Er zuckte zusammen, und erst jetzt schien ihm klarzuwerden, daß er seine Freiheit nicht so ohne weiteres erlangen werde.
Als ich nach einer halben Stunde, während der ich ihn abwechselnd gegen die Tür treten und zum Fenster hinaus um Hilfe hatte schreien hören, zu ihm zurückkehrte, nahm er nicht mehr an, daß ich ihn den ganzen Weg von London hierher gelockt und mir die Mühe gemacht hatte, ein Zimmer in einen Stall zu verwandeln, nur um ihn bei der ersten Beschwerde wieder frei zu lassen.
Als ich wieder ans Fenster trat, sah ich, daß er Buttonhook abwehrte, die ihn zärtlich beschnupperte. Ich lachte roh, und er schien vor Wut beinahe zu ersticken.
»Nehmen Sie sie weg«, schrie er. »Sie läßt mich nicht in Ruhe! Ich kann nicht atmen!« Er hielt sich mit einer Hand an einem Rohr fest und schlug mit der anderen nach Buttonhook.
»Sie müssen nur nicht so viel Lärm machen, dann geht sie wieder zu ihrem Heu.«
Er starrte mich durch das Eisengitter an, das Gesicht von Wut, Haß und Angst verzerrt. Sein Asthma war wesentlich schlimmer geworden. Er hatte den Kragen aufgeknöpft, die Krawatte nach unten gezogen, und ich sah die heftigen Atembewegungen.
Ich legte das Paket Würfelzucker, das ich mitgebracht hatte, auf das Fensterbrett und zog die Hand schnell zurück, als er sie packen wollte.
»Legen Sie ein paar Stückchen Zucker auf das Heu. Nur zu«, meinte ich, als er zögerte. »Der ist nicht gedopt.«
Sein Kopf zuckte hoch. Ich sah grimmig in seine Augen.
»Achtundzwanzig Pferde!« sagte ich. »Angefangen hat es mit Shantytown. Achtundzwanzig schläfrige Pferde, die alle aus Ihrer Hand Zucker genommen haben, bevor sie ins Rennen gingen.«
Er nahm das Paket, riß es ungestüm auf und streute die Zuckerstücke auf das Heu in der anderen Ecke. Buttonhook, die ihm gefolgt war, senkte den Kopf und begann zu kauen. Er kam keuchend ans Fenster.
»Das machen Sie nicht ungestraft«, drohte er. »Ich bring’ Sie dafür ins Gefängnis. Ich sorge dafür, daß man Sie fertigmacht.«
»Strengen Sie sich nicht so an«, sagte ich brüsk. »Ich habe Ihnen allerhand zu sagen. Wenn Sie sich dann noch bei der Polizei über die Behandlung beschweren wollen, meinetwegen.«
»Sie werden im Gefängnis sitzen, bevor Sie Ihren Namen sagen können«, zischte er. »Beeilen Sie sich und reden Sie endlich.«
»Ich soll mich beeilen?« sagte ich langsam. »Ja, es dauert schon ein Weilchen.«
»Sie müssen mich spätestens um halb drei ‘rauslassen«, sagte er unvorsichtig. »Ich muß um fünf bei den Proben sein.«
Ich lächelte ihn an. Ich konnte spüren, daß es kein freundliches Lächeln war.
»Es ist kein Zufall, daß Sie gerade heute hier sind«, meinte ich.
Er riß den Mund auf. »Die Sendung!« sagte er.
»Muß ohne Sie stattfinden«, ergänzte ich.
»Aber Sie können doch -«, schrie er, nach Atem ringend. »Das können Sie nicht tun!«
»Warum denn nicht?« fragte ich sanft.
»Es ist ... es ist Fernsehen«, brüllte er, als sei mir das unbekannt. »Millionen Menschen wollen die Sendung sehen.«
»Dann werden eben Millionen Menschen enttäuscht sein«, meinte ich.
Er hörte auf zu schreien und sog mühsam die Luft ein. »Ich weiß«, sagte er mit sichtbarem Bemühen, sich zu mäßigen, »daß Sie mich nicht im Ernst so lange hier behalten wollen, daß ich nicht mehr rechtzeitig ins Studio komme. Also gut«, er machte eine Pause, um wieder zu Atem zu kommen, »wenn Sie mich rechtzeitig zu den Proben gehen lassen, melde ich Sie nicht der Polizei. Ich werde das alles vergessen.«
»Ich bin dafür, daß Sie jetzt den Mund halten und mir zuhören«, empfahl ich. »Es fällt Ihnen wohl schwer zu begreifen, daß mir Ihr Einfluß oder der Gipfel, auf den die Öffentlichkeit Sie gestellt hat, völlig egal ist, genau wie Ihre charmante, synthetische Persönlichkeit. Das ist alles Betrug. Darunter findet man nur ein widerwärtiges Durcheinander aus Neid, Verkrampfung und Gemeinheit. Aber ich wäre Ihnen nicht auf die Schliche gekommen, wenn Sie nicht achtundzwanzig Pferde von mir gedopt und allen Leuten erzählt hätten, ich sei feige geworden. Sie können den Nachmittag mit der Überlegung verbringen, daß Sie Ihre Sendung heute abend nicht verpassen würden, wenn Sie nicht versucht hätten, mir den Ritt auf Template zu versalzen.«
Er stand regungslos da, mit bleichem Gesicht, auf dem plötzlich Schweißperlen hervortraten. »Das ist wirklich Ihr Ernst«, flüsterte er.
