»Oder wir ihr«, warf Shubashi skeptisch ein.
»Daß ich nicht lache!« sagte Hasso. »Wir sind noch mit allem fertig geworden, was man uns in den Weg gelegt hat.«
Atan Shubashi, der gedrungene Astrogator der Mannschaft, wiegte unsicher den Kopf.
»Ich habe das Gefühl«, sagte er vorsichtig, »daß mit Leutnant Jagellovsk nicht besonders gut Kirschen essen ist.«
»Kirschen essen ist auch nicht gerade das, was ich mit ihr vorhabe«, sagte de Monti mit seinem gewohnten siegessicheren Grinsen.
»Alter Angeber!« sagte Helga nachdrücklich. »Wenn du glaubst, bei ihr auch nur eine winzige Chance zu haben ... «
»Helga-Mädchen ...«, erwiderte de Monti erstaunt und hob die Stimme, »du wirst doch nicht jetzt schon eifersüchtig sein?«
»Pah!« machte Legrelle nur.
Hasso beruhigte die Gemüter.
»Dies ist«, verkündigte er im Ton eines Rezitators, »ein Streit um des Präsidenten Bart. In meinen Augen ist Tamara ein als Mädchen verkleideter Robot, aber keine Frau.«
Der Erste Offizier betätigte eine Schaltung.
»Das werden wir ja feststellen können«, versprach er. Über seinem Pult erhellte sich ein Schirm. »Wir sehen einmal nach, was sie macht.«
Tamaras Kabine wurde sichtbar. Der GSD-Offizier saß mit angezogenen Beinen auf der Liege und las in einem schmalen Buch. McLane drehte die ferngesteuerte Linse auf schärfste Vergrößerung und konnte jetzt den Titel lesen. Hammersmith: Psychologie der Raumfahrer. Ruckartig schaltete McLane den Monitor wieder aus.
»Das war ein Eingriff in die Intimsphäre«, sagte er. »Wenn du sie sehen oder sprechen willst, melde dich über BSA, wie sich das gehört.«
»Man wird doch noch mitlesen dürfen«, erwiderte Mario grinsend. Dann drückte er den Knopf BSA neben seinem Pult und sprach ins Mikrophon: »Leutnant de Monti an Sicherheitsoffizier Jagellovsk: Sind Sie sprechbereit? Dann schalten Sie bitte Ihr Videophon ein.«
Sofort war wieder Tamara zu sehen.
»Bitte?« fragte sie.
De Monti probierte seinen konzentrierten Charme aus und lächelte verbindlich.
»Eine außerdienstliche Frage, Leutnant Jagellovsk. Hätten Sie nach erfolgtem Start Lust auf einen Schluck Whisky in meiner Kabine?«
Ohne zu lächeln, erwiderte Tamara sofort: »Eine dienstliche Frage: Haben Sie den Whisky?«
»Aber«, sagte de Monti fast beleidigt, »eine ganze Kiste!«
Tamaras Gesicht kam näher an die Scheibe des Monitors heran.
»Sehr interessant. Ich danke Ihnen sehr für die Information. Ich werde darüber eine Meldung machen müssen.«
Das Videophon erlosch; sie schaltete es in ihrer Kabine aus.
McLane, Hasso, Helga und Shubashi fingen zu lachen an, während de Monti wie ein nasser Vogel vor seinem Pult saß und sich im Genick kratzte. In das Gelächter hinein kam die Meldung von Shubashi.
»Astrogator an Kommandant!«
»Ja?« fragte McLane hastig und drehte sich um.
»Ich habe eine Durchsage von der Sonnenwetterstation Dragon auf Merkur. Ich lege auf Verstärker um.«
Das Prasseln und Knattern von Störungen erfüllte die Kabine. Dann kam die automatische Stimme eines endlosen Bandes durch; stark überlagert durch die Eruptionen der Sonne.
»Dragon an alle - an alle - in Richtung Nord bewegt sich ein Eruptionswetter von der Sonne fort. Mit einem starken Strahlungssturm muß innerhalb des Kubus Eins gerechnet werden. Dragon an alle ...«
Tamara Jagellovsk kam zurück in die Steuerkanzel und lehnte sich wieder an die verkleidete Strebe. Wieder hämmerten die Störungen, durchbrochen von Pfeiftönen, durch die Kabine.
»Dragon an alle - Strahlungssturm in Kubus Nord Eins ... Strahlungssturm ...«
Cliff McLane schaltete den Autopiloten ab und leitete eine geringfügige Kurskorrektur ein. Der mächtige Körper der ORION kippte leicht und wich von der Geraden ab, die ihn ans Ziel führen sollte. Noch immer flog der Diskus Unterlichtgeschwindigkeit und war für die Vorgänge im Normalraum eine große Zielscheibe.
