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»Nein«, sagte ich.

Er wartete darauf, daß ich weitersprach, die Brauen vor Überraschung etwas hochgezogen, eine Spur von Besorgnis im Gesicht. Ja, dachte ich amüsiert, du hast ja nicht zuhören wollen, als ich sagte, daß ich nicht typisch bin, und wenn meine Antworten dir jetzt nicht passen, kann ich es nicht ändern.

»Ich war eine Reihe von Jahren nicht in England«, erzählte ich.

»Ich habe mich in der Welt herumgetrieben, verstehen Sie? Ich war in Australien und Südamerika. Die meiste Zeit habe ich bei Viehzüchtern gearbeitet, aber ein Jahr war ich in Neu-Südwales als Gehilfe bei einer Reiterschau. Zehn Sekunden auf einem ungezähmten Mustang und was dergleichen mehr ist.« Ich grinste.

»Oh.« Die Brauen stiegen noch ein wenig höher, und es gab eine deutliche Pause, bevor er sagte: »Das ist aber interessant.«

Seine Stimme klang, als sei es ihm ernst. Er sagte: »Schade, daß wir nicht mehr Zeit haben, uns von Ihren Erfahrungen berichten zu lassen, aber ich möchte den Zuschauern ein Bild der finanziellen Position eines Jockeis in Ihrer Lage geben ... der versucht, mit einem oder zwei Rennen in der Woche sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie bekommen pro Rennen zehn Pfund, nicht wahr ...«

Er sprach in einiger Ausführlichkeit über meine Finanzen, die nicht sehr beachtlich klangen, wenn man sie in Reisespesen, Gebühren für Mietleistungen, Ersatz von Ausrüstungsgegenständen und so weiter zergliederte. Es ergab sich ganz klar, daß mein Nettoeinkommen in den letzten beiden Jahren geringer war, als wenn ich einen Lastwagen gesteuert hätte, und daß es um meine Zukunftsaussichten nicht viel besser bestellt war. Ich konnte beinahe spüren, wie den Zuschauern klar wurde, daß ich ein Narr war.

Kemp-Lore wandte sich an Ballerton.

»John, haben Sie zu Robs Bemerkungen noch etwas zu sagen?«

Eine Spur hinterhältigen Vergnügens verwandelte Ballertons Autoritätslächeln.

»Diese jungen Jockeis beklagen sich viel zu sehr«, erklärte er mit rauher Stimme, die Tatsache ignorierend, daß ich mich überhaupt nicht beklagt hatte. »Wenn sie in ihrem Beruf nicht sehr viel taugen, dürfen sie auch nicht erwarten, daß sie viel bezahlt bekommen. Die Pferdebesitzer wollen ihr Geld nicht zum Fenster hinauswerfen und auch nicht die Chancen ihrer Pferde vergeuden, indem sie Jok-keis anstellen, zu denen sie kein Vertrauen haben. Ich spreche hier natürlich auch als Pferdebesitzer.«

»Äh ... natürlich«, sagte Kemp-Lore. »Aber jeder Jockei muß doch irgendwann einmal anfangen, und es muß doch auch eine große Anzahl von Jockeis geben, die niemals an die Spitze gelangen, aber sich den Lebensunterhalt verdienen und ihre Familie versorgen müssen.«

»Sie wären in einer Fabrik besser dran, an einem Fließband, wo sie ordentlich verdienen«, sagte Ballerton mit schwerfälligem Humor. »Wenn sie es nicht ertragen können, erfolglos zu sein, ohne dauernd zu jammern, wie arm sie sind, sollten sie den Rennsport überhaupt sein lassen. Die meisten tun es nicht«, fügte er mit gehässigem Lachen hinzu, »weil es ihnen Spaß macht, die farbenfrohe Rennkleidung zu tragen, die Leute starren ihnen nach, und das tut den kleinen Geistern wohl.«

Irgendwo im dunklen Studio atmete bei diesem wenig gentlemanhaften Tiefschlag jemand hörbar ein, und aus den Augenwinkeln sah ich, daß die rote Lampe an der auf mich gerichteten Kamera glühte. Welchen Gesichtsausdruck sie bei mir ursprünglich eingefangen hatte, wußte ich nicht, aber ich produzierte ein Lächeln, nur für Mr. Ballerton, so süß und fröhlich und vergebend wie nur irgend möglich. Es fiel mir leichter angesichts der sicheren Erkenntnis, daß das Tragen von grellfarbigen Hemden mir von jeher ein Greuel war.

Kemp-Lores Kopf zuckte zu mir herüber. »Und was sagen Sie dazu, Rob?«

Ich reagierte wahrheitsgemäß, heftig und ohne zu überlegen.

