»Ist das dein Ernst, Hasso?« fragte der Commander ruhig. »Oder war es dein Ernst?«
Hasso war weniger ein Mann der Worte als einer der Taten. Es gab keinen einzigen Millimeter seines Maschinenraumes und des Kampfstandes, den er nicht genau kannte; sollte er komplizierte Vorgänge seines Innenlebens darlegen, begann er zu improvisieren. Er strich zögernd über sein weißes Haar, das er in die Stirn gebürstet hatte.
»Du mußt mit ihr reden, McLane!« erklärte er kategorisch.
»Ich weiß«, erwiderte Cliff und nickte.
Hasso hakte seinen langen Zeigefinger in die Gürtelschließe Cliffs ein und zog den Commander zwanzig Zentimeter zu sich heran.
»Ohne dich traue ich mich nicht heim, Cliff.«
Das Grinsen, mit dem McLane seinen Ingenieur ansah, hatte nichts Ironisches an sich; es war der Ausdruck tiefer und verständnisvoller Kameradschaft zwischen Männern. Als McLane auf die Tanzfläche blickte, sah er eine schlanke blonde Frau. Sie bahnte sich einen Weg durch die Tanzenden. McLanes Zeigefinger deutete dicht neben Hassos Nase nach hinten, und Cliff sagte trocken: »Dein Problem scheint gelöst zu sein.«
Hasso drehte sich herum und versteifte sich, als er seine Frau erblickte.
»Aus!« sagte er in tiefer Niedergeschlagenheit. »Jetzt ist es passiert.«
McLane winkte dem Mädchen und sagte kurz, aber höflich: »Zahlen!«
Hasso rutschte auf seinem Barhocker herum und drehte sein Gesicht zu Cliff hin. Es war für jeden zu sehen, daß er ein starkes Gewitter mit zahlreichen Blitzen erwartete.
»Bei den Raumgespenstern, Cliff! Du willst mich doch jetzt nicht im Stich lassen!«
Beruhigend erwiderte Cliff: »Nein, nur zahlen. Es macht einen besseren Eindruck, wenn wir schon gezahlt haben.«
Er zahlte, rutschte aus seinem Barstuhl und blieb ruhig daneben stehen. Vor Sigbjörnsons Frau verbeugte er sich kurz und liebenswürdig.
»Guten Abend, Ingrid«, sagte er verbindlich. »Nett, Sie wieder einmal zu sehen.«
Frau Sigbjörnson, eine gutaussehende Blondine, warf McLane einen prüfenden Blick zu und sagte: »Hallo, Major McLane!« Sie wandte sich an ihren Mann. Mit der Geduld einer geprüften Raumfahrerfrau fragte sie: »Finden eigentlich alle Mannschaftsbesprechungen hier statt, Hasso?«
»Manche, Ingrid«, versicherte Sigbjörnson. »Das schwankt ...« McLane nickte eifrig.
»Den Eindruck habe ich auch«, sagte sie leise. »Es besteht die Gefahr, daß du ebenfalls schwankst.«
»Wie gesagt«, antwortete Hasso und stand ebenfalls auf. »Wir waren gerade im Aufbruch. Ich schlug eben Cliff vor, er möge noch auf ein Bier mitkommen.«
Die Musik hörte auf. Die tanzenden Paare zerstreuten sich. Einige kamen an die Bar, andere zogen sich zu den Sitzgruppen zurück, andere wieder gingen in den Eßraum.
Nicht gerade höflich sagte Ingrid Sigbjörnson: »So?«
»Du scheinst nicht gerade hellauf begeistert darüber zu sein, daß unser berühmter Commander unser bescheidenes Haus besucht.«
Wider Willen mußte Ingrid lächeln.
»Aber - Hasso! Immer, wenn du deinen Chef bei uns anschleppst, weiß ich sehr genau, was los ist!«
Sigbjörnson war bereit, hoffnungslos zu kapitulieren.
»Ja«, murmelte er verdrossen, »Ingrid, weißt du -McLane meinte eigentlich ... «
McLane machte eine unsichere Geste und deutete zuerst auf sich, dann auf Hasso. Ingrid blickte ihn rätselhaft an.
»Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen erklären soll, gnädige Frau«, sagte McLane. Aber er wurde unterbrochen.
»Sie brauchen mir nichts zu erklären, Major: Hasso fliegt wieder mit, nicht wahr?«
Hasso sah seine Chance und redete aufgeregt weiter.
»Ja, es stimmt, Ingrid. Ich dachte, es sei besser, wenn ich dieses Mal noch dabei bin, dieses eine Mal noch.«
»Gerade jetzt, Ingrid«, warf McLane ein, »wo wir höheren Orts so ungeheuer beliebt sind.«
»Ich habe davon gehört«, sagte Frau Sigbjörnson kühl.
