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»Eine hübsche Theorie«, sagte Mogens. »Aber unsere Kollegen von der astronomischen Fraktion werden dich steinigen, wenn du sie ihnen vorträgst.«

»Gar nichts werden sie!«, antwortete Graves verächtlich. »Sie werden mich auslachen, daran besteht kein Zweifel. Aber das Lachen wird ihnen im Halse stecken bleiben, wenn sie das hier sehen.«

»Was?«, fragte Miss Preussler. Ihre Stimme war angespannt. »Wenn sie was sehen, Doktor Graves?«

Graves hatte sich ausgezeichnet in der Gewalt, aber letzten Endes doch nicht gut genug. Wenn schon nicht Miss Preussler, so fiel doch Mogens, der ihm viel näher war, das kurze, erschrockene Zusammenzucken auf und der Ausdruck von Betroffenheit, der sich für einen noch viel kürzeren Moment in seinen Augen spiegelte. Dann aber schüttelte er nur den Kopf und sagte: »Die Fotografie, meine liebe Miss Preussler. Was sonst?« Er drehte sich halb herum. »Tom. Wie weit bist du mit der...« Er stockte mitten im Wort. »Tom? Worauf zum Teufel wartest du? Bau die Kamera auf! Uns läuft die Zeit davon!«

Tatsächlich hatte Tom bisher keinen Finger gerührt, und er bewegte sich auch jetzt nicht, sondern sah Graves nur verlegen an.

»Tom!«, sagte Graves scharf.

»Ich... ich fürchte, das kann ich nicht, Doktor Graves«, stammelte er. Mogens konnte sich kaum erinnern, ihn jemals so unsicher erlebt zu haben.

»Was soll das heißen?«, fauchte Graves. »Tom, zum Teufel noch mal - bau die Kamera auf, oder gib mir den verdammten Rucksack, und ich mache es selbst!«

Er trat einen Schritt auf Tom zu und streckte tatsächlich die Hände aus, wie um seine Worte unverzüglich in die Tat umzusetzen, aber Tom trat einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände. Graves blieb wieder stehen. »Tom?«, fragte er verwirrt.

»Es... es tut mir Leid, Doktor Graves«, sagte Tom. Es klang fast gequält. »Aber ich... ich hab sie... vergessen.«

»Vergessen?«, ächzte Graves.

»Und was, um alles in der Welt, schleppst du dann in diesem riesigen Rucksack mit dir herum?«, fragte Miss Preussler verwirrt.

»Das würde mich allerdings auch interessieren«, fügte Graves hinzu.

»Es tut mir wirklich Leid«, stotterte Tom. »Ich hatte sie bereitgelegt, aber ich muss sie in der Eile...«

»Der Rucksack, Tom«, unterbrach ihn Graves. »Zeig mir deinen Rucksack!«

Tom presste die Kiefer aufeinander. Sein Blick wurde gehetzt. »Es tut mir...«

»Der Rucksack!«, unterbrach ihn Graves noch einmal und in deutlich schärferem Ton, gab Tom aber gar keine Gelegenheit, zu reagieren, sondern war mit zwei schnellen Schritten bei ihm, riss ihn mit einer kraftvollen Bewegung herum und machte sich an den Schnallen seines Rucksacks zu schaffen: Tom versuchte sich zu wehren, aber Graves schlug seine Hände einfach beiseite und zerrte so ungeduldig an den Lederriemen, dass eine der Schnallen abriss und davonflog. Mit einem triumphierenden Laut griff er in den Tornister - und riss ungläubig die Augen auf. »Aber was...?«

Tom riss sich los und fuhr mit einem Schrei herum. Graves machte eine ganz instinktive Bewegung, um ihn festzuhalten, aber Tom tauchte blitzschnell unter seiner Hand weg, sprang zur Seite und versetzte Graves seinerseits einen Stoß, der ihn zurücktaumeln und gegen die Wand prallen ließ, wo er haltlos zu Boden sank. Noch bevor Mogens auch nur wirklich begriffen hatte, was geschah, war Tom mit einem Satz an ihm vorbei und aus der Tür.

»Aber was...?«, keuchte Mogens und riss ungläubig die Augen auf, als er sah, was Graves da in der Hand hielt: Eine in braunrotes Packpapier eingeschlagene Rolle vom doppelten Durchmesser eines Daumens, etwas länger als eine Hand und mit einer dünnen Zündschnur an einem Ende.

»Um Gottes willen, was... was ist das?«, flüsterte Miss Preussler.

