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»Es tut mir jetzt selber Leid«, gestand Davy, »aber das Dumme ist, dass es mir immer erst hinterher Leid tut, wenn ich was angestellt habe. Dora wollte mir nicht beim Kuchenbacken helfen und das hat mich ganz rasend gemacht. Schätze, Paul Irving hätte seine Schwester nicht über einen Schweinezaun klettern lassen, wenn er genau gewusst hätte, dass sie runterfällt?«

»Nein, nicht im Traum wäre ihm so etwas eingefallen. Paul ist ein richtiger kleiner Gentleman.«

Davy kniff fest die Augen zu und dachte ein Weilchen darüber nach. Dann kroch er hoch, legte die Arme um Anne und schmiegte sein rotes kleines Gesicht an ihre Schulter.

»Anne, magst du mich denn nicht ein bisschen, auch wenn ich nicht so brav bin wie Paul?«

»Sicher mag ich dich«, sagte Anne ehrlich. Irgendwie musste man Davy einfach mögen. »Aber ich könnte dich noch besser leiden, wenn du nicht so ungezogen wärst.«

»Ich . . . hab heute noch was angestellt«, fuhr Davy mit gedämpfter Stimme fort. »Jetzt tut’s mir Leid, aber ich hab schreckliche Angst davor, es dir zu erzählen. Du ärgerst dich doch nicht so furchtbar, oder? Und du erzählst es nicht Marilla, oder?«

»Ich weiß nicht, Davy. Vielleicht sollte ich es ihr erzählen. Aber ich verspreche dir, es nicht zu tun, wenn du mir versprichst, dass du es nie wieder tust, um was immer es sich auch handeln mag.«

»Nein, ich tu’s nie wieder. Wo es sowieso ziemlich unwahrscheinlich ist, dass ich dies Jahr noch mehr davon finde. Diese eine hab ich auf den Kellerstufen gefunden.«

»Davy, was hast du angestellt?«

»Ich hab Marilla eine Kröte ins Bett gelegt. Du kannst ja hingehen und sie rausnehmen, wenn es dir nichts ausmacht. Aber sag selbst, Anne, wäre es nicht lustig, sie drinzulassen?«

»Davy Keithl«, Anne löste sich aus Davys Armen, sprang auf und stürzte den Flur entlang zu Marillas Zimmer. Das Bett war ein wenig zerwühlt. In nervöser Hast warf sie die Decken zurück - und tatsächlich, da war die Kröte, die sie unter einem Kissen hervor anblinzelte. »Womit kann ich dieses widerliche Ding nur nach draußen befördern?«, sagte Anne schaudernd. Die Feuerschaufel bot sich da an. Anne schlich nach unten, um sie zu holen, währenddessen Marilla sich in der Küche zu schaffen machte. Anne hatte so ihre Schwierigkeiten, als sie die Kröte nach unten trug, denn sie hüpfte dreimal von der Schaufel, einmal dachte Anne, sie hätte sie im Flur verloren. Als sie sie schließlich im Kirschgarten abgesetzt hatte, holte sie vor Erleichterung tief Luft und sagte: »Wenn Marilla es wüsste, würde sie ihr Lebtag nicht mehr ruhigen Gefühls ins Bett gehen können. Ich bin heilfroh, dass der kleine Übeltäter noch beizeiten Reue gezeigt hat. Diana gibt mir von ihrem Fenster aus Zeichen. Ein Segen ... ich brauche dringend etwas Abwechslung, denn Anthony Pye in der Schule und Davy Keith hier haben meine Nerven wirklich mehr strapaziert, als man an einem Tag verkraften kann.«

09 - Eine Frage der Farbe

»Heute war diese alte Nervensäge Rachel Lynde wieder hier und hat auf mich eingeredet wegen einer Spende für einen Teppich für die Sakristei«, sagte Mr Harrison grimmig. »Ich hasse diese Frau mehr als sonstwas. Sie versteht es, einem in nur sechs Worten eine ganze Predigt, den Bibeltext, die Auslegung und die praktische Anwendung vorzuhalten und wie einen Ziegelstein vor die Füße zu werfen.« Anne, die an der Ecke der Veranda saß und den milden Westwind genoss, der an diesem grauen Novemberabend über das frisch gepflügte Feld blies und in den eng stehenden Tannen unterhalb des Gartens eine hübsche kleine Melodie erklingen ließ, sah verträumt über die Schulter.

