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Meine Cousine Joanna war der Grund, warum ich noch Junggeselle war, wenn man mit sechsundzwanzig Jahren da überhaupt einen Grund braucht. Sie war drei Monate älter als ich, was sie von Anfang an mir gegenüber in Vorteil gebracht hatte, und das bedauerte ich sehr, weil ich von Kindheit an in sie verliebt war. Ich hatte schon mehrere Male vom Heiraten gesprochen, aber sie lehnte immer ab. Als Cousin und Cousine, erklärte sie entschieden, seien wir zu eng verwandt. Außerdem, so fügte sie hinzu, trüge ich nicht zur Beschleunigung ihrer Pulszahl bei.

Das war jedoch zwei anderen Männern gelungen, beide Musiker. Und jeder hatte mir, zu seiner Zeit, auf die freundlichste Art und Weise erzählt, wie entscheidend ihre Verbindung mit Joanna ihre Lebensanschauung gefördert, ihrer musikalischen Eingebungskraft neue Impulse verliehen, neue Wege eröffnet habe und so weiter. Sie waren beide von starken Gefühlen bewegt, recht nachdenkliche, leider aber auch unbestreitbar gut aussehende Männer, und mir gefiel gar nicht, was sie zu sagen hatten. Beim ersten, als ich achtzehn war, fuhr ich betrübt und hastig ins Ausland und kam aus diesen oder jenen Gründen erst sechs Jahre später zurück. Bei der zweiten Gelegenheit ging ich sofort zu einer wilden Party, betrank mich zum ersten und einzigen Male in meinem Leben bis zur Bewußtlosigkeit und erwachte in Paulinas Wohnung. Beide Abenteuer hatten sich für mich als befriedigend und lehrreich erwiesen. Aber meine Gefühle für Joanna waren immer noch dieselben.

Sie schob ihren leeren Teller weg und sagte: »Also, was ist los?«

Ich erzählte ihr von Art, und als ich fertig war, sagte sie: »Der arme Mann. Und seine arme Frau ... Warum hat er das getan?«

»Ich glaube, weil er seine Stellung verloren hat«, erwiderte ich.

»Art war in allen Dingen auf Vollkommenheit aus. Er war zu stolz ... Er hat es nie zugegeben, wenn ihm in einem Rennen einmal ein Fehler unterlaufen ist ... Und ich glaube, er konnte es einfach nicht ertragen, den Leuten gegenüberzutreten, die von der Entlassung wußten. Aber das Merkwürdigste an der Sache ist, daß ich ihn so gut wie eh und je fand. Ich weiß, daß er fünfunddreißig war, aber für einen Jockei ist das doch noch gar kein Alter, und obwohl jeder sehen konnte, daß er und Corin Kellar, der Trainer, für den er ritt, immer miteinander stritten, wenn ihre Pferde nicht gewannen, hat er von seiner Geschicklichkeit nichts verloren gehabt. Er wäre auch anderswo untergekommen, wenn schon nicht in einem der großen Ställe wie dem von Corin.«

»Da gibt’ s kaum noch einen Zweifel«, meinte sie. »Lieber tot als auf dem absteigenden Ast.«

»Ja, sieht so aus.«

»Hoffentlich wirst du, wenn es einmal soweit ist, nicht auf so drastische Weise abtreten.«

Ich lächelte, und sie fügte hinzu: »Und was willst du eigentlich tun, wenn du aufhörst?« »Aufhören? Ich hab’ doch erst angefangen«, sagte ich.

»Und in fünfzehn Jahren bist du ein zweitklassiger, ramponierter, bitterer Ex-Jockei Anfang Vierzig, zu alt, um noch etwas aus deinem Leben zu machen und mit nichts als Pferdegeschichten, die keiner hören will.« Sie schien sich über diese Aussichten zu ärgern.

»Du dagegen wirst eine dicke, ältere Ersatzsängerin für eine Altistin sein, ängstlich bemüht um dein Aussehen, während dir klar sein wird, daß die wertvollen Stimmbänder von Jahr zu Jahr mehr nachlassen.«

Sie lachte. »Wie schrecklich. Aber ich seh’s ein. Von jetzt an werde ich mich bemühen, deinen Beruf nicht mehr zu mißbilligen, nur, weil er keine Zukunft hat.«

»Aber du mißbilligst ihn aus anderen Gründen?«

»Selbstverständlich. Er ist im Grunde frivol, unproduktiv, wirklichkeitsfremd, und er ermutigt die Leute, Zeit und Geld an Unwichtiges zu verschwenden.«

»Wie bei der Musik«, sagte ich.

Sie funkelte mich grimmig an. »Dafür spülst du ab«, sagte sie, stand auf und stellte die Teller zusammen.

