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Grant stand vor mir und machte ein überraschtes Gesicht; ich hätte lachen müssen, wenn ich nicht so angestrengt damit beschäftigt gewesen wäre, mein eigenes Blut hinunterzuschlucken.

Mike schob mir einen Sattel unter die Schulter und kippte meinen Kopf nach hinten. Einen Augenblick später preßte er mir ein kaltes, nasses Handtuch auf die Nase und langsam hörte die Blutung auf.

»Bleiben Sie lieber noch ein bißchen liegen«, empfahl Mike.

»Ich hol’ schnell einen Sanitäter.«

»Lassen Sie nur«, sagte ich. »Lassen Sie’s gut sein, es geht schon wieder.«

Er kehrte unentschlossen um und blieb neben mir stehen.

»Warum haben Sie das getan, Herrgott noch mal?« sagte er zu Grant.

Ich hätte seine Antwort auch gerne gehört, aber Grant schwieg. Er starrte mich finster an, drehte sich auf dem Absatz um und drängte sich durch die von dem letzten Rennen zurückkehrenden Jockeis hinaus. Die Liste der Axminster-Pferde flatterte hinter ihm zu Boden. Mike hob sie auf und drückte sie mir in die Hand.

Tick-Tock warf seinen Sattel auf die Bank, schob seinen Helm ins Genick und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Was soll denn das sein? Ein Blutbad?«

»Nasenbluten«, sagte ich.

»Was du nicht sagst.«

Die anderen drängten sich um mich, und ich fand, daß ich lange genug am Boden gelegen hatte. Ich nahm das Handtuch von meinem Gesicht und stand vorsichtig auf. Alles ging gut. Die Blutung hatte aufgehört.

»Grant hat ihn niedergeschlagen«, sagte einer der Jok-keis, der die ganze Zeit hiergewesen war.

»Warum denn?«

»Frag mich was anderes«, sagte ich, »oder frag Grant.«

»Du solltest das der Rennleitung melden.«

»Lohnt sich nicht«, meinte ich. Ich machte mich sauber, zog mich um und ging mit Tick-Tock zum Bahnhof.

»Du mußt doch wissen, warum er dich niedergeschlagen hat«, sagte er, »oder wollte er nur üben?«

Ich gab ihm Axminsters Liste. Er las sie durch und gab den Zettel zurück.

»Ja, verstehe. Haß, Neid und Eifersucht. Du steigst in die Schuhe, für die er zu klein war. Er hat seine Chance gehabt und sie vermasselt.«

»Was war denn los?« erkundigte ich mich. »Warum hat ihn Axminster ausgebootet?«

»Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Tick-Tock, »da fragst du wohl besser Grant, damit du weißt, welche Fehler du nicht machen darfst.« Er grinste. »Deine Nase sieht ja gut aus.«

»Fürs Fernsehen reicht’s«, lächelte ich. Ich erzählte ihm von Maurice Kemp-Lores Einladung.

»Mein hoher Herr«, sagte er, zog seinen Tirolerhut und verbeugte sich tief. »Ich bin beeindruckt.«

»Du bist ein Trottel«, sagte ich grinsend.

»Gott sei Dank.«

Wir gingen unserer Wege, Tick-Tock zu seiner Wohnung in Berkshire und ich nach Kensington. Die Wohnung war leer, wie immer am Samstagabend, der idealen Zeit für Konzerte. Ich nahm die Hälfte der Eiswürfel aus dem Kühlschrank, tat sie in eine Plastiktüte, umwickelte sie mit einem Handtuch und legte mich mit dem Eisbeutel auf der Stirn ins Bett. Meine Nase fühlte sich an wie Mus. Grants Faust hatte die Gewalt ernsthafter seelischer Störungen in sich gehabt.

Ich schloß die Augen und dachte über die beiden nach, Grant und Art; zwei innerlich zerfallene Menschen. Der eine war dazu getrieben worden, sich selbst zu töten, der andere begegnete seiner Umwelt mit Gewalt. Arme Kerle, dachte ich, ein bißchen zu selbstzufrieden. So sieht es aus, wenn man nicht stabil genug ist, mit unangenehmen Dingen fertigzuwerden.

Am darauffolgenden Mittwoch erschien Peter Cloony überglücklich auf der Rennbahn. Das Baby war ein Junge, seiner Frau ging es gut, alles erschien ihm im rosigsten Licht. Er schlug uns begeistert auf die Schultern und erklärte uns, daß wir nicht wüßten, was wir da alles versäumten. Das Pferd, das er an diesem Nachmittag zu reiten hatte, war favorisiert und leistete wenig, aber das dämpfte seine Begeisterung nicht.

Am nächsten Tag mußte er im ersten Rennen reiten, kam aber zu spät. Schon bevor er eintraf, wußten wir, daß er die Gelegenheit verpaßt hatte, denn fünf Minuten vor dem letzten Meldetermin schickte sein Trainer einen Funktionär in den Umkleideraum, der nachsehen sollte, ob Cloony da war. Er war es natürlich nicht.

Ich stand vor dem Wiegeraum, als Peter endlich eintraf, vierzig Minuten vor dem ersten Rennen. Er hastete über den Rasen, schon von weitem war Angst in seinem Gesicht zu lesen. Sein Trainer trat aus der Gruppe von Leuten, mit denen er sich unterhalten hatte, und stellte sich ihm in den Weg. Satzfetzen wehten von dort zu mir herüber.

