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Ich schüttelte den Kopf.

Sie trug die leere Tasse in die Küche und blieb zehn Minuten aus, bevor sie mit einer vollen Tasse für sich selbst zurückkam.

Das Kribbeln steigerte sich zuerst zu starkem Brennen, dann hatte ich das Gefühl, in einen Schraubstock eingeklemmt zu sein, den jemand zudrehte, Umdrehung für Umdrehung, unbarmherzig, bis es mir schien, als müßten meine Finger jeden Augenblick zerquetscht werden. Aber da waren sie, hingen harmlos in der warmen Luft, äußerlich unverändert, wenn man davon absah, daß sie langsam braunrot wurden.

Joanna kam aus der Küche und wischte mir den Schweiß von der Stirn. »Geht’s?« fragte sie.

»Ja«, sagte ich.

Sie nickte und schenkte mir eine Andeutung des vertrauten Lächelns, bei dem mein Herz einen Salto schlug, und trank ihren Kaffee. Als der Puls spürbar wurde, hatte ich das Gefühl, daß meine Hände aus dem Schraubstock genommen, auf eine Bank gelegt und rhythmisch behämmert wurden. Es war entsetzlich. Und es dauerte zu lange. Mein Kopf sank mir auf die Brust. Als ich aufsah, stand sie vor mir und beobachtete mich mit einem Ausdruck, den ich nicht benennen konnte. Sie hatte Tränen in den Augen.

»Ist es vorbei?« fragte sie.

»Mehr oder weniger.«

Wir starrten beide meine Hände an, die jetzt eine grellrote Färbung angenommen hatten.

»Und deine Füße?« fragte sie.

»Sind in Ordnung«, sagte ich. Bei ihnen war die Rückkehr zur normalen Zirkulation harmlos gewesen.

»Ich wasch’ dir lieber die Wunden am Rücken aus«, sagte sie.

»Nein«, erwiderte ich, »morgen.«

»Sie sind aber verschmutzt«, wandte sie ein.

»Dann schaden ein paar Stunden mehr auch nicht«, sagte ich.

»Ich habe in den letzten zwei Jahren vier Tetanusspritzen bekommen, und schließlich gibt’s ja auch noch Penicillin ... Außerdem bin ich zu müde.« Sie verzichtete auf Einwände, half mir, den Anorak auszuziehen, und brachte mich in ihr Bett. Ich trug noch immer ihre schwarze Hose, den blauen Pullover und sah aus wie ein zweitklassiger Ballettänzer nach einer durchzechten Nacht.

Im Kopfkissen war noch eine Einbuchtung, wo ihr Kopf gelegen hatte. Ich legte meinen Kopf auch dort hinein, mit einem gewissen inneren Vergnügen. Sie sah mich lächeln und erriet meine Gedanken.

»Es ist das erste Mal, daß du da ‘reinkommst, aber auch das letzte Mal.«

»Hab’ ein Herz, Joanna«, flehte ich.

Sie setzte sich auf den Bettrand und schaute auf mich hinunter.

»Bei Verwandten geht das nicht«, sagte sie.

»Aber wir sind doch nur ganz entfernt verwandt! Und wenn wir es gar nicht wären?«

»Ich weiß nicht ...« Sie seufzte. »Wir sind’s aber.«

Sie beugte sich vor, um mir einen Gutenachtkuß auf die Stirn zu geben.

Ich konnte mir nicht helfen, ich legte die Arme um ihre Schultern, zog sie zu mir herunter und küßte sie richtig, auf den Mund. Es war das erste Mal, und mit diesem Kuß drückte sich die ganze unterdrückte und aufgestaute Sehnsucht aus, die ich mein ganzes Leben für sie gefühlt hatte. Der Kuß war zu begierig, zu leidenschaftlich, viel zu verzweifelt. Ich wußte es, aber ich konnte nicht aufhören. Einen Augenblick lang begann sie zu schmelzen und mich zurückzuküssen, aber das verging so schnell, daß ich glaubte, es mir eingebildet zu haben, dann wurde ihr Körper starr.

Ich ließ sie los. Sie stand auf und starrte mich an, ohne innere Bewegung. Ohne Wut, ohne Widerwillen, ohne Liebe. Sie drehte sich wortlos um und ging zum Sofa, wickelte sich in eine Decke und legte sich hin. Und dann knipste sie die Tischlampe aus.

Ihre Stimme klang durch den dunklen Raum, ruhig und beherrscht. »Gute Nacht, Rob.«

»Gute Nacht, Joanna«, sagte ich höflich.

Es wurde totenstill. Ich legte mich auf den Bauch und preßte das Gesicht in ihr Kissen.

Kapitel 13

Ich weiß nicht, ob sie während der nächsten vier Stunden schlief oder nicht. Im Zimmer war es still. Die Zeit verging langsam.

