Sein Mund stand offen, und der Muskel in seiner Wange zuckte.
»Die meisten Ihrer hinterhältigen Gerüchte«, sagte ich, das Thema wechselnd, »wurden für Sie von Corin Kellar und John Ballerton ausgestreut, weil Sie wußten, daß sie jeden Gedanken wiederholen würden, den Sie ihnen eingegeben hatten. Hoffentlich kennen Sie Corin gut genug, um zu wissen, daß er nie zu seinen Freunden hält. Wenn er morgen vormittag begriffen hat, was in dem Brief steht, und erfährt, daß auch andere Leute unterrichtet sind, wird kein Mensch Sie ärger belasten als er. Er wird zum Beispiel allen Leuten erzählen, daß Sie ihn auf Art Mathews gehetzt haben. Er ist nicht zu bremsen.
Sehen Sie«, schloß ich nach einer Pause, »ich halte es nur für gerecht, daß Sie soweit wie möglich genau das aushalten müssen, was Sie anderen Leuten angetan haben.«
Endlich konnte er wieder reden. Die Worte stieß er krächzend und keuchend hervor, und es machte ihm nichts mehr aus, sich bloßzustellen.
»Wie sind Sie dahintergekommen?« fragte er ungläubig.
»Letzten Freitag wußten Sie noch nichts ...«
»Doch«, sagte ich. »Ich wußte genau, wie weit Sie gegangen waren, um Peter Cloony fertigzumachen. Ich wußte, daß Sie mich so haßten, daß Sie sogar einen Asthmaanfall riskierten, nur um meine Pferde dopen zu können. Ich wußte, daß mit dem Doping Schluß war, als ich Turniptop ritt. Vielleicht interessiert es Sie auch, zu erfahren, daß James Axminster nicht zufällig Ihnen den Zucker aus der Hand geschlagen hat. Ich hatte ihn darum gebeten. Er wußte Bescheid. Ich kannte Ihre hinterhältige, fanatische Eifersucht den Jockeis gegenüber. Ich brauchte Sie letzten Freitag nicht zu sehen, um Sie zu kennen. Es gab sonst keinen Menschen, der mich ausschalten wollte.«
»Sie können das nicht alles gewußt haben«, rief er eigensinnig.
»Sie wußten ja auch am Tag danach nichts, als ich Sie nach dem Rennen interviewte.« Seine Stimme wurde leiser, er rang nach Atem und starrte mich verzweifelt an.
»Sie sind nicht der einzige, der gleichzeitig lächeln und hassen kann«, sagte ich tonlos. »Das hab’ ich von Ihnen gelernt.«
Er stöhnte auf, drehte mir den Rücken zu und verschränkte die Arme über dem Kopf in einer Haltung grenzenloser Verzweiflung. Es mag bedauerlich sein, aber er tat mir nicht im geringsten leid.
Ich ging um das Haus herum, betrat es durch die Eingangstür und setzte mich wieder auf das Heu im vorderen Zimmer. Es war dreiviertel zwei.
Der Nachmittag dehnte sich endlos.
Kemp-Lore schrie wieder eine Weile um Hilfe, aber niemand kam. Dann stieß er wieder gegen die Tür, aber er hatte keine Klinke, um daran zu zerren, und sie war zu massiv, um zu zerbrechen. Buttonhook wurde durch den Lärm wieder unruhig und begann zu scharren, und KempLore brüllte verzweifelt: »Lassen Sie mich ‘raus, lassen Sie mich ‘raus, lassen Sie mich ‘raus.«
Joanna hatte vor allem befürchtet, daß sein Asthma sich zu einem gefährlichen Anfall steigern könnte, und mich wiederholt gewarnt, vorsichtig zu sein. Ich sagte mir aber, daß er nicht ernsthaft in Gefahr sein konnte, solange er so laut schreien konnte. Ich saß da und hörte ihm zu, ohne nachzugeben. Die Stunden vergingen langsam, gekennzeichnet nur durch die Wutanfälle im Hinterzimmer, während ich mich bequem auf dem Heu ausstreckte und Tagträumen über Joanna nachhing.
Gegen fünf Uhr blieb es lange Zeit still. Ich stand auf, ging um das Haus herum und schaute durch das Fenster hinein. Er lag mit dem Gesicht nach unten im Stroh bei der Tür und rührte sich nicht.
Ich rief ihn beim Namen, aber als er sich nicht bewegte, wurde ich unruhig und entschied, daß ich nachsehen mußte, ob alles in Ordnung war. Ich kehrte in die Diele zurück, schloß die Haustür und sperrte das Schloß am Hinterzimmer auf. Die Tür öffnete sich nach innen, und Buttonhook, die den Kopf hob, begrüßte mich mit leisem Wiehern.
