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Die Stille, die folgte, kam ihm fast noch erschreckender vor. Sie war absolut - als hätte die Erschütterung einfach alle Geräusche aus der Welt herausgefegt.

Sie hielt eine einzelne, schier endlose Sekunde an, als wäre die Zeit für die gleiche Spanne einfach stehen geblieben, dann knackte es hörbar in Mogens' Ohren, die Kreatur machte einen weiteren, stampfenden Schritt in ihre Richtung, und ein ungeheures Brüllen schlug über ihnen zusammen. Der Wasserspiegel sackte von einem Sekundenbruchteil auf den nächsten um mehr als eine Handbreit ab, und die Barke kippte zur Seite und schlug nur deshalb nicht um, weil der Wald aus wehenden Fäden sie auffing. Dann war das Wasser ebenso plötzlich wieder da. Die Barke wurde regelrecht in die Höhe katapultiert, das Ungeheuer kämpfte mit wirbelnden Armen und gespreizten Beinen um sein Gleichgewicht, und dann verschwand das Licht.

Es war nicht etwa so, dass ihre Laternen erloschen oder irgendetwas das graue Tageslicht verdeckte, auch wenn Mogens das im allerersten Moment natürlich annahm. Auch das grüne Leuchten erlosch. Es wurde schlagartig und absolut dunkel - eine Dunkelheit, wie Mogens sie noch niemals zuvor erlebt hatte. So, wie die erste Erschütterung alle Geräusche aus der Welt getilgt hatte, hatte dieser zweite Schlag jegliches Licht ausgelöscht. Und wie die Geräusche kam es zurück. Plötzlich war das weiße Licht ihrer Grubenlampen wieder da. Ihre Lampen waren nicht erloschen, es war einfach nur dunkel geworden, als wären sie für einen Moment in einen Abgrund zwischen den Wirklichkeiten geschleudert worden, in dem nicht einmal mehr Licht Bestand hatte, und Mogens fand sich, auf dem Rücken liegend und verzweifelt nach Atem ringend, auf dem Boden der Barke wieder. Nicht nur Licht und Geräusche waren für einen Moment verschwunden gewesen, sondern auch aller Sauerstoff.

Die Barke tanzte wild auf dem Wasser des Sees, der sich von einem Augenblick auf den anderen in einen reißenden unterirdischen Wildwasserbach verwandelt hatte. Das Licht der Grubenlampen tanzte wie wild über die gewölbte Decke und die Wände, und ringsum brodelte und kochte das Wasser, spie siedenden Schaum und tausende wie in Agonie peitschende haarfeine Arme hoch in die Luft. Das Brüllen und Dröhnen hielt noch immer an und war, soweit das überhaupt möglich schien, sogar noch lauter geworden, der infernalische Lärm einer ungeheuerlichen, nicht enden wollenden Explosion, der in Wellen durch den Schacht herantobte und ihre Trommelfelle zum Zerplatzen zu bringen schien.

Das Ungeheuer war verschwunden, ebenso wie die meisten Fangarme und auch Graves.

Miss Preussler schrie irgendetwas, das er nicht verstand. Die Luft schien zu kochen. Mogens klammerte sich mit verzweifelter Kraft irgendwo fest, aber es nutzte nichts. Das Boot bockte wie ein durchgehendes Pferd, das mit aller Kraft seinen Reiter abzuwerfen versucht, und Mogens wurde mit grausamer Wucht abwechselnd gegen die Bordwand und den Sarkophag geworfen. Dann begann sich die Barke, immer noch zitternd und wild von einer Seite auf die andere kippend, erneut auf der Stelle zu drehen, als wäre sie in einen Strudel geraten. Die letzte Laterne kippte um, hüpfte wie ein eckiger silberner Ball über das Deck und flog über Bord, als sich das Boot unter einem neuerlichen Schlag hob, und plötzlich begann es ringsum Steine und Felsbrocken zu regnen. Der gesamte Felsendom zitterte, wand und drehte sich wie ein gigantisches lebendes Wesen, das unerträgliche Qualen litt, und begann rings um sie herum in Stücke zu brechen. Steintrümmer prallten auf das Deck, zerschmetterten Holz und Aufbauten und ließen das Wasser aufspritzen. Ein tonnenschwerer Quader traf den hochgezogenen Bug und trennte ihn so sauber ab wie eine steinerne Guillotine, und plötzlich war das Wasser einfach verschwunden. Die Barke krachte mit verheerender Wucht auf den mit Schlamm und Steinen übersäten Grund des Sees und neigte sich knirschend zur Seite, nur, um gleich darauf zitternd wieder emporzusteigen, als das Wasser ebenso plötzlich wieder zurückkehrte, wie es verschwunden war.

