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»Veränderungen sind nicht immer angenehm, aber sie tun gut«, sagte Mr Harrison klug. »Wenn zwei Jahre lang alles beim Alten bleibt, dann reicht das. Würde sich dann immer noch nichts verändern, würden die Dinge womöglich Moos ansetzen.«

Mr Harrison saß auf der Veranda und rauchte. Seine Frau hatte ihm selbstaufopferungsvoll erlaubt, im Haus am Fenster zu rauchen. Mr Harrison belohnte dieses Zugeständnis, indem er bei gutem Wetter immer nur draußen rauchte. Also herrschte gutes Einvernehmen. Anne wollte Mrs Harrison um ein paar von ihren gelben Dahlien bitten. Diana und sie wollten am Abend nach Echo Lodge gehen und Miss Lavendar und Charlotta der Vierten bei ihren letzten Vorbereitungen für die Hochzeit am nächsten Tag helfen. Miss Lavendar hatte keine Dahlien. Sie gefielen ihr nicht und sie hätten auch nicht in ihren schönen altmodischen Garten gepasst. Aber Blumen jedweder Art waren in Avonlea und den Nachbarorten Onkel Abes Sturm wegen rar. Anne und Diana fanden, dass sich der cremefarbige Steinkrug, der normalerweise für Krapfen diente, voll mit gelben Dahlien in der dunklen Ecke an der Treppe vor den roten Tapeten gut machen würde.

»ln zwei Wochen gehst du also aufs College?«, fuhr Mr Harrison fort. »Hm, Emily und ich, wir werden dich vermissen. Sicher, dafür ist dann Mrs Lynde da. Aber Ersatz ist Ersatz.«

Mr Harrisons ironischer Tonfall lässt sich kaum wiedergeben. Trotz der Freundschaft seiner Frau mit Mrs Lynde konnte man auch unter dem neuen Regiment von Mrs Lynde und Mr Harrisons Beziehung höchstens von einer bewaffneten Neutralität sprechen.

»Ja«, sagte Anne. »Vom Verstand her freue ich mich, vom Gefühl her bedaure ich es.«

»Du wirst schon all die Auszeichnungen einheimsen, die es in Redmond gibt.«

»Vielleicht die eine oder andere«, stimmte Anne zu. »Aber ich mache mir nicht mehr so viel daraus wie vor zwei Jahren. Was ich auf dem College lernen will, ist, wie man sein Leben gestalten und das Beste daraus machen kann. Ich will andere und mich selbst besser verstehen lernen und anderen dazu verhelfen.«

Mr Harrison nickte.

»Genau. Dazu sollte ein College da sein, statt jede Menge Studierte hervorzubringen, vollgestopft mit Bücherwissen und unwichtigen Dingen, die keinen Platz mehr für etwas anderes lassen. Du hast Recht. Das College kann dir nicht schaden, denke ich.«

Diana und Anne fuhren nach dem Tee nach Echo Lodge und nahmen die Blumenausbeute mit, die verschiedene Raubzüge in ihre und die benachbarten Gärten eingebracht hatten. Im Steinhaus ging es aufgeregt zu. Charlotta die Vierte sauste voller Elan hin und her, sodass sie überall zugleich zu sein schien. Wie der Helm von Navarra steckte Charlotta mit ihren blauen Schleifen stets mitten im größten Gefecht.

»Gott sei Dank, dass Sie da sind«, sagte sie inbrünstig. »Es gibt jede Menge zu tun . . . der Zuckerguss auf dem Kuchen da will einfach nicht hart werden .. . das Silber muss noch geputzt werden . . . der Koffer muss noch gepackt werden ... und die Hühner für den Hühnersalat laufen noch krähend dahinten am Hühnerstall herum, Miss Shirley. Miss Lavendar kann man nicht zumuten, dass sie mit anpackt. Ich war froh, als vor ein paar Minuten Mr Irving kam und sie mit auf einen Spaziergang in den Wald nahm. Heiraten ist ja recht, Miss Shirley, aber wenn man sich auch noch ums Kochen und Putzen kümmern soll, ist es einem vermiest. Das ist meine Meinung, Miss Shirley.«

Anne und Diana halfen kräftig mit, sodass gegen zehn Uhr sogar Charlotta die Vierte zufrieden war. Sie flocht ihr Haar zu unzähligen Zöpfen und legte sich erschöpft ins Bett.

»Aber ich werde kein Auge zutun, Miss Shirley, aus Angst, in allerletzter Minute könnte noch etwas schief gehen - die Sahne wird nicht steif- oder Mr Irving trifft der Schlag.«

»Das ist aber doch sonst nicht seine Angewohnheit, nicht wahr?«, sagte Diana, wobei ihre Mundwinkel zuckten. Für Diana war Charlotta die Vierte nicht gerade eine Schönheit, aber sie war stets für einen Scherz gut.

