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»Was ist denn mit Ihrem Rücken?« fragte der Chauffeur, als er das zerfetzte Hemd sah.

»Ich ... bin hingefallen«, sagte ich. »Auf Kies.«

Er machte ein skeptisches Gesicht.

»Sieht schlimm aus, und die Wunden sind verschmutzt«, sagte Joanna besorgt.

»Du kannst sie ja auswaschen«, sagte ich. »Zu Hause.«

»Sie brauchen einen Arzt«, erklärte der Chauffeur wieder.

Ich schüttelte den Kopf. »Ich brauch’ ein paar Tabletten und Schlaf.«

»Hoffentlich weißt du, was du tust«, sagte Joanna. »Was noch?«

»Pullover«, sagte ich.

»Im Taxi«, antwortete sie. »Und ein paar andere Sachen. Du kannst dich unterwegs umziehen. Je früher du in ein heißes Bad kommst, desto besser.«

»Da würd’ ich lieber vorsichtig sein, Miss«, meinte der Fahrer.

»Wenn Sie die Hände zu schnell anwärmen, fallen die Finger ab.«

Sehr beruhigend. Übrigens auch falsch, hoffte ich. Joannas Besorgnis nahm zu. Wir gingen von der Telefonzelle zum Taxi. Es war ein ganz gewöhnliches schwarzes Londoner Taxi. Ich fragte mich, wie es Joanna gelungen war, den Fahrer mitten in der Nacht zu einer so weiten Fahrt zu bewegen, und mit einem Gefühl fürs Praktische, ob der Taxameter noch lief. Er tat’s.

»Steig ein, damit du nicht mehr im Wind stehen mußt«, sagte sie und öffnete die Taxitür. Ich tat wie mir geheißen. Sie hatte einen Koffer mitgebracht, aus dem sie jetzt einen dünnen, blaßblauen Pullover und einen olivfarbenen Anorak mit Reißverschluß hervorzog. Sie sah mich prüfend an und nahm die Schere. Ein paar schnelle Schnitte, und die Reste meines Hemds lagen auf dem Sitz neben mir. Sie schnitt zwei lange Streifen zurecht und band sie sorgfältig um meine Handgelenke. Der Taxichauffeur sah zu.

»Das ist etwas für die Polizei«, meinte er.

Ich schüttelte den Kopf. »Private Auseinandersetzung«, sagte ich.

Er hob den Zaumzeughaken hoch, den er aus der Zelle mitgebracht hatte. »Was soll denn das sein?« fragte er.

»Werfen Sie’s in den Graben«, befahl ich und wandte den Blick ab.

»Sie brauchen es für die Polizei«, sagte er hartnäckig.

»Ich hab’ Ihnen doch schon gesagt, daß ich die Polizei nicht will!«

Sein Gesicht verriet, daß er sich mit den Leuten auskannte, die, obwohl übel zugerichtet, nicht zur Polizei gingen. Er verschwand achselzuckend in der Dunkelheit und kam ohne den Haken zurück.

»Er liegt im Graben hinter der Telefonzelle, falls Sie es sich anders überlegen«, sagte er.

»Danke.«

Joanna war mit den Verbänden fertig und half mir in den Pullover und den Anorak. Als nächstes kam aus dem Koffer ein Paar pelzgefütterte Handschuhe, die sich ohne große Schwierigkeiten überstreifen ließen, und schließlich eine Thermosflasche voll heißer Suppe und ein paar Tassen.

Ich sah in Joannas schwarze Augen, als sie mir die Tasse an die Lippen hielt. Ich liebte sie. Wer hätte ein Mädchen, das in einem solchen Augenblick an heiße Suppe dachte, nicht geliebt?

Der Fahrer trank auch Suppe, stapfte hin und her und erklärte schließlich, daß es doch reichlich kühl sei. Joanna warf ihm einen gequälten Blick zu, und ich lachte.

Er sah mich forschend an und meinte: »Vielleicht kommen Sie doch ohne Arzt aus.« Er bedankte sich bei Joanna für die Suppe, gab ihr die Tasse zurück, setzte sich ans Steuer, knipste die Beleuchtung aus und fuhr los, zurück nach London.

»Wer war das?« fragte Joanna.

»Erzähl’ ich dir später.«

Sie drängte mich nicht, sondern bückte sich zum Koffer hinunter und holte Hausschuhe, dicke Socken und eine ihrer Elastikhosen heraus.

»Zieh die Hose aus.«

»Ich kann den Reißverschluß nicht aufmachen«, sagte ich ironisch.

»Oh, ich hab’ vergessen.«

»Ich bin schon mit den Socken zufrieden.« Sogar ich konnte die Erschöpfung in meiner Stimme hören, und Joanna kniete in dem schwankenden Taxi nieder und zog mir trockene Socken und Schuhe an.

