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»Ich glaube nicht, daß er es länger durchgehalten hat als unbedingt nötig. Nur so lange, um unerkannt vom Timber-ley nach Cheltenham zu kommen.«

Ich steckte die Unterlagen in große Umschläge und klebte sie zu. Einen adressierte ich an den Vorsitzenden und vier gewichtige Mitglieder des National Hunt Committee. Einen an den Generaldirektor der Universal Television, einen an Ballerton und einen an Corin Kellar, um ihnen die tönernen Füße ihres Idols zu zeigen. Einen an James. Und einen an Maurice Kemp-Lore.

»Kann er dich nicht wegen Verleumdung verklagen?« fragte Joanna, die mir über die Schulter sah.

»Ausgeschlossen«, sagte ich. »Bei Verleumdungsklagen gibt es die Begründung, daß man in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. Man muß nur beweisen können, daß die Behauptungen stimmen, das ist alles.«

»Hoffentlich hast du recht«, sagte sie zweifelnd, während sie die Briefmarken aufklebte.

»Mach dir keine Sorgen. Er verklagt mich nicht«, bemerkte ich entschieden.

Ich legte neun Umschläge auf das Bücherregal und den zehnten, den Umschlag ohne Briefmarken für Kemp-Lore, quer.

»Wir geben die Briefe am Freitag auf«, sagte ich. »Und den einen stelle ich selber zu.«

Donnerstag morgen um halb neun führte Joanna das Telefongespräch, von dem so viel abhing.

Ich wählte die Nummer von Kemp-Lores Londoner Wohnung. Als das Freizeichen ertönte, hörten wir ein Knacken, dann bat uns ein automatischer Anrufbeantworter, mitzuteilen, was wir wünschten. Joanna hob die Brauen; ich schüttelte den Kopf, und sie legte auf, ohne etwas zu sagen.

»Nicht zu Hause«, sagte ich unnötigerweise. »Verflucht.«

Ich gab ihr die Nummer vom Haus seines Vaters in Essex, und kurze Zeit später war die Verbindung hergestellt. Sie sprach mit der Person, die sich meldete, nickte mir zu, legte die Hand auf die Muschel und sagte: »Er ist da. Sie holen ihn. Ich ... ich hoffe nur, daß ich nichts verpfusche.«

Ich schüttelte ermutigend den Kopf. Wir hatten genau geprobt, was sie sagen mußte. Sie befeuchtete die Lippen und sah mich ängstlich an.

»Oh? Mr. Kemp-Lore?« Sie konnte großartig den Cockney-Dialekt nachahmen, ohne zu übertreiben.

»Sie kennen mich nicht, aber ich hab’ mir überlegt, ob ich Ihnen was sagen soll, was Sie in Ihrer Sendung gebrauchen können. Ich bewundere Ihre Sendung, wirklich. Sie ist prima, ich hab’ mir immer gedacht ...«

Seine Stimme quakte aus dem Hörer und unterbrach ihren Redeschwall.

»Was für Informationen?« wiederholte Joanna. »Na ja, Sie wissen schon, was so über die Sportleute geredet wird, die Aufputschungsmittel und Spritzen und dergleichen bekommen, und da hab’ ich mir gedacht, ob es Sie interessieren würde, daß das auch Jockeis tun ... Ich weiß es nur von einem, aber dann tun es sicher alle, wenn man nur dahinter käme . Welcher Jockei? Oh . äh . Robby Finn, Sie wissen schon, mit dem Sie am Samstag im Fernsehen geredet haben, nachdem er gewonnen hat. Er war natürlich wieder aufgeputscht, haben Sie das nicht gemerkt? Sie sind so nah bei ihm gestanden, daß ich mir gedacht hab’ ... Woher ich das weiß? Na ja, ich weiß es ... Sie wollen wissen, woher ich’s weiß ... na ja, ich hab’ ihm mal ein paar Sachen besorgt, ich arbeite bei einem Arzt ... da putz’ ich, wissen Sie ... und er hat mir gesagt, was ich bringen soll. Hören Sie mal, ich will keine Schwierigkeiten, das wollt’ ich nicht ... ich glaub’, ich häng’ lieber auf ... ich soll nicht auflegen? Sie sagen es bestimmt nicht weiter, daß ich die Sachen genommen hab?

Warum ich Ihnen das sag’ ... er hat mich im Stich gelassen, der gemeine Kerl. Und ich hab’ so viel für ihn getan ... Ich wollte eigentlich einem Reporter Bescheid sagen, aber ich hab’ mir gedacht, vielleicht interessiert es Sie auch. Ich kann ja auch eine Zeitung anrufen, wenn Sie lieber ... nachprüfen, was heißt nachprüfen? ... Sie können mir das am Telefon nicht abnehmen. Na ja. Sie können zu mir kommen, wenn Sie wollen ... nein, heute nicht, ich bin den ganzen Tag in der Arbeit. Ja, gut, morgen vormittag. Wie Sie hinkommen? ... Sie fahren nach Newbury und dann Richtung Hungerford ...« Sie erklärte ihm genau den Weg, und er schrieb sich alles auf. »Das ist das einzige Haus dort, Sie können es nicht verfehlen. Ja, ich warte auf Sie, gegen elf. Gut. Wie ich heiße? ... Doris Jones. Ja. Stimmt. Mrs. Doris Jones ... Wiederhören.« Im Hörer knackte es, als er auflegte.

