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»Sie werden draußen erwartet, wußten Sie das?« fragte er.

Ich nickte. Er hielt mir einen Kamm hin.

»Richten Sie sich ein bißchen her.«

Ich nahm gehorsam den Kamm, bändigte mein Haar und ging hinaus.

Die Pferde waren weggeführt worden. An ihrer Stelle stand ein Tisch mit dem Winter-Cup und anderen Trophäen, dahinter eine Gruppe von Funktionären und Angehörigen der Rennleitung sowie des National Hunt Committees. Und Maurice Kemp-Lore.

Es war ein Glück, daß ich ihn sah, bevor er den Blick auf mich richtete. Meine Kopfhaut zog sich bei seinem Anblick zusammen, Ekel schüttelte mich. Wenn er das gesehen hätte, wäre ihm die Bedeutung dieses Vorgangs nicht verborgen geblieben.

James stand plötzlich neben mir. Er folgte meinem Blick.

»Warum sehen Sie so grimmig drein?« sagte er. »Er hat nicht einmal versucht, Template zu dopen.«

»Nein«, gab ich zu. »Er war wohl mit seiner Arbeit zu sehr beschäftigt.«

»Er hat es endgültig aufgegeben«, meinte James zuversichtlich.

»Er muß eingesehen haben, daß es keinen Zweck hat, andere Leute davon zu überzeugen, Sie hätten den Mut verloren. Nach Ihrem Rennen am Donnerstag war es aus.«

Es war meine verwegene Reitattacke am Donnerstag gewesen, die Kemp-Lore veranlaßte, mich am Freitag seiner Sonderbehandlung zu unterziehen. Das war mir völlig klar.

»Haben Sie jemandem von dem Zucker erzählt?« fragte ich James.

»Nein«, sagte er. »Sie hatten mich ja ausdrücklich gebeten, es nicht zu tun. Aber ich glaube, daß wir etwas unternehmen müssen. Beweis hin, Beweis her ...«

»Würden Sie bis nächsten Samstag warten?« fragte ich. »Genau eine Woche? Dann können Sie tun, was Sie wollen.«

»Meinetwegen«, sagte er langsam. »Ich glaube aber immer noch .«

Das Eintreffen des Ehrengastes am Trophäentisch, einer hübschen Herzogin, die mit gutgewählten Worten und freundlichem Lächeln Lord Tirrold den Winter-Cup, James ein silbernes Tablett und mir ein Zigarettenkästchen überreichte, unterbrach ihn. Ein Pressefotograf ließ das Blitzlicht aufflammen, als wir drei beieinanderstanden und unsere Preise bewunderten, und dann gaben wir sie an einen Funktionär zurück, damit er unsere und Templates Namen eingravieren ließ.

Als ich das Zigarettenkästchen übergab, hörte ich Kemp-Lores Stimme hinter mir, und ich hatte Zeit, mein Gesicht in Gewalt zu bekommen, bevor ich mich umdrehte.

Ich wandte mich ihm zu und begegnete seinen Augen. Sie waren durchdringend blau und sehr kalt, aber es war ihnen keinerlei Reaktion anzumerken, als ich ihren Blick erwiderte. Ich fühlte mich ein wenig erleichtert. Er hatte in meinem Gesicht die Bestätigung gesucht, aber nicht gefunden, daß ich wußte, wer mich am Abend zuvor entführt hatte.

»Rob Finn«, sagte er mit einer charmanten Fernsehstimme, »ist der Jockei, den Sie eben auf seinem Wunderpferd Template dem Sieg zueilen sahen.« Er sprach in ein Handmikrophon, hinter dem sich ein endloses schwarzes Kabel herschlängelte und sah abwechselnd mich und eine Kamera auf einer Plattform in der Nähe an. Das rote Auge der Kamera glühte. Ich gürtete innerlich meine Lenden und bereitete mich darauf vor, all seinen hinterlistigen Einwänden zuvorzukommen.

»Es hat Ihnen sicher Spaß gemacht, auf ihm zu sitzen?« meinte er.

»Es war wunderbar«, sagte ich nachdrücklich und strahlte über das ganze Gesicht. »Es ist für jeden Jockei ein tolles Erlebnis, ein so großartiges Pferd zu reiten. Natürlich«, fuhr ich fort, bevor er etwas sagen konnte, »bin ich nur durch einen glücklichen Zufall in diese Situation gekommen. Wie Sie wissen, habe ich in den letzten Monaten Pip Pankhursts Platz eingenommen, während sein Bein heilt, und der heutige Sieg gehört eigentlich ihm. Es geht ihm zum Glück schon viel besser, und wir freuen uns alle, daß er bald wieder in den Sattel steigen kann.« Ich meinte es ernst; wenn ich auch dann weniger Ritte bekommen würde, der ganze Rennsport konnte nur gewinnen, wenn der Champion wieder seinen Platz einnahm.