Kemp-Lore lebte, soviel stand fest. Seine mühsamen, gequälten Atemzüge waren deutlich zu hören. Ich bückte mich über ihn, um zu sehen, wie es ihm ging, aber ich kam nicht dazu, ihn umzudrehen oder seinen Puls zu fühlen. Als ich auf einem Knie neben ihm kauerte, warf er sich hoch und auf mich, so daß ich zu Boden stürzte, und sprang wie der Blitz zur Tür. Ich erwischte ihn beim Schuh, der fünf Zentimeter vor meinem Gesicht vorbeizischte, und riß ihn zurück. Er fiel mit dem ganzen Gewicht auf mich. Wir rollten auf Buttonhook zu, während ich mich bemühte, ihn auf dem Boden zu halten, und er sich wie ein Tiger wehrte. Die Stute bekam Angst. Sie drängte sich an die Wand, um uns auszuweichen, aber das Zimmer war klein, und unsere Rauferei führte uns zwischen Buttonhooks Füße und unter ihren Bauch. Sie stieg vorsichtig über uns hinweg und auf die offne Tür zu.
Kemp-Lores linke Hand umklammerte mein rechtes Handgelenk, was mich stark behinderte. Selbst wenn er ein Hellseher gewesen wäre, hätte er keine günstigere Stelle finden können. Ich schlug ihm mit der linken Hand ins Gesicht und auf den Hals, aber ich war zu nahe, um das ganze Gewicht dahinterlegen zu können, und hatte außerdem genug zu tun, seinen gezielten Schlägen auszuweichen.
Nachdem ihm der Vorteil der Überraschung entrissen war, schien er sich zu sagen, daß er mich nur loszuwerden vermochte, wenn er mich bei den Haaren packte und meinen Kopf gegen die Wand hämmerte, weil er das mehrmals versuchte.
Er war erstaunlich stark, weit stärker, als ich angesichts seines Asthmas erwartet hatte, und die Wut und Verzweiflung, die ihn antrieben, glühten in seinen Augen wie ein Feuer.
Er wäre wahrscheinlich Sieger geblieben, wenn mein Haar nicht so kurz gewesen wäre, aber seine Finger rutschen ab, als ich den Kopf heftig bewegte, und beim dritten Versuch, meinen Kopf an die Wand zu stoßen, gelang es mir auch, die rechte Hand zu befreien.
Ich holte aus und landete einen rechten Haken in seinen kurzen Rippen. Die Luft entwich beinahe schrill pfeifend aus seiner Lunge. Er wurde graugrün im Gesicht, glitt schlaff von mir herunter, keuchend, würgend und verzweifelt nach Luft ringend. Ich zerrte ihn hoch und taumelte mit ihm zum Fenster, wo ihm die frische Luft ins Gesicht wehte. Nach drei oder vier Minuten kehrte Farbe in sein Gesicht zurück, sein Brustkorb beruhigte sich, und Kraft schien in seine Beine zurückzukehren.
Ich klemmte seine Finger um den Fensterrahmen und ließ ihn los. Er schwankte ein bißchen, hielt sich aber fest, und einen Augenblick später stolperte ich zur Tür hinaus und brachte das Schloß wieder an.
Buttonhook war inzwischen ins vordere Zimmer gewandert und fraß dort geruhsam Heu. Ich lehnte mich erschöpft an die Wand und sah ihr zu, während ich mich innerlich für meine Dummheit verfluchte. Ich war mitgenommen, nicht nur durch den Kampf selbst, sondern auch durch die Kraft, mit der Kemp-Lore gekämpft hatte. Und durch die schockierende Wirkung meines letzten Schlages. Ich hätte mir darüber im klaren sein müssen, daß man einen Asthmatiker nicht mit einem derartigen Schlag kampfunfähig machen durfte.
Im Hinterzimmer war es still. Ich richtete mich auf und ging ums Haus herum zum Fenster. Er stand da, hielt sich noch immer am Rahmen fest, während ihm die Tränen übers Gesicht liefen.
Er atmete wieder normaler, das Asthma war abgeklungen, und schlimmer konnte es jetzt nicht mehr werden, weil Buttonhook sich nicht mehr bei ihm aufhielt.
»Verdammter Dreckskerl«, sagte er. »Verdammter Dreckskerl, verdammter Dreckskerl.«
Es gab nichts zu sagen.
Ich ging wieder zu Buttonhook und legte ihr das Halfter an. Ich hatte mich eigentlich erst später mit ihr befassen wollen, nachdem Kemp-Lore frei war, aber unter den gegebenen Umständen beschloß ich, es sofort zu tun, solange es noch hell war.
Ich führte sie aus dem Haus und durch das Gartentor, stieg auf und ritt zwischen den beiden im Gebüsch verborgenen Autos auf den Hügel hinauf.