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Selbst Mogens - sogar noch in diesem Moment - verspürte ein tiefes Bedauern bei dem Gedanken, all diese fantastischen Artefakte, diesen unerschöpflichen Schatz und uraltes Wissen zerstören zu sollen, und auch er spürte, wie leicht es wäre, der flüsternden, verlockenden Stimme in sich nachzugeben. Unbeschadet all des Schreckens, auf den sie gestoßen waren, all der entsetzlichen Dinge, die sich noch hier unten verbergen mochten, hatten sie doch zugleich einen Schatz unten unermesslichem Wert gefunden; ein Artefakt aus einer vollkommen fremden, andersartigen Welt, der nicht nur ihnen, sondern womöglich der gesamten Menschheit einen Schritt in eine Zukunft ermöglichte, von der sie bisher noch nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Das Volk, das diese unbegreifliche Stadt errichtet hatte, hatte den Abgrund zwischen den Sternen überwunden, während die Menschen gerade zaghaft damit begannen, sich auf zerbrechlichen Flügeln aus Segeltuch und Holz für wenige Augenblicken von der Oberfläche ihres Planeten zu erheben. All das hier zu zerstören, auch nur einen einzigen Stein zu zerschlagen, ein einziges Bild auszulöschen war weit mehr als ein Dolchstoß ins Herz eines Archäologen, es war ein Verbrechen an der Menschheit, Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, die ihr gestohlen wurden.

Und dennoch musste es sein. Hinter all dem Unbegreiflichen, hinter all dem überlegenen Wissen, dem Wohl, das seine Anwendung für die Menschen bedeuten mochte, lauerte noch etwas anderes. Mogens hatte es die ganze Zeit über gespürt, nicht erst, seit sie hier heruntergekommen waren, sondern schon sehr viel länger - vielleicht seit jenem schrecklichen Tag, an dem er Janice verloren hatte -, und erst jetzt, in genau diesem Moment war er dazu bereit, es sich auch selbst einzugestehen: Sie waren auf das absolut Böse gestoßen. Mogens zweifelte nicht daran, dass es ihnen gelingen konnte, der Ungeheuer und alle anderen Gefahren, die hier unten lauern mochten, Herr zu werden. Er zweifelte nicht daran, dass sie die Ghoule auslöschen und auch alle anderen Gefahren und Fallen überwinden und am Ende selbst das Tor zu den Sternen verschließen oder gar für ihre eigene Zwecke nutzen konnten. Selbst ihnen war es gelungen, den Gefahren bisher zu trotzen, drei schwache, verwundbare Menschen, die kaum etwas anderes als ihre bloßen Hände und ihren Willen zu Überleben besaßen. Die simple Tatsache, dass sie noch lebten, bewies, dass ihre Feinde nicht unüberwindlich waren. Sie konnten sie besiegen, und sie konnten den Schatz bergen, den ihnen die Besucher vom Sirius dagelassen hatten. Aber der Preis, den sie - und vielleicht die ganze Welt - dafür würden zahlen müssen, war zu hoch.

»Sie glauben, diesem Mädchen etwas schuldig zu sein«, fuhr Miss Preussler fort. »Und Sie haben Recht, Professor. Sie sind ihr schuldig, diesem Albtraum ein Ende zu bereiten. Wir können nichts mehr für sie tun. Aber wir können dafür sorgen, dass nicht noch mehr Unschuldige ihr Schicksal teilen müssen.«

Mogens wollte antworten, doch in diesem Moment kam Graves zurück, und obwohl es vollkommen unmöglich war, dass er auch nur ein einziges Wort von dem verstanden hatte, was Miss Preussler oder er gesagt hatten, musste ihm doch irgendetwas aufgefallen sein, denn er setzte zwar dazu an, etwas zu sagen, zog aber dann nur die Augenbrauen zusammen und sah sie mit sich rasch verfinsterndem Gesichtsausdruck an, um schließlich mit den Schultern zu zucken; als hätte er sich in Gedanken selbst eine Frage gestellt und die mögliche Antwort dann als belanglos abgetan.

»Der Weg scheint frei zu sein«, sagte er. »Falls ihr euer Gespräch also für einen kurzen Moment unterbrechen könnt, wäre das jetzt möglicherweise der Augenblick, um aufzubrechen.«

Mogens trat wortlos an ihm vorbei und aus dem Haus. Er hatte das Gefühl, dass es kälter geworden war; und als er ausatmete, sah er eine graue Dampfwolke vor dem Gesicht. Auch Miss Preussler blickte überrascht hoch, und er konnte sehen, wie sich auf ihren nackten Unterarmen eine Gänsehaut bildete.