Sie legte langsam den Hörer auf die Gabel und sah mich ernsthaft an. »Er hat es geschluckt«, sagte sie.

Als die Banken öffneten, machte ich mich auf den Weg und hob hundertfünfzig Pfund ab. Joanna hatte recht; was ich tat, war kompliziert und teuer; aber Kemp-Lore hatte auch Geld ausgeben und Komplikationen in Kauf nehmen müssen, wenigstens erwies ich ihm das Kompliment, seine Methoden zu kopieren. Um das Geld tat es mir nicht leid; wozu ist es gut, wenn man damit nicht erreicht, was man will? Was ich wollte, ob bewundernswert oder nicht, war, ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen.

Ich fuhr zu dem Farmer, der mir versprochen hatte, mir den Land Rover mit Anhänger zu leihen. Als ich gegen Mittag dort ankam, standen die Fahrzeuge bereit, und bevor ich wegfuhr, kaufte ich dem Farmer zwei Ballen Stroh und einen Ballen Heu ab, die wir hinten im Land Rover verstauten. Ich versprach ihm, am Abend zurück zu sein, und machte mich auf den Weg, um die erste Verabredung mit einem Pferdeverkäufer einzuhalten.

Das erste Jagdpferd, ein alter grauer Wallach in Northamptonshire, war so lahm, daß er kaum aus der Box konnte, und selbst die verlangten sechzig Pfund waren zu viel für ihn. Ich schüttelte den Kopf und fuhr nach Leicestershire.

Bei dem zweiten Besuch fand ich eine braune Stute vor, die zwar ganz gut ging, aber nicht viel Luft hatte, wie ich bei einem kurzen Proberitt herausfand. Sie war groß, ungefähr zwölf Jahre alt und schlacksig, aber ruhig und recht geduldig; sie stand nur zum Verkauf, weil sie nicht so schnell ging, wie es ihr Besitzer wünschte. Ich handelte ihn von hundert Pfund auf fünfundachtzig herunter und schloß das Geschäft ab; dann lud ich die Stute, die Buttonhook hieß, in den Anhänger und fuhr nach Süden, Richtung Berkshire.

Drei Stunden später, um halb sechs, steuerte ich den Land Rover auf den Weg zu dem kleinen Haus und hielt hinter dem Gebüsch in einiger Entfernung vom Garten. Buttonhook mußte im Anhänger warten, während ich das Stroh hineintrug und in dem Zimmer mit den Eisenrohren am Boden ausbreitete, ihr einen Eimer Wasser aus der Regentonne brachte und einen Arm voll Heu ins Zimmer trug und in die Ecke hinter der Tür warf.

Buttonhook kam brav aus dem Anhänger heraus und machte keine Schwierigkeiten, als ich sie durch den Garten ins Haus und durch die Diele in den für sie hergerichteten Raum führte. Ich gab ihr Zucker und kraulte sie hinter den Ohren. Da sie sich recht wohlzufühlen schien, ging ich nach einer Weile in die Diele hinaus, machte die Tür zu und brachte das schwere Schloß an. Dann ging ich um das Haus herum und rüttelte an den Gitterstäben, um zu sehen, ob sie auch hielten. Sie waren fest einzementiert. Die Stute kam ans Fenster und versuchte, den Kopf hinauszustecken, aber es ging nicht. Ich steckte die Hand hinein, streichelte ihre Nüstern, und sie blies mich zufrieden an. Dann drehte sie sich um, ging zu der Ecke, wo das Heu lag, und begann zu fressen.

Ich warf das restliche Heu und Stroh in eines der vorderen Zimmer, schloß die Eingangstür, manövrierte den

Anhänger mühsam auf den Weg zurück und fuhr nach Bedfordshire. Ich lieferte den Land Rover mit dem Anhänger beim Besitzer ab, bedankte mich und fuhr mit dem Leihwagen zu Joanna zurück.

Als ich eintrat, küßte sie mich. Sie sprang vom Sofa auf, wo sie gelesen hatte, und küßte mich auf den Mund. Das geschah ganz spontan, ohne Überlegung und überraschte uns beide. Ich legte ihr die Hände auf die Arme, lächelte sie ungläubig an und sah die Überraschung in ihren schwarzen Augen zu Verwirrung und schließlich zu Angst werden. Ich nahm die Hände weg und wandte mich ab, um ihr Zeit zu lassen, zog den Anorak aus und sagte gelassen über die Schulter: »Der Mieter ist im Haus. Eine große, braune Stute, sehr brav.«