»So was macht man sich nicht zur Angewohnheit«, sagte Charlotta die Vierte würdevoll, »so was passiert einfach, so ist das. Es kann jeden treffen. Das muss man nicht lernen. Mr Irving sieht einem Onkel von mir ähnlich, den der Schlag traf, als er sich gerade zum Abendessen an den Tisch setzen wollte. Aber vielleicht läuft ja auch alles glatt. Man muss einfach immer das Beste hoffen, auf das Schlimmste vorbereitet sein und hinnehmen, wie es kommt.«

»Ich befürchte nur, morgen könnte schlechtes Wetter sein«, sagte Diana. »Onkel Abe hat für Mitte der Woche Regen vorhergesagt. Seit dem großen Sturm glaube ich seinen Vorhersagen.«

Anne, die über Onkel Abes Sturm besser Bescheid wusste als Diana, beunruhigte das nicht weiter. Sie schlief rechtschaffen müde tief und fest und wurde zu einer unmöglich frühen Zeit von Charlotta der Vierten geweckt.

»Oh, Miss Shirley, es ist gemein, Sie so früh zu wecken«, drang es wimmernd durch das Schlüsselloch. »Aber da ist noch so viel zu tun. Außerdem, Miss Shirley, sieht es nach Regen aus. Es wäre lieb, wenn Sie aufstehen und mich in puncto Wetter beruhigen würden.«

Anne stürzte ans Fenster und hoffte, Charlotta die Vierte hatte das nur gesagt, um sie endgültig wach zu bekommen. Aber leider verhieß der Morgen nichts Gutes. Miss Lavendars Garten lag dunkel und windstill da, statt in einem jungfräulich reinen Sonnenlicht. Der Himmel über den Tannen war von schweren Wolken verhangen.

»Ist das nicht ein Jammer?«, sagte Diana.

»Hoffen wir das Beste«, sagte Anne bestimmt. »Solange es nur nicht richtig regnet, ist so ein kühler perlgrauer Tag wirklich viel schöner, als wenn die Sonne vom Himmel brennt.«

»Es wird regnen«, sagte Charlotta die Vierte und schlich in ihr Zimmer - sie sah aus wie eine Witzfigur mit ihren vielen um den Kopf gedrehten Zöpfen. Die mit weißen Bändern umwickelten Enden standen in alle Richtungen ab. »Bestimmt fängt es erst im letzten Augenblick an, und dann gießt es in Strömen. Alle werden klatschnass, überall im Haus sind Dreckspuren, sie können nicht unter dem Geißblatt getraut werden und es bringt Unglück, wenn bei einer Hochzeit keine Sonne scheint, da können Sie mir nichts erzählen, Miss Shirley. Ich habe ja geahnt, dass bisher alles zu glatt verlief.«

Charlotta die Vierte schien wirklich Miss Eliza Andrews nachzueifern. Es regnete nicht, obwohl es die ganze Zeit nach Regen aussah. Gegen Mittag waren die Zimmer geschmückt, der Tisch wunderschön gedeckt. Oben wartete die Braut, herausgeputzt für ihren Bräutigam. »Sie sehen hübsch aus«, sagte Anne entzückt.

»Wunderhübsch«, echote Diana.

»Alles ist vorbereitet, Miss Shirley, und noch ist nichts Schlimmes passiert«, stellte Charlotta fröhlich fest, als sie sich in ihr kleines Zimmer begab, um sich umzuziehen. Sie löste die Zöpfe. Das wilde Gekräusel wurde zu zwei Zöpfen geflochten und statt mit zwei mit ganzen vier brandneuen leuchtend blauen Schleifen versehen. Die zwei oberen Schleifen sahen aus wie zu groß geratene Flügel, die aus Charlottas Nacken wuchsen, etwa wie der Erzengel Raphael.

Aber Charlotta der Vierten gefielen sie sehr. Nachdem sie sich das weiße Kleid angezogen hatte, betrachtete sie sich höchst zufrieden im Spiegel - eine Zufriedenheit, die jedoch nur so lange währte, bis sie hinaus auf den Flur ging und im Gästezimmer einen Blick auf ein großes Mädchen erhaschte, in einem leicht fallenden strahlend weißen Kleid und wie Sterne Blumen im sanft gewellten Haar.

»Ich werde nie so aussehen wie Miss Shirley«, dachte die arme Charlotta verzweifelt. »Man muss so auf die Welt kommen. Übung hilft da nichts.«

Gegen ein Uhr waren alle Gäste da, einschließlich Mrs und Mr Allan. Mr Allan musste die Trauung vornehmen, da der Pfarrer aus Grafton Urlaub hatte. Die Feier hatte nichts Steifes. Miss Lavendar kam die Treppe herunter und wurde am Fuße der Treppe von ihrem Bräutigam in Empfang genommen. Als er ihre Hand nahm, sah sie ihn mit ihren großen blauen Augen an - ein Blick, bei dem Charlotta der Vierten schwummeriger als je zuvor wurde. Sie gingen nach draußen zu dem Geißblattspalier, wo Mr Allan sie erwartete. Anne und Diana standen an der alten Steinbank, Charlotta die Vierte in ihrer Mitte, die ihre kahlen, zitternden Hände in ihre schob.