»Ist das für Sie eine Stunde vor dem ersten . ? Ich habe mir einen anderen Jockei besorgen müssen . sehr dumm von Ihnen . das zweitemal in einer Woche . unverantwortlich ... so kann es nicht weitergehen, wenn Sie in Zukunft bei mir arbeiten wollen ...« Und er stakte davon.

Peter ging an mir vorbei, bleich, zitternd, deprimiert. Als ich kurze Zeit später in den Umkleideraum zurückkam, saß er auf einer Bank, das Gesicht in den Händen vergraben.

»Was war denn diesmal los?« fragte ich. »Ist mit Ihrer Frau alles in Ordnung? Geht’s dem Baby gut?« Ich vermutete, daß er sich den beiden zu sehr gewidmet und vergessen hatte, auf die Uhr zu schauen.

»Alles in Ordnung«, sagte er bedrückt. »Meine Schwiegermutter wohnt zur Zeit bei uns und kümmert sich um die beiden. Ich bin nicht zu spät weggefahren, höchstens fünf Minuten, aber ...«, er stand auf und sah mich mit seinen großen, feuchten Augen an, »... Sie werden’s nicht glauben, aber da stand wieder was auf der Straße, und ich mußte einen Riesenumweg machen, schlimmer noch als das letztemal ...« Er verstummte, als ich ihn ungläubig anstarrte.

»Doch nicht wieder ein Tanktransporter?« fragte ich verblüfft.

»Nein, ein Pkw. Ein uralter, riesiger Jaguar. Er stand mit dem Kühler in der Hecke und einem Vorderrad im Graben. Es war einfach kein Durchkommen.«

»Hätten Sie denn dem Fahrer nicht helfen können, den Wagen herauszuschieben?« fragte ich.

»Es war kein Fahrer da, überhaupt niemand. Er hatte die Türen abgesperrt, die Handbremse angezogen und den ersten Gang eingelegt, der Mistkerl.« Peter gebrauchte selten solche Ausdrücke. »Hinter mir war ein anderer Wagen den Berg heraufgekommen. Wir versuchten gemeinsam, den Jaguar wegzuschieben, aber es war aussichtslos. Wir mußten weit zurück, er als erster, aber er fuhr ganz langsam. Er hatte einen neuen Wagen und wollte den Lack nicht verkratzen.« - »Das nenn’ ich Pech«, sagte ich lahm.

»Pech!« fauchte er, den Tränen nahe. »Das ist mehr als Pech - es ist - es ist schrecklich. Ich kann es mir gar nicht leisten, ich brauche das Geld ...« Er verstummte, schluckte ein paarmal und atmete tief ein. »Wir haben eine große Hypothek aufgenommen und müssen sie abzahlen, und ich hab’ gar nicht gewußt, daß ein Baby soviel kostet. Meine Frau mußte mit der Arbeit aufhören, damit hatten wir auch nicht gerechnet ... wir wollten gar nicht so schnell ein Kind.«

Ich erinnerte mich lebhaft an den neuen kleinen Bungalow mit dem billigen blauen Linoleum, den selbstgemachten Teppichen, dem bescheidenen Mobiliar. Überdies hatte er einen Wagen, den er unbedingt brauchte, und jetzt noch ein Kind. Ich sah ein, daß der Verlust von zehn Pfund eine Katastrophe war.

Er war an diesem Tag sonst für kein Rennen eingeteilt und trieb sich die ganze Zeit im Wiegeraum herum, in der Hoffnung, irgendeinem Trainer aufzufallen, der dringend einen Jockei brauchte. Er machte ein verzweifeltes, gequältes Gesicht, und ich wußte, daß das allein jeden Trainer abgeschreckt hätte. Kurz vor dem fünften Rennen ging er, unbeschäftigt und deprimiert, nachdem er sich bei allen Trainern in ein schlechtes Licht gesetzt hatte.

Ich sah ihn zum Parkplatz schlurfen, als ich zu meinem einzigen Rennen an diesem Tag zum Paradezirkel ging, und ich war plötzlich ärgerlich auf ihn. Warum konnte er nicht ein bißchen heucheln, sein Unglück auf die leichte Schulter nehmen? Und warum, in Dreiteufelsnamen, fuhr er nicht jedesmal ein bißchen früher weg, wenn er doch wußte, daß ihn jede Verspätung soviel kosten konnte? Eine Reifenpanne, eine von einem hochgeschleuderten Stein zertrümmerte Windschutzscheibe, es gab hundert Möglichkeiten, aufgehalten zu werden. Es brauchte ja gar nicht etwas so Unvorhersehbares wie ein Tanktransporter oder ein abgesperrter Jaguar zu sein. Wirklich ein scheußlicher Zufall, daß so etwas zweimal in einer Woche passierte. James Axminster begrüßte mich im Paradezirkel mit seinem merkwürdigen, kantigen Lächeln und stellte mich dem Besitzer des Pferdes vor, das ich reiten sollte. Er gab mir die Hand, und wir ergingen uns in den üblichen Redensarten. Das nicht mehr ganz junge Pferd, das schläfrig im Kreis herumstapfte, war das dritte Pferd Axminsters, das ich in dieser Woche ritt, und ich hatte schon gelernt, die Präzision und Schnelligkeit seiner Organisation zu genießen. Seine Pferde waren gut trainiert und ausgezeichnet gepflegt, nirgends wurde gespart oder mit Kompromissen gearbeitet. Aus jeder mit seinen Initialen versehenen Pferdedecke, jedem erstklassigen Zaumzeug, jeder Bürste und Bandage, jedem Eimer, die zu den