»Der Haken ist nur, dass Sie und Mrs Lynde einander nicht verstehen«, erklärte sie. »Das ist immer der springende Punkt, wenn Leute sich nicht leiden können. Ich mochte Mrs Lynde zuerst auch nicht. Aber als ich sie erst einmal verstand, änderte sich das.«

»Mrs Lynde mag ja nach mancher Leute Geschmack sein ... aber mir hat man auch mal gesagt, ich würde schon auf den Geschmack von Bananen kommen, wenn ich sie nur weiter äße«, knurrte Mr Harrison. »Und ich mag bis heute keine Bananen. Verständnis hin oder her, so viel steht fest: Überall muss sie ihre Finger drinhaben und das habe ich ihr auch gesagt.«

»Das muss sie sehr getroffen haben«, sagte Anne vorwurfsvoll. »Wie konnten Sie das nur sagen! Ich habe vor langer Zeit auch einmal so hässliche Dinge zu Mrs Lynde gesagt, aber da war ich wütend. Ich konnte gar nicht überlegen, was ich sagte.«

»Es war die Wahrheit. Ich halte es nun einmal für richtig, jedem die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.«

»Aber Sie sagen nicht die ganze Wahrheit«, wandte Anne ein. »Sie sagen nur das Unangenehme. Mir haben Sie schon ein dutzendmal gesagt, dass ich rote Haare habe, aber nicht ein einziges Mal, dass ich eine schöne Nase habe.«

»Das wissen Sie selbst, also muss ich es nicht extra noch betonen«, lachte Mr Harrison.

»Ich weiß auch, dass ich rote Haare habe — obwohl es schon viel dunkler ist als früher -, also brauchen Sie das auch nicht zu betonen.«

»Hm, schon gut, ich werde mich bemühen und es nicht noch mal erwähnen, wenn Sie so empfindlich sind. Sie müssen entschuldigen, Anne. Ich habe nun mal die Angewohnheit und nehme kein Blatt vor den Mund. Man darf sich eben nichts daraus machen.«

»Aber man macht sich etwas daraus. Ich glaube auch nicht, dass es etwas nützt, wenn man weiß, dass das eine Angewohnheit von Ihnen ist. Was würden Sie von jemand halten, der den Leuten unablässig Nadeln ins Fleisch bohrt und sagt: Entschuldigen Sie, Sie müssen sich nichts daraus machen - es ist nur so eine Angewohnheit von mir.< Sie würden so jemand für verrückt halten, nicht wahr? Was Mrs Lynde und ihre Betriebsamkeit angeht - vielleicht haben Sie Recht. Aber haben Sie ihr auch gesagt, dass sie ein weites Herz hat und immer den Armen hilft? Dass sie auch nie ein Wort darüber verloren hat, als Timothy Cotton ein Fass Butter aus ihrer Milchkammer gestohlen und seiner Frau erzählt hat, er hätte die Butter von Mrs Lynde gekauft? Mrs Cotton hat ihr das nächste Mal, als sie sich trafen, sogar vorgeworfen, die Butter schmecke nach Steckrüben. Mrs Lynde hat nur gesagt, es täte ihr Leid, dass die Butter verdorben gewesen wäre.«

»Mag schon sein, dass sie ein paar gute Eigenschaften hat«, räumte Mr Harrison widerstrebend ein. »Haben die meisten. Ich selbst auch, auch wenn Sie das nie vermutet hätten. Trotzdem, für diesen Teppich gebe ich nichts. Ständig wird man von den Leuten hier um Geld angebettelt, so kommt es mir jedenfalls vor. Wie geht es mit Ihrem Plan, den Saal zu streichen, voran?«

»Prächtig. Letzten Freitagabend hatten wir ein Treffen vom D.V.V. und haben festgestellt, dass wir genügend Geld zusammen haben, um den Saal streichen und das Dach decken zu lassen. Die meisten Leute haben sehr großzügig gespendet, Mr Harrison.«

Anne war ein entzückendes Mädchen, aber wenn die Gelegenheit es forderte, konnte sie mit der unschuldigsten Miene giftig sein. »Welche Farbe soll er bekommen?«

»Wir haben uns für ein sehr hübsches Grün entschieden. Das Dach wird natürlich dunkelrot. Mr Roger Pye besorgt die Farbe heute in der Stadt.«

»An wen wurde die Arbeit vergeben?«

»An Mr Joshua Pye aus Carmody. Das Dach ist schon fast fertig. Wir mussten die Arbeit an ihn vergeben, weil sämtliche Pyes - bekanntlich gibt es vier davon - sagten, sie würden nicht einen Cent spenden, wenn nicht Joshua den Auftrag bekäme. Sie hatten sich untereinander auf eine Spende von zwölf Dollar geeinigt und so viel Geld wollten wir nicht aufs Spiel setzen, obwohl manche Leute meinen, wir hätten den Pyes nicht nachgeben sollen. Mrs Lynde sagt, sie würden sich alles unter den Nagel reißen.«

»Hauptsache, dieser Joshua macht seine Arbeit gut. Wenn ja, weiß ich nicht, was es zur Sache tut, ob er nun Pye oder Pudding heißt.«