»... an die Raumkuben in der Umgebung der Erde: die Strahlungswellen haben eine Dauer von siebenundzwanzig Minuten und bewegen sich ... «
Die Störungen machten den Rest der Durchsage unverständlich.
»... die Strahlung erreicht das Hundertfünfzigfache der Normgrenzen ... Dragon an alle ...«
McLane sagte laut: »Aus. Schalte ihn ab, Atan! Wir gehen sofort auf die Ausweichkoordinaten der Fluglinie. Maschine besetzen. Rechner einschalten!«
Tamara blieb neben McLanes Pult stehen.
»Höre ich richtig?« fragte sie. »Andere Koordinaten?«
»Natürlich«, knurrte McLane. »Sind Sie etwa lebensmüde?«
»Nein. Ich ersuche jedenfalls darum, daß Station IV von unserer Kursänderung unterrichtet wird, Major McLane!«
Hasso warf einen langen Blick auf McLane und einen zweiten, noch längeren auf Leutnant Jagellovsk und verließ ruhig und unauffällig die Steuerkanzel, um seinen Platz zwischen den Maschinen des untersten Decks einzunehmen. Ein Lift brachte den Ingenieur nach unten. Shubashi wandte sich an Tamara.
»Der Außenstation ist es völlig gleichgültig, ob und wie wir den Kurs ändern, Leutnant. Glauben Sie, die könnten helfen?«
»Sonneneruptionen in der Chromosphäre des Gestirns entwickeln Geschwindigkeiten von siebenhundert Sekundenkilometern. Sie verursachen Störungen der Ionosphäre und legen den Funkverkehr lahm. Diese Partikelstrahlen bestehen aus Protonen und Elektronen und können in Sonnenferne bis zu zweitausend Sekundenkilometer erreichen. Unser Schiff wäre sehr gefährdet, wenn wir die Flugrichtung beibehalten.«
Tamara wiederholte ihre Aufforderung lauter und dringender.
»Bei einem Sonnensturm bricht der gesamte Funkverkehr in mindestens einem Kubus zusammen. Soll ich dem Satelliten eine Flaschenpost schicken?« sagte Cliff.
McLane beobachtete seine Geräte und kontrollierte den Kurs. Shubashi stand am Computer und programmierte die Zahlenreihen um. Legrelle arbeitete an dem Funkpult und versuchte, einen vernünftigen Text aus dem Wirrwarr der Störungen herauszufiltern. Vergebens.
Leise sagte das schwarzhaarige Mädchen mit der kleinen Nase: »Wir hatten Angst, daß es ein gräßlich langweiliger Flug werden würde.«
Die ersten Partikel hämmerten in den Schutzschirm, der um den Diskus lag. Ein knisterndes Geräusch, als würde eine unsichtbare Kraft das Metall der Zelle zerdrücken, ging durch das gesamte Schiff.
»Achtung!« sagte Helga laut. »Schiffswarnung. Ich habe die Impulse eines Randausläufers. Cliff - bitte ein Ausweichmanöver.«
Die ORION kippte und wich der Randzone aus. Da das Schiff eine wesentlich höhere Geschwindigkeit flog, als sie die Partikel je erreichen konnten, berührte der Diskus nur einzelne Ausläufer der anbrandenden Wellen. McLane hatte einen Kurs gewählt, der das Schiff entlang einer Reihe dieser Ausläufer führte.
So ritt die ORION VII, wie ein Kieselstein, der von Welle zu Welle springt, entlang der sich ausbreitenden Wolke aus der Sonne. Nur noch einige Minuten trennten das Schiff von dem ersten Hyperraumsprung, aber die Automatik würde den Menschen die Arbeit abnehmen.
Shubashi saß in seinem wuchtigen Schaumstoffsessel mit den lose herunterhängenden Gurten. Neben ihm standen Helga Legrelle und Tamara Jagellovsk. Auf dem großen Schirm sah man das unvergleichliche Schauspiel der Kaskaden aus verschiedenfarbigem Feuer, die sich bildeten, wenn die Grenze des Schutzschirms mit den Photonen in Berührung kam. Tamara war nervös; das sah jeder.
»Haben wir es geschafft?« fragte sie etwas unsicher.
»Wir schaffen es immer, Leutnant«, sagte Helga Legrelle. »Unsere Crew und McLane ...«
Genau in diesem Moment erschütterte eine schwere Explosion das Schiff.