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Das Dumme an heißen Bädern ist, daß sie nicht lange nachwirken. Man muß durch Bewegung nachhelfen. Und meine mißhandelten Muskeln protestierten gegen jede Art von Bewegung. Trotzdem machte ich ein paar gymnastische Übungen, während Joanna Eier in die Pfanne schlug. Nach dem Frühstück und dem Rasieren fing ich wieder mit den Bewegungsübungen an, weil ich wußte, daß Template nicht gewinnen konnte, wenn ich nicht einigermaßen auf Draht war. Niemandem war gedient, wenn ich beim ersten Hindernis herunterfiel.

Nach einer Stunde war ich immerhin soweit, daß ich die Arme über Schulterhöhe heben konnte, ohne aufschreien zu müssen. Joanna spülte ab und räumte die Wohnung auf. Kurz nach zehn, während ich mich ein bißchen ausruhte, sagte sie: »Machst du jetzt so weiter, bis du nach Ascot fährst?«

»Ja.«

»Tja«, meinte sie, »es ist ja nur ein Vorschlag, aber warum gehen wir nicht lieber zum Eislaufen?«

»Pfui Teufel, Eis«, rief ich schaudernd.

Sie lächelte. »Ich dachte, man muß sofort nach einem Sturz wieder aufstehen?«

Ich mußte ihr recht geben.

»Jedenfalls wird einem da warm dabei, und interessanter ist es auch als dein Turnen.«

»Du bist ein Genie, liebste Joanna«, lobte ich begeistert.

»Äh ... vielleicht«, sagte sie. »Du gehörst trotzdem ins Bett.«

Als sie fertig war, fuhren wir zur Wohnung meiner Eltern, wo ich von meinem Vater Hemd und Krawatte und seine Schlittschuhe ausborgte. Dann fuhren wir zur Bank, weil die Taxifahrt in der vergangenen Nacht Joannas Bargeld verschlungen hatte und ich ihr das Geld zurückgeben wollte; außerdem brauchte ich ja selbst welches. Schließlich gingen wir noch in ein Geschäft und kauften braune, mit Seide gefütterte Lederhandschuhe, die ich anzog. Anschließend fuhren wir zur Eislaufbahn Queensway, wo wir seit unserer Kindheit Mitglieder waren.

Wir hatten seit unserem sechzehnten Lebensjahr nicht mehr gemeinsam auf Schlittschuhen gestanden, und es war erstaunlich, wie schnell wir uns wieder zusammenfanden.

Sie hatte recht gehabt. Nach einer Stunde war ich von

Kopf bis Fuß gelockert, und es gab kaum einen Muskel, der sich nicht frei bewegte. Joanna hatte rote Backen und glänzende Augen. Sie sah jung und frisch aus. Um zwölf Uhr verließen wir die Eislaufbahn.

»War’s gut?« fragte sie lächelnd.

»Phantastisch«, ich bewunderte das klare, intelligente Gesicht, das sie mir zuwandte.

Sie wußte nicht, ob ich sie oder das Eislaufen meinte, und damit war ich zufrieden.

»Ich meine ... wie ist es mit den Schmerzen?«

»Weg«, sagte ich.

»Du bist ein Lügner«, meinte sie. »Aber wenigstens siehst du nicht mehr so grau aus wie vorher.«

Wir zogen uns um, daß heißt, ich zog anstelle der blaugrünen Strickjacke Hemd und Krawatte meines Vaters an, darüber den Anorak und streifte die Handschuhe über. Sie waren notwendig. Obwohl meine Finger nicht mehr so angeschwollen und auch weniger gerötet waren, begann die Haut an verschiedenen Stellen aufzuplatzen.

Im Vorraum packte Joanna Strickjacke und Schlittschuhe meines Vaters in die Tasche, machte den Reißverschluß zu, und wir gingen auf die Straße hinaus. Sie hatte mir vorher schon gesagt, daß sie mit mir nicht nach Ascot fahren, aber im Fernsehen zuschauen wolle.

»Und daß du mir gewinnst«, betonte sie. »Nach so vielen Anstrengungen.«

»Kann ich nachher zu dir zurückkommen?« fragte ich.

»Aber ja ... ja«, sagte sie, als überrasche sie die Frage.

»Fein«, rief ich. »Na, dann ... auf Wiedersehen.«

»Viel Glück, Rob«, sagte sie ernst.

Kapitel 14

Der Fahrer des dritten Taxis, das ich um die Ecke der Bayswater Road anhielt, erklärte sich bereit, mich nach Ascot zu bringen. Unterwegs bewegte ich ständig Arme und Finger; und falls mich der Fahrer im Rückspiegel beobachtete, hielt er mich wohl für vom Veitstanz befallen.

Als ich ihn am Rennplatz bezahlte, meinte er, er wolle sich das Rennen auch ansehen, weshalb ich mit ihm ausmachte, daß er mich nach der Veranstaltung nach London zurückbringen sollte.

»Wie wär’s mit einem Tip?« sagte er, während er das Kleingeld zählte.

»Wie wär’s mit Template im Winter-Cup?« meinte ich.