»Geben Sie mir ein Pferd und ein Rennen, dann ist es mir egal, ob ich Seidenblusen oder ... oder ... Pyjamas trage. Es ist mir egal, ob jemand zusieht oder nicht. Es ist mir egal, ob ich viel Geld verdiene oder mir die Knochen breche oder hungern muß, um mein Gewicht zu halten. Worauf es mir ankommt, ist der Rennsport ... das Rennen ... und das Gewinnen, wenn’s geht.«

Es blieb kurze Zeit still.

»Ich kann’s nicht erklären«, sagte ich.

Beide starrten mich an. John Ballerton machte ein Gesicht, als sei eine zerquetschte Wespe wieder lebendig geworden, um ihn zu stechen, und seine Animosität mir gegenüber schien sich zu verfestigen. Und Kemp-Lore? Sein Gesicht hatte einen Ausdruck, den ich nicht zu deuten vermochte. Es gab nur ein paar leere Sekunden, bevor er sich der Kamera wieder zuwandte und das vertraute Lächeln aufsetzte, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, daß in dieser kurzen Zeit etwas Wichtiges geschehen war. Ich empfand es als außerordentlich störend, nicht die geringste Ahnung zu haben, worum es ging.

Kemp-Lore begann mit der üblichen Vorschau auf die Rennen der kommenden Woche und schloß mit den allseits bekannten Worten: »Auf Wiedersehen nächste Woche um dieselbe Zeit .«

Das Bild auf dem Monitor blendete Kemp-Lores Lächeln aus und setzte an seine Stelle eine Seifenreklame. Der heiße Scheinwerfer wurde abgeschaltet. Meine Augen waren von der blendenden Helligkeit erlöst.

Gordon kam strahlend auf uns zu. »Eine ausgezeichnete Sendung. Genau das wollen die Leute, eine Diskussion mit ein bißchen Würze. Gut gemacht, gut gemacht,

Mr. Ballerton, Mr. Finn. Großartig.« Er drückte uns beiden die Hand.

Kemp-Lore stand auf, reckte sich und lächelte uns alle an. »So, John. Fein, Rob. Ich darf mich recht herzlich bei Ihnen beiden bedanken.« Er bückte sich, nahm mein Kognakglas und gab es mir. »Trinken Sie doch«, sagte er. »Sie haben es sich verdient.«

Ich lächelte auch, trank den Kognak und staunte wieder über seine einmalige Geschicklichkeit. Indem er Ballerton dazu gebracht hatte, mich anzugreifen, war mir vor ein paar Millionen fremder Menschen eine freimütigere Feststellung entlockt worden, als ich sie je gegenüber einem engen Freund gemacht hätte.

Man klopfte sich gegenseitig auf die Schultern und leerte ein paar Teller Sandwiches unten im Empfangsraum, bevor ich das Studio verließ und nach Kensington zurückfuhr. Wenn man sich überlegte, wieviel Anerkennung, mochte sie auch unverdient sein, Ballerton und mir nach der Sendung gezollt worden war, fand ich es doch merkwürdig, daß ich mich unruhiger fühlte als vor der ganzen Geschichte.

Kapitel 6

Drei Wochen und einen Tag nach der Sendung brach sich Pip Pankhurst ein Bein. Sein Pferd, das an einem trüben, regnerischen Samstagnachmittag mitten im November, am letzten Hindernis im zweiten Rennen, auf ihn stürzte, sorgte mit aller Gründlichkeit dafür, daß der Champion für den Großteil der Rennsportsaison außer Gefecht war.

Die neben dem Hindernis stationierten Sanitäter schoben ihn äußerst vorsichtig in den Krankenwagen, weil es sich um einen komplizierten Unterschenkelbruch handelte, bei dem der Schienbeinknochen durch die Haut gedrungen war; auf die Bahre hatten sie ihn nur heben können, weil Pip das Bewußtsein verlor, wie mir einer der Sanitäter später erzählte.

Von der Tribüne aus sah ich nur die weiße Fahne winken, den Krankenwagen übers Gelände holpern und die ausgestreckte, reglose Gestalt Pips auf dem Boden. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten wollte, daß ich voll innerer Gelassenheit die Treppe zum Wiegeraum hinunterstieg. So ehrlich auch mein Mitleid über sein Unglück sein mochte, die vage Chance, daß ich im nächsten Rennen an seine Stelle treten könnte, trieb meinen Pulsschlag an.

Es war das große Rennen des Tages, das große Rennen der Woche, ein Drei-Meilen-Jagdrennen mit einem von einer Brauereifirma gestifteten beachtlichen Preis. Es hatte eine große Zahl von erstklassigen Pferden angezogen und war auf den Sportseiten aller Tageszeitungen ausführlich besprochen worden. Pips Pferd, das Lord Tirrold gehörte, war der aufsteigende Stern des Axminster Stalls, ein sechs