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Rennen gebracht wurden, ließen sich Erfolg und Wohlhabenheit ablesen.

In den beiden ersten Rennen dieser Woche hatte ich die zweitklassigen Pferde des Stalls geritten, während Axminsters Jockei Pip Pankhurst sich wie üblich auf die besseren Pferde setzte. Das Handikap-Hürdenrennen an diesem Donnerstag gehörte jedoch mir allein, weil Pip das erforderliche Gewicht nicht zu bringen vermochte.

»Alles, was unter 68 Kilo ist, gehört Ihnen«, sagte er mir fröhlich, als ich ihn traf und er erfuhr, daß ich für Axminsters Stall ritt. »Das lohnt sich ja sowieso meistens nicht.«

Durch starke Einschränkung in Essen und Trinken war es mir gelungen, mein Gewicht die ganze Woche bei 63 Kilo zu halten. Das entsprach einem reinen Körpergewicht von 61 Kilo, für meine Größe etwas wenig, aber nachdem Pip mir die Chance nicht zu neiden schien, war ich zufrieden.

»Am vierten Hindernis müßten Sie ungefähr in der Mitte sein«, sagte James Axminster. »Am dritten Hindernis vor dem Ziel sollten Sie den vierten Platz halten, wenn es einigermaßen geht. Er braucht eine Weile, bis er ganz aufwacht, also müssen Sie ihn vor dem vorletzten Hindernis antreiben. Machen Sie Fahrt, versuchen Sie vor dem letzten Hindernis das führende Pferd zu erreichen, und dann werden Sie schon sehen, wieviel sich da aufholen läßt. Das Pferd springt großartig, kann aber im Finish nichts zulegen. Sehen Sie eben zu, was sich machen läßt.« Er hatte mir noch nie derart präzise Anweisungen gegeben, und zum erstenmal erklärte er mir auch, was am letzten Hindernis zu tun sei. Ich war ziemlich aufgeregt. Endlich durfte ich ein Pferd reiten, dessen Trainer nicht verblüfft sein würde, falls es gewann.

Ich hielt mich genau an die Befehle und trieb meinen alten Gaul mit aller Kraft an, als ich das letzte Hindernis gemeinsam mit zwei anderen Pferden erreichte. Er reagierte mit einem gewaltigen Sprung, der ihn mitten in der Luft die anderen Pferde überholen ließ und uns zwei Längen einbrachte. Ich hörte das Klappern an den Hindernissen, als die anderen die oberste Stange streiften, und hoffte, daß sie weniger geschickt gelandet waren als wir. Daß mein alter Wallach nicht schneller werden konnte, stimmte. Ich nahm ihn auf und trieb ihn geradewegs zum Ziel, kaum die Peitsche verwendend, weil ich mich hauptsächlich darauf konzentrierte, stillzusitzen und ihn nicht zu stören. Er lief prima durch und hatte immer noch eine halbe Länge Vorsprung, als wir am Pfosten vorbeigingen. Es war ein wunderbarer Augenblick.

»Gut gemacht«, sagte Axminster gelassen. Siege waren für ihn nichts Ungewöhnliches. Ich schnallte den Sattel ab, klemmte ihn unter den Arm und tätschelte meinem Pferd den Hals. Der Besitzer war begeistert. »Großartig, großartig«, sagte er abwechselnd zum Pferd, zu Axminster und zu mir. »Ich hätte nie gedacht, daß er es schafft, James, obwohl ich mir Ihren Rat zu Herzen genommen und auf ihn gewettet habe.«

Ich sah schnell zu Axminster hinüber. Seine durchdringenden blauen Augen beobachteten mich fragend.

»Wollen Sie den Job?« fragte er. »Als regulärer zweiter Mann hinter Pip?«

Ich nickte, atmete tief ein und sagte: »Ja.«

Es klang wie ein Krächzen.

Der Besitzer lachte. »Finn hat diese Woche wohl eine Glückssträhne. John Ballerton erzählte mir, daß Maurice ihn morgen abend in seiner Sendung interviewt.«

»Wirklich?« fragte Axminster. »Das werd’ ich mir ansehen.«

Ich ging zum Wiegen und Umziehen. Als ich herauskam, gab mir Axminster eine neue Liste von vier Pferden, die ich in der folgenden Woche reiten sollte.