Der Puls in meinen Händen hämmerte noch eine ganze Zeit, aber was war das schon? Tröstend, obwohl es wehtat. Ich dachte daran, wie sich die dicken roten Blutkörperchen durch die eingeschrumpften Kapillaren zwängten, wie Wasser, das nach der Dürre in trockene Kanäle stürzt. Sehr schön. Lebenspendend. Bis morgen nachmittag, dachte ich - halt, heute nachmittag - könnten sie vielleicht wieder gebrauchsfähig sein. Sie mußten einfach, etwas anderes kam gar nicht in Frage.

Nachdem es hell geworden war, hörte ich Joanna in ihre kleine Badezimmer-Küche gehen, wo sie sich die Zähne putzte und frischen Kaffee machte. Der angenehme Geruch drang bis zu mir.

Samstagmorgen, dachte ich. Winter-Cup-Tag. Ich sprang nicht eifrig aus dem Bett, um ihn zu begrüßen; ich drehte mich langsam auf die Seite, schloß die Augen vor der Steifheit, die jeden Muskel vom Hals bis zu den Hüften spürbar werden ließ, vor den Schmerzen im Rücken und an den Handgelenken. Ich fühlte mich wirklich nicht besonders gut. Sie kam mit einer Tasse herein und stellte sie auf den Nachttisch. Ihr Gesicht war blaß und ausdruckslos.

»Kaffee«, sagte sie unnötigerweise.

»Danke.«

»Wie fühlst du dich?« fragte sie, ein wenig zu sachlich.

»Ich lebe.«

Es blieb eine Weile still.

»Ach, hör doch auf«, sagte ich. »Gib mir entweder eine Ohrfeige oder lach ... eins von beiden. Aber steh nicht da und mach ein tragisches Gesicht, als sei kurz vor der Vorstellung der Konzertsaal abgebrannt.«

»Na, weißt du, Rob«, sagte sie lachend.

»Waffenstillstand?« fragte ich.

»Einverstanden«, meinte sie lächelnd. Sie setzte sich sogar wieder auf den Bettrand. Ich setzte mich auf, verzog das Gesicht wegen der Schmerzen und zog eine Hand unter der Decke hervor, um nach der Tasse zu greifen.

Die Finger glichen dicken Würsten. Ich zog die andere Hand heraus. Sie war auch geschwollen. Die Haut fühlte sich sehr empfindlich an, und die unnatürliche Rötung war immer noch vorhanden.

»Verdammt«, sagte ich. »Wie spät ist es?«

»Kurz vor acht«, erwiderte sie. »Warum?«

Acht Uhr. Das Rennen begann um halb drei. Ich zählte rückwärts. Ich mußte spätestens um halb zwei in Ascot sein, wenn möglich sogar früher, und die Fahrt mit dem Taxi dorthin würde ungefähr fünfzig Minuten dauern. Eine halbe Stunde zusätzlich mußte ich für Unvorhergesehenes einkalkulieren. Damit blieben mir genau viereinhalb Stunden, um für das Rennen fit zu werden, aber in meinem Zustand schien das allerhand verlangt zu sein. Ich begann, Mittel und Wege zu überdenken. Dampfbäder mit Hitze und Massage. Aber ich hatte zuviel Haut verloren, um das riskieren zu können. Training in einer Sporthalle; eine Möglichkeit, aber zu rauh. Ein Ritt durch den Hyde-Park -fast immer eine gute Lösung, nur am Samstag nicht, wo die Row praktisch überfüllt war, oder noch besser, ein Galopp auf einem Rennpferd in Epsom, aber dafür blieb mir weder genug Zeit noch eine gute Ausrede.

»Was ist los?« fragte Joanna.

Ich sagte ihr Bescheid.

»Das ist doch nicht dein Ernst?« meinte sie. »Du denkst doch nicht wirklich daran, heute zu reiten?«

»Und ob.«

»Du bist nicht fit.«

»Genau das ist es. Darüber sprechen wir ja, wie ich fit werden kann.«

»So hab’ ich’s nicht gemeint«, wandte sie ein. »Du siehst krank aus. Du mußt mindestens einen ganzen Tag im Bett bleiben.«

»Morgen«, sagte ich. »Heute reite ich Template im Winter-Cup.«

Sie versuchte mich davon abzubringen, und ich erzählte ihr, warum ich reiten wollte. Ich berichtete alles, Kemp-Lores Haß auf alle Jockeis und die Ereignisse am vergangenen Abend, bevor sie mich in der Telefonzelle gefunden hatte. Das nahm ziemlich viel Zeit in Anspruch. Ich sah sie nicht an, als ich von der Episode in der Sattelkammer erzählte, weil es mir aus irgendeinem Grund peinlich war, davon zu sprechen, selbst vor ihr, und ich wußte schon in diesem Augenblick, daß ich es sonst niemandem sagen konnte.