Graves staunte seinen Fund aus aufgerissenen Augen an. »Dynamit«, stammelte er. »Der... der ganze Rucksack ist voller Dynamit!«

»Dynamit?«, wiederholte Miss Preussler verstört. »Aber wieso denn? Ich meine, was... was will er denn...?«

»Dieser verdammte Dummkopf!« Graves sprang mit einem Schrei auf die Füße und schleuderte die Dynamitstange von sich. Mogens zog instinktiv den Kopf zwischen die Schultern und wartete wider besseres Wissen auf eine Explosion, aber die Dynamitstange prallte nur harmlos gegen die Wand, und Graves war mit einer einzigen Bewegung herum und schon fast bei der Tür.

»Bring die Frauen zum Boot, Mogens!«, schrie er. »Ich versuche ihn aufzuhalten! Wenn ich in zehn Minuten nicht zurück bin, rette dich und die anderen!«

Die letzten Worte erriet Mogens mehr, als er sie verstand, denn Graves war bereits draußen und stürmte davon.

»Dynamit?«, fragte Miss Preussler noch einmal. »Aber... aber ich verstehe nicht... was hat er denn mit Dynamit vor?«

»Etwas sehr Dummes, fürchte ich«, antwortete Mogens. Dann drehte er sich mit einer entschlossenen Bewegung gänzlich zu ihr um und deutete zugleich auf die Treppe. »Graves hat Recht. Wir haben keine Zeit. Gehen Sie, Miss Preussler. Ich erkläre Ihnen alles auf dem Weg nach unten!«

Er eilte zur Treppe und konnte gerade noch den Impuls unterdrücken, das Mädchen am Arm zu ergreifen; stattdessen drehte er noch einmal um und kehrte zur Tür zurück. Sowohl Graves als auch Tom hatten ihre Lampen hier gelassen. Er nahm eine davon an sich und richtete die andere so aus, dass ihr Lichtstrahl auf die Treppe fiel. Mehr konnte er nicht für Graves tun, und mehr wollte er auch nicht tun. Bevor er wieder zurückging, zog er seine Taschenuhr heraus und sah auf das Ziffernblatt. Graves hatte ihm eine Frist von zehn Minuten abverlangt, und die würde er bekommen, aber keine einzige Sekunde mehr!

Miss Preussler und das Mädchen hatten die Treppe mittlerweile erreicht und waren zwei oder drei Stufen weit nach unten gestiegen, nun aber war die junge Frau stehen geblieben und weigerte sich beharrlich, weiter zu gehen. Miss Preussler redete beruhigend auf sie ein, aber sie schüttelte nur immer wieder den Kopf und wäre vermutlich sogar wieder zurückgewichen, hätte Mogens nicht hinter ihr gestanden und ihr den Weg verwehrt.

»Worauf warten Sie?«, fragte Mogens ungeduldig.

»Sie will nicht weitergehen«, antwortete sie. »Irgendetwas dort unten scheint ihr furchtbare Angst zu machen.«

Was Mogens ihr nicht verdenken konnte. Vielleicht war es einfach die Treppe an sich, überlegte er. Immerhin führte der Weg wieder hinab in die Erde, zurück in die Welt, in der sie Schlimmeres erlebt haben musste, als er sich auch nur vorstellen konnte.

Er sagte nichts, blickte aber demonstrativ auf die Uhr, und Miss Preussler wandte sich wieder um und fuhr fort, mit leiser, beruhigender Stimme auf das Mädchen einzureden. Sie verbrauchte einen Gutteil ihrer wenigen Zeit - annähernd drei Minuten -, aber schließlich gelang es ihr, die junge Frau zum Weitergehen zu bewegen.

Bis sie die letzte Stufe erreicht hatten. Miss Preussler blieb erschrocken stehen, als sie weit genug nach unten gestiegen war, um das Boot zu erkennen, das Mädchen aber reagierte nahezu panisch. Diesmal war es ihr gleich, dass Mogens hinter ihr stand. Sie fuhr auf dem Absatz herum und hätte Mogens wahrscheinlich einfach über den Haufen gerannt, wäre die Treppe nur breit genug dafür gewesen.

Sie prallte hart genug gegen ihn, um ihn nahezu aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mogens prallte gegen die Wand des schmalen Treppenschachtes, und ob er nun mit Absicht zugriff oder sich nur festklammerte, um nicht von den Füßen gerissen zu werden, es gelang ihm, das Mädchen zu packen zu kriegen. In der allerersten Sekunde wehrte es sich mit erstaunlicher Kraft gegen seinen Griff, dann aber konnte er regelrecht spüren, wie es erschlaffte. Für einen halben Atemzug musste er sie tatsächlich festhalten, damit sie nicht fiel.