»Möchte ich meinen«, entgegnete ich.
»Nein«, sagte er. Ein Muskel in seiner Wange begann zu zucken. »Das können Sie nicht. Sie haben Template geritten, Sie müssen mich die Sendung machen lassen.«
»Sie machen überhaupt keine Sendungen mehr«, sagte ich, »weder heute abend noch irgendwann später. Sie sind nicht nur aus meiner persönlichen Rachsucht hierhergebracht worden, obwohl ich nicht bestreite, daß ich Sie letzten Freitagabend am liebsten umgebracht hätte. Ich habe Sie wegen Art Mathews, Peter Cloony und Grant Oldfield hergelockt. Wegen Danny Hicks, Ingersoll und allen anderen Jockeis, die Sie fertigmachen wollten.
Sie haben auf die eine oder andere Weise erreicht, daß sie ihre Stellung verloren, und jetzt werden Sie die Ihre verlieren.«
Zum erstenmal war er sprachlos. Seine Lippen bewegten sich, aber abgesehen von dem Pfeifen und Ächzen seines Atems brachte er keinen Ton heraus. Seine Augen schienen in die Höhlen zurückzusinken, und sein Unterkiefer hing herab, so daß seine Wangen seltsam eingefallen aussahen. Er wirkte wie eine Totenkopfkarikatur des gutaussehenden charmanten Weltmanns, der er gewesen war.
Ich nahm den an ihn adressierten Umschlag aus der Tasche und hielt ihn ihm hin. Er zog ihn mechanisch entgegen. »Machen Sie ihn auf«, sagte ich. Er zog die Blätter heraus und las sie. Er las sie zweimal, obwohl seinem Gesicht anzusehen gewesen war, daß er bereits beim erstenmal das Ausmaß der Katastrophe begriffen hatte.
»Wie Sie sehen, sind das Fotokopien«, sagte ich. »Weitere Ausfertigungen sind mit der Post unterwegs zum National Hunt Committee, zu Ihrem Chef beim Fernsehen und zu ein paar anderen Leuten. Sie werden sie morgen früh haben. Und niemand wird sich mehr wundern, warum Sie heute abend nicht in Ihrer Sendung erschienen.«
Er schien sich noch immer nicht gefangen zu haben. Er konnte nicht sprechen. Seine Hände zitterten. Ich schob ihm durch das Gitter das zusammengerollte Bild hinein, das Joanna gezeichnet hatte. Er rollte das Blatt auseinander. Ich konnte sehen, daß das ein zweiter schwerer Schlag für ihn war.
»Das hab’ ich mitgebracht, damit Ihnen eindeutig klar ist, daß ich genau weiß, was Sie getrieben haben. Von vornherein wußten Sie, daß ein überall bekanntes Gesicht ein schweres Handikap ist, wenn man Dinge treibt, die man nicht ausreichend erklären konnte, zum Beispiel, wenn man einen alten Jaguar quer auf der Straße vor Peter Cloony stehen ließ.«
Wieder riß es ihm den Kopf hoch, als überrasche es ihn, daß ich soviel wußte.
Ich sagte gelassen: »Ein Bahnbeamter in Cheltenham sagte, Sie seien hübsch.« Ich lächelte schwach. In diesem Augenblick sah er ganz und gar nicht hübsch aus.
»Was den Jaguar betrifft«, fuhr ich fort, »habe ich noch keine Zeit gehabt, zu erfahren, woher er stammt, aber das läßt sich machen. Ich brauche mich nur zu erkundigen und das Kennzeichen in den Zeitungen zu veröffentlichen, den früheren Besitzer ausfindig machen ... so ungefähr. Mühsam, aber durchaus zu schaffen. Und wenn es nötig wird, kümmere ich mich darum. Wo Sie als Kunde auftreten, kennt Sie jeder. Sie müssen den Wagen in der Woche nach dem Vorfall mit dem Tanktransporter gekauft haben, weil Sie dadurch überhaupt erst auf die Idee gekommen sind. Glauben Sie, für diesen zeitlichen Zusammenhang eine plausible Erklärung beibringen zu können, nachdem Sie ihn an der bewußten Stelle abgestellt haben und gleich darauf verschwunden sind?«