»Na, ich weiß nicht. Ich glaub’, dieser Finn taugt nichts. Er soll doch völlig fertig sein.«

»Glauben Sie nicht alles, was Sie hören«, sagte ich lächelnd.

»Bis später.«

»Bis später.«

Ich ging durch das Tor und machte mich auf den Weg zum Wiegeraum. Die Zeiger der Uhr wiesen auf fünf nach eins. Sid, James’ erster Pferdepfleger, stand vor dem Wiegeraum, und als er mich sah, kam er mir entgegen und sagte: »Sie sind also doch da.«

»Ja«, sagte ich. »Warum nicht?«

»Der Chef hat mich als Wache aufgestellt. Ich soll ihm sofort Bescheid geben, wenn Sie da sind. Er ist gerade

beim Essen ... es wird gemunkelt, daß Sie nicht kommen wollten, verstehen Sie?« Er hastete davon.

Ich ging durch den Wiegeraum in den Umkleidesaal.

»Na so was«, sagte mein Bursche. »Ich dachte, Sie kneifen.«

»Sie sind also doch gekommen«, meinte Cloony.

»Wo, zum Teufel, bist du gewesen?« fragte Tick-Tock.

»Warum glauben denn alle, daß ich nicht mitmache?« fragte ich.

»Keine Ahnung. Irgendein Gerücht. Alle haben behauptet, du hättest am Donnerstag wieder Angst bekommen und den Rennsport endgültig aufgegeben.«

»Sehr interessant«, sagte ich grimmig.

»Denk nicht mehr dran«, meinte Tick-Tock. »Du bist hier, darauf kommt’s an. Ich habe heute früh bei dir angerufen, aber deine Vermieterin sagte, du seist die ganze Nacht nicht dagewesen. Ich wollte fragen, ob ich nach dem Rennen heute den Wagen haben kann und du dich von Axminster mitnehmen läßt. Ich habe ein tolles Mädchen kennengelernt. Sie ist hier, und wir gehen nachher aus.«

»Den Wagen?« sagte ich. »Oh, ja, sicher. Wir treffen uns nach dem letzten Rennen vor dem Wiegeraum, dann zeig’ ich dir, wo er steht.«

»Großartig«, sagte er. »Hör mal, fühlst du dich ganz wohl?«

»Ja, selbstverständlich.«

»Du siehst ein bißchen mitgenommen aus«, meinte er. »Jedenfalls recht viel Glück mit Template - du weißt ja Bescheid.«

Ein Funktionär steckte den Kopf zur Tür herein und rief meinen Namen. James wartete im Wiegeraum.

»Wo sind Sie gewesen?« fragte er.

»In London«, sagte ich. »Was ist das für ein Gerücht, daß ich nicht komme?«

»Weiß der Himmel«, meinte er achselzuckend. »Ich war überzeugt davon, daß Sie nicht wegbleiben würden, ohne mir Bescheid zu sagen, aber ...«

»Nein«, sagte ich. »Natürlich nicht.« Außer ich hinge noch in einer verlassenen Sattelkammer, dachte ich, für’s ganze Leben verkrüppelt.

Er wechselte das Thema und begann über das Rennen zu sprechen.

»Der Boden ist noch ein bißchen gefroren«, berichtete er, »aber das ist nur zu unserem Vorteil.«

Ich sagte ihm, daß ich gestern die Bahn abgeschritten sei und genau wüßte, wo wir uns in acht nehmen müßten.

»Gut«, sagte er.

Ich sah, daß er zur Abwechslung einmal aufgeregt war. Seine Augen glitzerten, und er lächelte fast ständig. Die Vorfreude auf den Sieg. Wenn ich nicht eine so furchtbare Nacht und einen so anstrengenden Vormittag hinter mir gehabt hätte, wäre ich in derselben Stimmung gewesen.

Statt dessen sah ich dem Rennen ohne große Freude entgegen, weil ich aus Erfahrung wußte, daß ein Ritt im verletzten Zustand kein Vergnügen war. Trotzdem hätte ich meinen Platz auf Template für nichts in der Welt hergegeben.

Als ich in den Umkleideraum zurückging, um Breeches und Pullover anzuziehen, waren die für das erste Rennen gemeldeten Jockeis schon verschwunden. Es war leer und still. Ich ging zu meinem Platz, wo alles bereit lag und setzte mich eine Weile auf die Bank. Mein Gewissen hätte mich eigentlich quälen sollen. James und Lord Tirrold hat-ten ein Recht darauf, ihren Jockei bei einem derart wichtigen Rennen in erstklassiger körperlicher Verfassung vorzufinden, und das war nun ganz und gar nicht der Fall. Ich starrte auf meine behandschuhten Hände hinunter und dachte, wenn wir alle Verletzungen zugäben, wären wir die meiste Zeit auf der Tribüne und müßten zusehen, wie andere auf unseren Pferden gewännen. Es war nicht das erste Mal, daß ich Besitzer und Trainer eines Pferdes auf diese Weise hinterging und trotzdem ein Rennen gewann, hoffentlich auch nicht das letzte Mal.