»Das muss mit dem Tor zusammenhängen«, sagte Graves. »Je mehr man sich der Pyramide nähert, desto kälter wird es.« Er machte eine Kopfbewegung in die Richtung, in die Tom verschwunden war. »Beeilen wir uns.«

Sie gingen - sehr schnell - los, und Mogens atmete insgeheim auf, als sich ihnen das Mädchen ohne Zögern anschloss. Auch Miss Preussler wirkte deutlich erleichtert; offensichtlich hatte auch sie mit mehr Schwierigkeiten gerechnet. Vielleicht erwies es sich ja nun als Vorteil, dass die junge Frau praktisch willenlos war. Mogens glaubte jedoch nicht, dass das so bleiben würde.

Er sollte Recht behalten.

Sie ließen die Allee und auch den Rest der Stadt unbehelligt hinter sich, doch als sie die Brücke erreichten, blieb die junge Frau urplötzlich stehen. Miss Preussler ergriff sie wieder am Arm und versuchte sie mit sanfter Gewalt auf die Brücke hinauf zu ziehen, aber sie riss sich los und wich ganz im Gegenteil einen Schritt zurück.

»Miss Preussler, bitte!«, sagte Graves. »Unsere Zeit ist knapp.«

»Seien Sie still«, antwortete Miss Preussler unwillig und wandte sich mit einem beruhigenden Lächeln an das Mädchen. »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte sie. »Wir bringen dich in Sicherheit. Du willst doch auch raus hier, oder? Weg von diesen schrecklichen Ungeheuern.«

Sie hob beruhigend die Hand, aber ihre Geste zeitigte eher den gegenteiligen Effekt: Das Mädchen machte einen weiteren halben Schritt zurück, presste das Bündel mit dem toten Kind noch fester an die Brust und schüttelte heftig den Kopf. Ein erschrockener, fast schon entsetzter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.

»Ja, du hast Angst«, seufzte Miss Preussler. »Wenn ich doch nur wüsste, ob du mich wenigstens verstehst.« Sie legte den Kopf auf die Seite und sah das Mädchen fragend an, bekam aber keine irgendwie geartete Reaktion zur Antwort.

»Miss Preussler«, sagte Graves. »Bitte!«

Diesmal ignorierte sie ihn vollends. »Du musst uns einfach vertrauen«, fuhr sie an das Mädchen gewandt und mit leiser, zugleich sanfter wie auch sehr eindringlicher Stimme fort. »Diese Ungeheuer werden bald aufwachen. Wenn wir dann noch hier sind, werden sie uns töten - und dich wieder verschleppen. Das willst du doch nicht, oder?«

Sie bekam auch jetzt keine Antwort, aber Graves riss endgültig der Geduldsfaden. Mit einem gemurmelten Fluch trat er an Miss Preussler vorbei und streckte die Hände nach dem Mädchen aus. Miss Preussler machte eine Bewegung, wie um ihn zurückzuhalten, aber Graves schob sie einfach zur Seite. »Wir haben keine Zeit für diesen Unsinn!«, knurrte er.

Das Mädchen reagierte ganz genau so, wie Mogens erwartet hatte: Das tote Kind noch immer fest an die Brust gedrückt, versuchte es einen weiteren Schritt vor Graves zurückzuweichen und schlug gleichzeitig mit der freien Hand nach ihm. Mogens hatte ja bereits Bekanntschaft mit ihren Fingernägeln gemacht und gönnte es Graves insgeheim, diese schmerzhafte Erfahrung zu wiederholen, doch Graves dachte nicht daran, sich das Gesicht zerkratzen zu lassen, oder vielleicht Schlimmeres. Blitzschnell packte er das Handgelenk des Mädchens, verdrehte ihren Arm und schlug ihm gleichzeitig mit der anderen Hand so fest ins Gesicht, dass sie wankte. Miss Preussler schrie empört auf, und auch Mogens sog erschrocken die Luft zwischen den Zähnen ein, doch Graves ließ sich weder von dem einen noch von dem anderen beeindrucken, sondern trat ganz im Gegenteil mit einem raschen Schritt noch dichter an das Mädchen heran und entriss ihm das Kind.

Die junge Frau schrie gellend auf und wollte sich mit hochgerissenen Armen auf ihn werfen, aber Graves stieß sie so derb zurück, dass sie taumelte und schließlich ungeschickt auf die Knie fiel. Sofort sprang sie wieder in die Höhe und attackierte ihn erneut. Graves stieß sie ein zweites Mal zu Boden, schüttelte ärgerlich den Kopf und versetzte ihr bei ihrem nächsten Angriff einen Schlag mit dem Handrücken quer über das Gesicht, der sie zum dritten Mal auf die Knie herabsinken ließ. Diesmal krümmte sie sich, schlug beide Hände vor den Mund und begann leise zu wimmern.