»Sogar eine Aufpasserin vom GSD haben sie zu uns abkommandiert«, rief Hasso vorwurfsvoll und breitete die Hände aus.
»Sie sehen also, gnädige Frau«, sagte McLane, noch ehe Ingrid antworten konnte, »daß es der denkbar schlechteste Zeitpunkt wäre, einen Nachfolger für Hasso anzulernen. Ganz abgesehen davon, daß keiner Hassos Leistungen auch nur im entferntesten erreichen könnte.«
Trotz ihrer Enttäuschung mußte Ingrid lächeln. Sie lehnte sich an die Bar und blickte die zwei Männer an, die nicht gerade gute Figuren machten.
»Ich bin sehr gespannt«, erklärte sie, »auf den Zeitpunkt, an dem euch einmal die guten Ausreden ausbleiben.«
»Cliff!« sagte Hasso fast jubelnd und schlug ihm auf die Schulter. »Sie hat gelacht!«
Etwas niedergeschlagen stellte McLane fest: »Sagen wir einmal - sie hat gelächelt!«
Ingrid setzte sich in den Stuhl Hassos und sagte, indem sie graziös an den Fingern abzuzählen begann: »Die Kinder schlafen, die Robots sind abgeschaltet. Deine Uniform ist gereinigt und die Miete ist bezahlt ... Ich glaube, ich bleibe noch ein wenig. Falls der Herr Major geruhen würde, mich auf einen Cocktail einzuladen, würde ich seine Bitte nicht abschlagen.«
Cliff grinste anerkennend und winkte dem Mädchen hinter der Bar. Hassos erleichterter Seufzer wirkte fast wie eine Startsirene ...
Aus vielen Gründen waren die Raumschiffbasen unterirdisch angelegt worden.
Hier, im Norden des australischen Kontinents, im Carpentaria-Golf, befand sich Basis 104. Zwischen Groote Eylandt und Duifken Point waren die Werften der Kreuzer untergebracht, die Zuleitungen für Energie und Nachschub, die technischen Einrichtungen und die Quartiere für die Bedienungsmannschaften. Die breiten Druckstollen und abzweigenden Korridore zogen sich vom Meeresgrund hinauf bis zum Festland; ein Netz von Bahnen und Rolltreppen besorgte den Transport. Ein Schott glitt auf.
Der Gang war schnurgerade und führte in die Vorkammern des Startfeldes. Es war ein rundgebohrter Stollen, etwa drei Meter im Durchmesser. Die Beleuchtung kam aus den Stellen, die den Boden bildeten; sie unterbrachen die glatte Fläche und gingen rechtwinklig in den Boden aus Plastikraster über. McLane und seine Mannschaft gingen durch diesen Korridor.
De Monti fehlte - er war bereits im Schiff.
Eine Druckschleuse, die das Startfeld gegen die anderen Anlagen absicherte, nahm die vier Leute auf. Die Wände und Portale der Schleuse konnten den Wasserdruck auffangen, der über der submarinen Basis lag. Hinter den Mitgliedern der Crew schloß sich fast lautlos die starke Stahlplatte.
»Kadett McLane mit Mannschaft auf den Weg!« murmelte der Commander leise.
Hasso Sigbjörnson grinste verstohlen.
Die äußere Pforte der Schleuse zog sich zurück. Die Crew ging hinaus auf die Startfläche. Der Stahlzylinder besaß einen Durchmesser von fast genau einem Kilometer, und in seiner Mitte stand die ORION VII. Die Scheinwerfer, die senkrecht entlang der Rundung nach oben strahlten, warfen ein bläuliches, spannungsgeladenes Licht auf die Szene. Der Boden der Basis, vor einem Jahrhundert aus dem unterseeischen Fels geschmolzen, war mit wuchtigen viereckigen Platten bedeckt, die den Eindruck von Sickerwasser verhinderten und die die Kräfte aushielten, die während der Starts und der Landungen frei wurden. Dreißig Mann vom Bodenpersonal waren zu sehen.
Sie räumten die Maschinen und Testgeräte weg, mit denen die ORION während der letzten achtundvierzig Stunden überholt worden war.
McLane und seine Leute gingen auf das Schiff zu.
Die ORION ruhte in zehn Metern Höhe auf einem Ring aus Antigravstrahlen. Die Kreise im Boden be-zeichneten die Stellen, an denen die Strahlen auftrafen. McLane bestieg als erster den Lift - eine schlanke Röhre, die aus dem Unterteil des Schiffes ausgefahren war und den Boden berührte. Seine Leute folgten.