»Von jetzt an möchte ich, daß Sie keine Ritte annehmen, ohne zuerst mich gefragt zu haben, ob ich Sie brauche. Einverstanden?«

»Jawohl, Sir«, sagte ich und bemühte mich, von meiner kindischen Freude nicht allzuviel durchscheinen zu lassen. Aber er wußte Bescheid. Er war zu lange beim Fach, um das übersehen zu können. In seinen Augen funkelten Verständnis, Sympathie und ein Versprechen für die Zukunft.

Ich rief Joanna an.

»Wie wär’s mit einem Ausgang, ich möchte feiern.«

»Was denn?« fragte sie vorsichtig.

»Einen Sieg. Einen neuen Job. Ich könnte die ganze Welt umarmen«, sagte ich.

»Das klingt ja, als hättest du schon gefeiert!«

»Nein«, sagte ich. »Die Trunkenheit in meiner Stimme kommt daher, daß mir ein Brocken Glück auf den Kopf gefallen ist.«

Sie lachte. »Na schön. Wo?«

»Bei Hennibert«, sagte ich. Das war ein kleines Restaurant in der St. James Street, dessen Küche und Preise der vornehmen Gegend entsprachen.

»O ja«, bejahte Joanna. »Soll ich in meiner goldenen Kutsche kommen?«

»Im Ernst«, sagte ich. »Ich habe diese Woche vierzig Pfund verdient. Ich will was ausgeben davon. Und außerdem hab’ ich Hunger.«

»Wir bekommen keinen Tisch«, sagte sie.

»Schon bestellt.«

»Also gut«, sagte sie, »ich bin um acht da.«

Sie kam in einem Taxi an, ein Kompliment für mich, weil sie sonst am liebsten zu Fuß ging. Sie trug ein Kleid, das ich noch nie gesehen hatte, ein einfaches, enges Ding aus blauer Seide, die im Licht schimmerte. Ihr lockiges, dunkles Haar fiel elegant in den Nacken, und die schrägen, spitz auslaufenden Striche, die sie auf ihre Lider gemalt hatte, ließen ihre schwarzen Augen größer, tiefer und geheimnisvoller erscheinen. Alle Männer drehten sich um, als wir das Lokal betraten, dabei war sie nicht schön, nicht einmal besonders elegant angezogen zu nennen. Sie sah ... ich überraschte mich selbst mit dem Wort ... intelligent aus.

Wir aßen Avocado-Birnen mit französischer Salatwürze und Boeuf Stroganoff mit Pilzen, späte Erdbeeren mit Schlagsahne, und ein pikantes, würziges Gericht aus Speck und gedünsteten Pflaumen. Für mich war das nach so vielen Hungertagen ein wahres Fest. Wir ließen uns Zeit, tranken eine Flasche Wein und unterhielten uns beim Kaffee mit der Zwanglosigkeit einer Freundschaft, die bis in die Kindheit zurückreichte. Nach so viel Übung konnte ich die nicht allzu vetternhaften Gefühle für Joanna vor ihr verbergen. Das war notwendig, weil ich aus Erfahrung wußte, daß sie nervös zu werden und meinem Blick auszuweichen begann, sobald ich auf das Thema Liebe zu sprechen kam. Ich pflegte dann sehr schnell abzubrechen. Wenn ich mich ihrer Gesellschaft erfreuen wollte, mußte es zu ihren Bedingungen geschehen.

Sie schien sich über meine neue Anstellung bei Axminster ehrlich zu freuen. Obwohl der Rennsport sie nicht interessierte, erkannte sie deutlich, was er mir bedeutete.

»Das ist wie an dem Tag, als mich der Musikdirektor der Händel Society aus dem Chor herausnahm, um mich das erste Rezitativ singen zu lassen. Ich kam mir vor wie im Paradies.« »Das steigt einem ja wirklich zu Kopf«, sagte ich. In meinem ganzen Leben war mir noch nie so wohl gewesen.