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»Inwiefern?«, fragte Graves.

»Insofern«, antwortete Miss Preussler mit einer heftigen Kopfbewegung auf die wehende Gespinste im Wasser.

Graves verzog abfällig die Lippen. »Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Diese... Substanz ist nicht gefährlich, solange man eine gewisse Vorsicht walten lässt.«

»Nicht gefährlich?« Mogens blickte demonstrativ auf seine Hände hinab. Sie sahen nicht annähernd so schlimm aus wie die Beine des Mädchens, aber für seinen Geschmack schlimm genug.

»Es zeigt normalerweise kein Interesse an menschlichem Protein«, antwortete Graves. »Ich weiß nicht, warum es uns attackiert hat. Vielleicht war es die Nähe des Ghouls.«

»Das klingt einleuchtend«, sagte Mogens spöttisch.

Graves schnaubte. »Du überraschst mich immer wieder, Mogens«, sagte er. »Wenn auch immer öfter in negativer Hinsicht. Es sollte einleuchtend klingen, wenigstens für dich.«

Mogens schwieg und sah ihn nur mit einer Mischung aus Zorn und Verständnislosigkeit an, aber Graves reagierte ganz anders, als er hoffte, nämlich mit einer wütenden Handbewegung in die Runde.

»Was ist los mit dir? Hast du all dein Wissen oben im Lager zurückgelassen? Was glaubst du denn, was das hier ist?«

»Ein Schiff«, antwortete Mogens, aber Graves schnitt ihm nur erneut und mit einer noch ärgerlicheren Geste das Wort ab.

»Es ist nicht irgendein Schiff, Mogens. Es ist eine Totenbarke. Und das hier...«, er ließ seine zerschmetterte Hand mit einem widerlichen Klatschen auf den schwarzen Block neben sich hinuntersausen, »... ist ein Sarkophag. Sie stammen aus dem Meer, Mogens. Sie kommen aus dem Wasser, und sie kehren nach dem Tod dorthin zurück. Vielleicht ist das ihre ursprüngliche Form. Das, woraus sie entstanden sind, und wozu sie nach ihrem Tod wieder werden - was weiß ich.« Er zuckte trotzig mit den Schultern. »Und ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht. Mit ein wenig Glück sind wir in einer Stunde hier heraus, und dieser Albtraum hat ein Ende.«

Mogens wollte antworten, doch dann blickte er nur den Sarkophag an und runzelte nachdenklich die Stirn. Seltsam - er hätte schwören können, dass vorhin etwas von dem weißen Schleim aus den aufgeplatzten Nähten von Graves' Handschuh auf den Sarkophagdeckel getropft war. Aber das schwarze Holz war vollkommen sauber. Wahrscheinlich hatte er sich getäuscht. Aber ein ungutes Gefühl blieb, und es wurde sogar noch stärker, als auch Graves einen Moment lang stirnrunzelnd auf den Sarkophag hinunterblickte. Dann wechselte er mit einer sichtlichen Anstrengung das Thema.

»Du kannst mir später so viele Vorwürfe machen, wie es dir Spaß macht. Jetzt haben wir ein anderes Problem. Hilf mir mal.«

Er legte die Hände um eine der vier Stützen, die den geschnitzten Baldachin über dem Sarkophag trugen, und begann mit aller Gewalt daran zu zerren. Der gedrechselte, mehr als mannslange Pfeiler rührte sich nicht, obwohl Graves mit so großer Anstrengung zerrte und zog, dass seine Augen ein Stück weit aus den Höhlen quollen. »Zum Teufel noch mal, hilf mir gefälligst!«, ächzte er.

»Weißt du eigentlich, was du da gerade zu zerstören versuchst?«, fragte Mogens. Er rührte sich nicht.

»Ja. Ein... Jahrtausende altes... unersetzliches... Artefakt«, ächzte Graves. »Und es wäre nicht... notwendig, wenn... du... die Stange nicht... fallen gelassen hättest. Und jetzt hilf mir endlich... oder du... wirst herausfinden... wie sich ein Pharao in seinem... Pyramidengrab unter... einer Million Tonnen Fels... gefühlt hat. Wir brauchen etwas zum... Staken.«

Mogens starrte ihn noch eine geschlagene Sekunde lang an. Graves war dabei, etwas einfach Unersetzliches zu zerstören - aber er hatte zugleich auch Recht: Ihre fantastische Entdeckung nutzte nichts, wenn sie niemandem davon erzählen konnten. Der Wissenschaftler in ihm würde sich für den Rest seines Lebens dafür hassen, aber er griff trotzdem beherzt zu, um Graves zu helfen.