Während ich für die in der Familie Finn schlimmste Ketzerei Buße leistete, arbeitete sie an dem Porträt weiter, aber es begann zu dunkeln, und als ich eine Versöhnungsgabe in Gestalt frischen Kaffees hereinbrachte, gab sie für diesen Tag auf.

»Funktioniert dein Fernsehapparat?« fragte ich und gab ihr eine Tasse.

»Ja, ich glaube schon.«

»Stört es dich, wenn wir eine Viertelstunde aufmachen?«

»Wer spielt denn?« fragte sie automatisch.

Ich seufzte. »Niemand. Es geht um ein Rennsportprogramm.«

»Oh, na ja, wenn es sein muß.« Aber sie lächelte.

Ich schaltete ein, und wir sahen den Schluß einer Unterhaltungssendung. Die Lieder der letzten Sängerin, einer beachtlichen Blondine, gefielen mir, aber Joanna bemängelte, kritisch gesonnen, ihre Atemtechnik. Dann kam eine Werbesendung, und schließlich kündigten die schmetternden Eingangstakte des >Galloping Major<, begleitet von übereinandergeblendeten Zeitrafferaufnahmen von Rennszenen, die wöchentliche Viertelstunde für den Pferderennsport an, die den Namen >Neues vom Turf< trug.

Das wohlbekannte, markante Gesicht Maurice Kemp-Lores tauchte auf dem Bildschirm auf, lächelnd und selbstsicher. In seiner eleganten, charmanten Art stellte er den Gast des Abends vor, einen prominenten Buchmacher, und das Thema des Abends, die Berechnung der Rennquoten.

»Aber zuerst«, sagte er, »möchte ich dem Hindernisjockei Art Mathews ein paar Worte des Gedenkens widmen, der heute auf dem Rennplatz Dunstable durch eigene Hand ums Leben gekommen ist. Viele von Ihnen, liebe Zuschauer, haben ihn reiten sehen ... Nahezu alle von Ihnen werden im Fernsehen übertragene Rennen verfolgt haben, in denen er dabei war ... und Sie werden, wie ich, entsetzt darüber sein, daß eine so lange und erfolgreiche Laufbahn auf diese tragische Weise enden mußte. Wenngleich Art nie Champion war, gehörte er zu den sechs besten Hindernisreitern in unserem Land, und sein aufrechter, unbestechlicher Charakter war ein großartiges Beispiel für junge Jockeis, die sich ihre ersten Sporen zu verdienen haben .«

Joanna sah mich an und hob eine Braue, während Maurice Kemp-Lore, den rühmenden Nachruf auf Art elegant zu Ende führend, erneut den Buchmacher vorstellte, der auf klare und faszinierende Weise zeigte, wie man sich unter die Gewinner von Pferdewetten einreihte. Sein Vortrag, illustriert mit Filmen und gezeichneten Diagrammen, beschrieb die von einer Minute auf die andere zu fällenden Entscheidungen, die sie im großen Londoner Kursbüro zu treffen hatten, und war durchaus auf dem hohen Niveau der anderen Sendungen von Kemp-Lore.

Kemp-Lore dankte ihm und beschloß die Viertelstunde mit einer Vorschau auf die Rennen der kommenden Woche, wobei er keine Tips gab, sondern Informationen über Menschen und Pferde auf der Grundlage, daß das Ergebnis eines Rennens größeres Interesse beanspruchen durfte, wenn das Publikum über die Starter gut unterrichtet war. Seine Anekdoten waren stets interessant oder spaßig, und ich hatte schon oft gehört, daß er den meisten Rennsportjournalisten ein Dorn im Auge war, weil er häufig mit großem Vorsprung sensationelle Nachrichten verkünden konnte.

Er verabschiedete sich mit: »Auf Wiedersehen nächste Woche um die gleiche Zeit«, und mit ein paar Takten der Erkennungsmelodie ging die Sendung zu Ende.

Ich schaltete das Gerät ab.

»Siehst du dir das jede Woche an?« fragte Joanna.

»Ja, wenn ich Zeit habe«, sagte ich. »Für Leute vom Fach unentbehrlich. Die Sendung ist voll von Dingen, die man einfach nicht versäumen darf, und häufig hat er Gäste, die ich kenne.«

»Mr. Kemp-Lore kann also etwas?« meinte sie.

»Und ob. Das ist bei ihm erblich. Sein Vater ritt in den dreißiger Jahren im Grand National einen Sieger und ist jetzt ein großer Mann im National Hunt Committee, dem entscheidenden Ausschuß im Hindernisrennsport.«

»Oh. Und hat Mr. Kemp-Lore selbst einen Grand Na-tional-Sieger geritten?« fragte sie.