Kemp-Lores Mundwinkel zuckten ein wenig. »In der letzten Zeit lief es für Sie nicht ganz so gut ...«:, begann er.

»Nein«, unterbrach ich ihn herzlich. »Ist es nicht merkwürdig, wie häufig solche Pechsträhnen auftreten? Wußten Sie, daß Doug Smith einmal hintereinander neunundneunzig Verlierer geritten hat? Das muß gräßlich gewesen sein. Dagegen verblassen meine guten zwanzig Mißerfolge.«

»Sie waren also nicht besorgt über ... äh. über diese Pechsträhne, die Sie durchmachen mußten?« Sein Lächeln wirkte gezwungen.

»Besorgt?« wiederholte ich fröhlich. »Na ja, ich war nicht gerade begeistert, aber solche Pechsträhnen hat schon jeder Jockei durchgemacht, und man muß sie einfach durchstehen, bis wieder einmal ein Sieg dabei ist wie heute«, fügte ich hinzu.

»Die meisten Leute sahen dahinter mehr als Pech«, sprach er scharf. Seine Freundlichkeit hatte einen argen Sprung, und für einen Sekundenbruchteil sah ich in seinen Augen die Wut aufzucken, die er zu beherrschen versuchte. Ich verspürte große Befriedigung und lächelte ihn nur um so strahlender an.

»Die Leute glauben alles, wenn es ihnen an die Tasche geht«, meinte ich. »Leider haben viele der Zuschauer Geld verloren, die auf meine Pferde gewettet haben ... da ist es nur natürlich, daß man dem Jockei die Schuld gibt ... damit muß man sich eben abfinden.«

Erhörte mir zu, während ich reparierte, was er kaputtgemacht hatte, und er konnte mich nicht bremsen, ohne sich bloßzustellen; nichts ist der Popularität eines Fernsehkommentators abträglicher, als wenn er sich als schlechten Sportsmann zu erkennen gibt.

Er war im rechten Winkel zu mir, mit dem Profil zur Kamera gestanden, aber jetzt tat er einen Schritt auf mich zu und drehte sich, bis er links neben mir stand. Seine Lippen wurden schmal, und in gewisser Weise bereitete mich das auf seine nächste Aktion vor.

Mit einer großartigen Geste, die auf dem Bildschirm wie ehrlich gemeinte Freundschaft ausgesehen haben mußte, legte er mir den rechten Arm schwer auf die Schultern, so daß der rechte Daumen vorne auf dem Schlüsselbein lag und die Finger über den Schultergürtel gespreizt waren. Ich stand ganz ruhig, wandte ihm den Kopf zu und lächelte süß. Selten war mir etwas so schwergefallen.

»Erzählen Sie uns doch etwas über das Rennen, Rob«, bat er, das Mikrophon näherbringend. »Wann nahmen Sie an, daß Sie gewinnen würden?« Sein Arm fühlte sich an wie ein Zentnergewicht, eine beinahe unerträgliche Last auf meinen schmerzenden Muskeln. Ich nahm meine ganze Beherrschung zusammen.

»Oh ... als ich zum letzten Hindernis kam«, sagte ich, »dachte ich, daß Template schnell genug sein könnte, um Emerald auf der flachen Strecke zu schlagen. Er ist ja im Finish sehr schnell, wie Sie wissen.«

»Ja, selbstverständlich.« Er preßte mir die Finger stärker in den Schultergürtel und schüttelte mich mit gespielter Freundlichkeit. Alles begann sich um mich zu drehen, die Umgebung verschwamm vor meinen Augen. Ich lächelte weiter, konzentrierte mich verzweifelt auf das gutaussehende Gesicht vor mir und wurde durch einen Ausdruck von Verwirrung und Enttäuschung in seinen Augen belohnt.

Er wußte, daß unter seinen Fingern sich Stellen befanden, die Berührung nicht ertragen konnten, aber er war sich nicht darüber im klaren, wieviel Mühe es gekostet hatte, mich aus der Sattelkammer zu befreien. Ich wollte ihn in dem Glauben lassen, daß es ganz einfach gewesen war, daß die Fesseln abgerutscht waren oder ich den Zaumzeughaken leicht aus der Decke hatte reißen können. Ich wollte ihm nicht einmal den Trostpreis gönnen, zu wissen, daß es ihm beinahe gelungen wäre, mich an dem Ritt auf Template zu hindern.

»Und wie lauten Templates Pläne für die Zukunft?« Er gab sich Mühe, normale Konversation zu treiben.

»Da wäre der Gold Cup in Cheltenham«, sagte ich. Ich konnte nicht mehr beurteilen, ob es mir noch gelang, gleichmütig zu erscheinen, aber in seinem Gesicht war immer noch kein Triumph zu bemerken, so daß ich fortfuhr: »Ich nehme an, daß er dort in drei Wochen läuft. Wenn alles gut geht, versteht sich.«