»Deine Füße sind eiskalt«, sagte sie.

»Ich kann sie nicht spüren«, erwiderte ich. Der Mond schien durch das Fenster; ich sah die Hausschuhe an. Sie waren sogar mir zu groß, geschweige denn Joanna.

»Ich trete also in Brians Fußstapfen?« fragte ich.

Nach einer längeren Pause meinte sie unverbindlich: »Sie gehören Brian, ja.«

»Und der Anorak?«

»Den hab’ ich ihm zu Weihnachten gekauft.«

So war das also. Nicht gerade der ideale Augenblick, dahinterzukommen.

»Ich habe ihn ihm nicht gegeben«, sagte sie nach einer Weile, als sei sie sich über etwas klargeworden.

»Warum nicht?«

»Ich hatte plötzlich das Gefühl, daß das nicht das richtige Geschenk ist. Ich hab’ ihm dann eine goldene Krawattennadel geschenkt.«

»Sehr passend«, sagte ich trocken.

»Ein Abschiedsgeschenk«, erwiderte sie leise.

»Das tut mir leid«, meinte ich aufrichtig. Ich wußte, daß es nicht leicht für sie gewesen war.

Sie zuckte zusammen. »Bist du aus Eisen, Rob?«

»Aus Eisenspänen.«

Das Taxi brauste weiter.

»Es war übrigens gar nicht einfach, dich zu finden«, sagte sie.

»Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat. Das Gebiet ist sehr groß, weißt du?«

»Du bist aber gekommen.«

»Ja.«

Die Fahrt in dem schwankenden Taxi nahm mich sehr mit.

Meine Arme und Schultern schmerzten unaufhörlich, und wenn ich mich zurücklehnte, brannte mein Rücken wie Feuer. Nach einer Weile gab ich es auf und legte den Rest des Weges auf dem Boden des Wagens zurück, Kopf und Hände in Joannas Schoß.

Ich war natürlich an körperliche Beschwerden gewöhnt. Ich hatte schließlich einen Beruf, bei dem Verletzungen eine häufige, wenn auch unwichtige Rolle spielten; vor allem in meiner ersten Saison, als ich noch recht ungeübt war und die meisten meiner Pferde nichts taugten, verging selten eine Woche, in der nicht irgendeine Stelle meines Körpers grün und blau war. Ich hatte mir ein paar kleinere Knochen gebrochen, unzählige Prellungen davongetragen und mir ein paar Gelenke ausgerenkt. Auf mein allgemeines Gefühl des Wohlbefindens und meinen Optimismus, daß ich sicher keinen inoperablen Schaden davontragen würde, hatten diese Unfälle nicht den geringsten Einfluß gehabt. Wie die meisten anderen Jockeis schien ich mit einer widerstandsfähigen Konstitution ausgerüstet, die ruhig ein paar Schläge einstecken und wenn nicht schon am nächsten Tag, dann doch weit schneller wieder auf dem Damm war, als bei den Ärzten als normal galt.

Die Erfahrung hatte mir eine gewisse Routine für den Umgang mit Schmerzen beigebracht, die vor allem darin bestand, daß man sie ignorierte und sich auf etwas anderes konzentrierte, aber an diesem Abend klappte es damit nicht ganz so gut. Ich kam beispielsweise nicht damit zurecht, als ich eine Weile in Joannas warmem Zimmer in einem Sessel saß, die Ellbogen auf den Knien, und zusah, wie meine Finger langsam die Farbe wechselten, von gelblich-weiß zu schwärzlichem Grau, zu fleckigem Purpur und schließlich zu Rot.

Es begann als Kribbeln, schwach und willkommen, kurz nachdem wir heimgekommen waren und Joanna beide Heizgeräte eingeschaltet hatte. Sie hatte sofort darauf bestanden, mir die feuchte Hose aus- und ihre Elastikhose anzuziehen, die zwar warm, aber bei weitem nicht lang genug war.

Sie fand ein paar Schmerztabletten in einem Fläschchen. Es waren nur noch drei Stück, und ich schluckte sie hinunter. Dann kochte sie Kaffee und gab ihn mir schwarz zu trinken. Er bestand mindestens zur Hälfte aus Kognak.

»Wärmt«, sagte sie lakonisch. »Wenigstens hast du aufgehört zu zittern.«

Und dann begann es in meinen Fingern zu kribbeln. Ich sagte es ihr.

»Wird es schlimm werden?« fragte sie sachlich und stellte die leere Kaffeetasse weg.

»Möglich.«

»Dann willst du sicher nicht, daß ich dasitze und dir zusehe«, meinte sie.