Es regnete immer noch Steine. Mogens hatte aufgehört zu zählen, wie oft er getroffen worden war. Er wusste nicht, ob er schwer verletzt oder was mit den anderen war. Alles schien sich in einer einzigen, unendlich langen Sekunde abzuspielen, auch wenn die Zeit zugleich nur so dahinzurasen schien und seine hilflosen Bewegungen zu einer grotesk langsamen Pantomime reduzierte. Er war gefangen in reinem Chaos, einem Orkan aus zuckendem Licht und kochendem Wasser und brüllendem Lärm, und es wurde immer noch schlimmer. Eine Druckwelle raste durch den Tunnel heran, fetzte auch noch die letzten verbliebenen Aufbauten vom Deck der Barke und riss ihm den Atem aus den Lungen. Die leuchtenden Flecken an Decke und Wänden glühten hell auf, wie Ruß, der sich an der Innenseite eines Kamins abgelagert hat und von einer unsichtbaren Stichflamme getroffen wird, und erloschen dann, und ein noch härterer, geradezu unvorstellbarer Schlag traf den gesamten steinernen Dom. Die Erde stöhnte, als hätte sie etwas in ihren Grundfesten erschüttert, und es regnete noch mehr Steine, Felsbrocken und Trümmer. Die Luft vibrierte so stark, dass er sie nicht mehr atmen konnte, und er konnte jeden einzelnen Knochen im Leib spüren. Es konnte einfach nicht schlimmer werden.

Aber es wurde schlimmer.

Das Brüllen erreichte eine Lautstärke, die die Grenze des Erträglichen überstieg und hörte einfach auf - wenn auch nicht, weil das unvorstellbare Dröhnen und Bersten tatsächlich verstummt wäre. Mogens war taub, vielleicht für immer - und dann kippte das Boot um.

Mogens wurde in hohem Bogen durch die Luft geschleudert, dann schlug er auf einer Wasseroberfläche auf, die sich plötzlich so hart und unnachgiebig wie eine Glasscheibe anfühlte. Instinktiv versuchte er, den Atem anzuhalten und sich anzuspannen, um dem Aufprall wenigstens die schlimmste Wucht zu nehmen, aber ihm gelang weder das eine noch das andere. Der Anprall prügelte ihm die Luft aus den Lungen und raubte ihm nahezu das Bewusstsein. Er wurde zwei, drei Meter weit unter Wasser gedrückt und so wild herumgewirbelt, dass er binnen einer einzigen Sekunde jegliche Orientierung verlor. Sein Gleichgewichtssinn erlosch. Selbst wenn er noch imstande gewesen wäre, Schwimmbewegungen zu machen, hätte er nicht mehr gewusst, wo oben und unten gewesen wäre. Seine Lungen brannten, als wären sie mit flüssigem Feuer gefüllt, und jeder einzelne Knochen in seinem Leib schien zerbrochen zu sein.

Es war einfach nur Glück, dass er wieder an die Wasseroberfläche kam.

Gierig sog er sich die Lungen voller Luft. Beinahe sofort packte ihn ein Wasserwirbel und riss ihn erneut in die Tiefe, aber dieser eine, kostbare Atemzug brachte vielleicht die Entscheidung über Leben und Tod. Seine Lungen brannten noch immer unerträglich, und jede noch so winzige Bewegung wurde zu einer schieren Qual - aber er hatte seinen Gleichgewichtssinn zurück, und irgendwie brachte er es auch fertig, einige matte, aber halbwegs zielgerichtete Schwimmbewegungen zu machen, die ihn zurück zur Oberfläche brachten.

Etwas griff nach seinem Fuß, eine sanfte, aber zugleich auch unerbittlich starke Hand, die ihn wieder zurück in die Tiefe zerren wollte. Mogens geriet in Panik, begann wild um sich zu treten und zu schlagen und begriff im allerletzten Moment, dass er es nur schlimmer machte, je mehr er sich zu wehren versuchte. Obwohl es allen seinen Instinkten widersprach, zwang sich Mogens zur Ruhe, kämpfte den immer heftiger werdenden Impuls nieder, einfach Atem zu holen, und zog seinen Fuß fast behutsam aus der sanften Umklammerung des Haargespinstes. Er kam frei. Eine Sekunde später durchbrach er die Wasseroberfläche und kehrte in die Höhle zurück.