damit zu verblüffen. Ohne den General anzusehen, warf er ein: »Die Landung erfolgte entgegen einer ausdrücklichen Alpha-Order der Obersten Raumbehörde. McLane hat zugegeben, daß er die Order empfangen hat.«

Van Dyke musterte Spring-Brauner von oben bis unten, als sähe sie ihn heute zum erstenmal.

»Daß Sie, Mister Spring-Brauner, Commander McLane am liebsten als Sträfling in den Phosphorsümpfen sehen möchten, ist mir keineswegs neu. Und nicht nur mir, Verehrtester.«

Wamsler hieb mit der Faust auf die Tischplatte und polterte los: »Bleiben wir bei der Sache, General.«

»Wir sprechen noch immer über McLane«, gab Lydia zurück.

Der Marschall schüttelte den Kopf. »Persönliche Sympathien oder Antipathien spielen hier keine Rolle. Tatsache ist, daß Cliff Allistair McLane mit sofortiger Wirkung zum Patrouillendienst der Raumaufklärungsverbände strafversetzt ist.«

Lydia stand hochaufgerichtet vor dem Marschall; eine schlanke Frau in dem dunklen Dreß mit den knielangen Stiefeln aus hauchdünnem Kunstleder.

»Auf die Idee«, sagte sie halblaut und trocken, »mich als McLanes bisherige Vorgesetzte zu informieren, ist wohl niemand gekommen, wie ich vermute?«

Wamsler machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Deshalb habe ich Sie zu mir gebeten, General. McLane und seine Crew werden in einigen Minuten hier erscheinen.«