Es nutzte nichts. Obwohl sie mit aller Gewalt zogen und rüttelten, rührte sich der Pfeiler nicht. Nach vielleicht zwei oder drei Minuten gaben sie schweißgebadet und am Ende ihrer Kräfte auf, ohne dass es ihnen gelungen war, die so zerbrechlich aussehende Stütze auch nur zu lockern. Mogens ließ sich schwer atmend gegen den Sarkophag sinken, während sich Graves vorbeugte, die Handflächen auf den Oberschenkeln abstützte und fast asthmatisch nach Luft japste.

»Wovor... fliehen wir... eigentlich?«, keuchte Mogens. »Vor Ghoulen?«

»Vielleicht«, antwortete Graves, kaum weniger außer Atem als er. »Obwohl ich nicht glaube, dass sie es wagen, uns bis hierher zu verfolgen. Sie fürchten das, was im Wasser ist.«

»Zumindest einem scheint es keine besondere Angst gemacht zu haben«, mischte sich Miss Preussler ein, aber Graves schüttelte nur den Kopf.

»Ich fürchte, das war meine Schuld«, gestand er. »Ich habe ihn verletzt. Diese Kreaturen reagieren ausgesprochen bösartig, wenn man ihnen weh tut.«

»Ach?«, fragte Miss Preussler spitz. »Sonst nicht?«

Graves richtete sich auf, sog hörbar die Luft in die Lungen und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Einige Sekunden lang starrte er scheinbar nachdenklich ins Wasser, dann zog er seine Taschenuhr heraus, klappte den Deckel auf und studierte etwas länger und stirnrunzelnd die Stellung der Zeiger. Dann sagte er: »Lassen Sie es gut sein, Miss Preussler.«

Miss Preussler stemmte sich mit nur noch größerer Anstrengung gegen die Stange. »Wieso?«, fragte sie ächzend. »Verstoße ich gerade... gegen irgendeine Gewerkschaftsauflage?«

Graves klappte seine Uhr zu. »Dieser Kanal hat eindeutig eine Verbindung zum offenen Meer«, sagte er.

»Und?«, ächzte Miss Preussler. »Hoffen Sie vielleicht, dass die Küstenwache uns zu Hilfe kommt?«

Graves bückte sich nach seiner Laterne und richtete den Strahl auf das gemauerte Ufer. »Sehen Sie die dunkle Linie zwei Finger breit über dem Wasserspiegel, meine Liebe?«, fragte er. »Der Wasserstand ist gesunken. Draußen muss mittlerweile die Ebbe eingesetzt haben.«

Miss Preussler hörte auf zu staken. »Und?«

»Das heißt, die einsetzende Ebbe zieht uns hinaus«, antwortete Graves.

Miss Preussler blinzelte. Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß. »Ist das wahr?«, wandte sie sich an Mogens.

»Es ist wahr«, sagte Graves unwillig. »Also hören Sie auf, sich unnötig zu verausgaben, und kümmern Sie sich lieber um das Mädchen. Ich glaube, sie hat ein wenig Zuspruch nötig.«

Miss Preussler funkelte ihn an. Aber sie sagte nichts, sondern zog nur mit einer einzigen, ärgerlichen Bewegung die Stange aus dem Wasser, warf sie mit einer übertrieben kraftvollen Bewegung unmittelbar vor Graves' Füße und ging zu dem Mädchen hin. Graves sah ihr stirnrunzelnd, aber auch mit einem nicht gänzlich unterdrückten spöttischen Glitzern in den Augen zu, hob aber nach einem Moment wieder den Kopf und musterte - nun eindeutig besorgt - die langsam vorübergleitenden Wände. Sie hatten die Höhle längst hinter sich gelassen und fuhren nahezu lautlos durch einen gemauerten Tunnel, dessen Decke sich nur wenige Zentimeter über dem hölzernen Baldachin befand. Er fragte sich, ob dieses sonderbare Boot passend für den Kanal gebaut worden war, oder umgekehrt, kam aber zu keiner eindeutigen Antwort. Logik hatte in diesem gemauerten Albtraum nicht mehr viel Bedeutung.