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Er fühlte sich sehr gewöhnlich und schäbig, als sie in die Stadt ritten, und fast wünschte er sich, sie hätten die letzte Nacht nicht draußen verbracht. Wenn sie in Mühlenbern übernachtet hätten, wäre vielleicht ein Bad möglich gewesen. Doch dann hätten er und Jaina keine Möglichkeit gehabt, sich an das Internierungslager heranzuschleichen.

Er blickte zu seiner Begleiterin. Ihre blauen Augen standen weit offen vor Ehrfurcht und Aufgeregtheit, ihre Lippen öffneten sich leicht. Sie wandte sich Arthas zu und lächelte ihn an.

»Habe ich nicht Glück, dass ich hier lernen darf?«

»Sicherlich«, sagte er und lächelte sie an. Sie nahm es auf wie ein Verdurstender Wasser nach einer Woche Fußmarsch durch die Wüste. Dennoch fühlte er sich hier weniger zu Hause. Im Gegensatz zu Jaina hatte er eindeutig keine besonders ausgeprägte Neigung zum Wirken von Magie.

»Mir wurde gesagt, dass Außenstehende normalerweise nicht willkommen sind«, sagte sie. »Ich meine, das ist eine Schande. Es wäre schön, dich wiederzusehen.«

Sie errötete, und einen Augenblick lang vergaß Arthas die beeindruckende Stadt und wusste tief in seinem Innern, dass auch er es schön finden würde, Lady Jaina Prachtmeer wiederzusehen.

Sehr schön sogar.

»Noch mal, kleines Gnomenmädchen! Ich ziehe dich an den Zöpfen… Uuuf!«

Der Schild erwischte den spottenden Zwerg im behelmten Gesicht und er taumelte tatsächlich ein, zwei Schritte zurück. Arthas schlug mit dem Schwert zu und lächelte unter seinem eigenen Helm. Doch dann flog er plötzlich durch die Luft und landete hart auf dem Rücken. Vor ihm tauchte ein Kopf mit einem langen Bart auf und er konnte kaum rechtzeitig die Klinge erheben, um den Schlag abzuwehren. Mit einem Grunzen zog er die Beine an die Brust, trat dann fest zu und erwischte Muradin am Bauch. Dieses Mal flog der Zwerg förmlich zurück. Arthas ließ die Beine sinken und stand in einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf, griff seinen Lehrer an, der immer noch auf dem Boden lag, und sandte Schlag auf Schlag, bis Muradin die Worte sprach, von denen Arthas nie geglaubt hätte, sie zu hören.

»Ich gebe auf!«

Arthas musste sich anstrengen, um den Schlag nicht auszuführen, wobei er das Gleichgewicht verlor und stolperte.

Muradin lag reglos da, nur seine Brust hob und senkte sich.

Angst erfasste Arthas’ Herz. »Muradin? Muradin!«

Ein herzhaftes Lachen klang aus dem dicken Bronzebart. »Sehr gut, Junge, wirklich sehr gut!« Er kämpfte sich auf die Beine und Arthas reichte ihm die Hand. Muradin drückte sie glücklich. »So, also habt Ihr doch aufgepasst, als ich Euch meinen Spezialtrick verriet.«

Erleichtert und zufrieden lächelte Arthas. Einiges von dem, was Muradin ihn gelehrt hatte, würde in der Ausbildung zum Paladin wiederholt, verfeinert und verbessert werden. Doch andere Dinge… nun, er glaubte nicht, dass Uther, der Lichtbringer, sich zu festen Tritten in den Bauch herabließ oder die Effektivität einer zerbrochenen Weinflasche kannte. Es gab eben Kämpfen und Kämpfen, und Muradin Bronzebart schien bestrebt zu sein, Arthas Menethil alle Aspekte davon beizubringen.

Arthas war jetzt vierzehn Jahre alt und übte mit Muradin mehrere Male pro Woche, außer wenn der Zwerg auf diplomatischer Mission unterwegs war. Zuerst war die Ausbildung so verlaufen, wie beide Parteien gedacht hatten – schlecht. Arthas war aus dem ersten Dutzend Lehrstunden mit Beulen, blutig und hinkend herausgekommen. Er hatte stur jede Hilfe zur Heilung abgelehnt und bestand darauf, dass der Schmerz mit zur Ausbildung gehöre. Muradin hatte das befürwortet und Arthas noch härter rangenommen. Arthas beschwerte sich nie, nicht einmal, wenn er es wollte, nicht einmal, wenn Muradin ihn beschimpfte oder die Angriffe verstärkte, nachdem Arthas zu müde war, um auch nur den Schild zu halten.

Und für die störrische Weigerung, zu jammern oder aufzugeben, wurde er doppelt belohnt: Er lernte, lernte schnell, und er gewann den Respekt von Muradin Bronzebart.

»Oh ja, Sire, ich habe aufgepasst«, lachte Arthas.

»Guter Junge, guter Junge.« Muradin griff nach oben, um ihm auf die Schulter zu klopfen. »Jetzt ist es genug. Ihr habt heute einige Prügel eingesteckt, Ihr verdient ein wenig Ruhe.«

Seine Augen blitzten, als er das sagte, und Arthas nickte, als würde er zustimmen. Heute hatte Muradin Prügel eingesteckt. Und er schien genauso glücklich darüber zu sein wie Arthas. Das Herz des Prinzen füllte sich plötzlich mit Zuneigung für den Zwerg. Obwohl er ein strenger Lehrmeister war, war Muradin jemand, den Arthas schrecklich gern hatte.

Er pfiff, als er sich den königlichen Gemächern näherte, doch ein plötzlicher Wutausbruch ließ ihn abrupt stehen bleiben.

»Nein, Vater! Das werde ich nicht!«

»Calia, ich habe genug von dieser Unterredung. Du hast in dieser Sache nichts zu melden.«

»Papa, bitte, nicht!«

Arthas kam ein wenig näher an Calias Kammer heran. Die Tür war nur angelehnt und er hörte besorgt zu. Terenas redete mit Calia. Was in aller Welt wollte er von ihr, dass sie ihn derart anbettelte und sogar den väterlichen Kosenamen verwendete, den sie beide sich abgewöhnt hatten, seit sie erwachsen wurden?

Calia schluchzte. Arthas konnte es nicht mehr ertragen. Er öffnete die Tür. »Entschuldigung, doch ich konnte es nicht überhören… Was ist los?«

Terenas’ Handlungen hatten in letzter Zeit oft merkwürdig gewirkt. Und jetzt war er auf seine sechzehnjährige Tochter wütend.

»Das geht dich nichts an, Arthas«, polterte er. »Ich habe Calia erklärt, was ich von ihr verlange. Sie wird mir gehorchen.«

Calia brach schluchzend auf dem Bett zusammen. Arthas blickte erstaunt von seinem Vater zu seiner Schwester. Terenas murmelte etwas und stürmte hinaus. Arthas blickte zu Calia, dann folgte er seinem Vater.

»Vater, bitte, was ist denn los?«

»Frag nicht mich. Calias Pflicht ist es, ihrem Vater zu gehorchen.« Terenas schritt durch eine Tür in den Empfangsraum.

Arthas sah Lord Daval Prestor, einen jungen Adeligen, von dem Terenas eine hohe Meinung hatte, zusammen mit zwei Magiern aus Dalaran, die er nicht kannte.

»Geh zurück zu deiner Schwester, Arthas, und versuche sie zu beruhigen. Ich bin so schnell ich kann bei euch, ich verspreche es.«

Mit einem letzten Blick auf die drei Besucher nickte Arthas und kehrte zurück in Calias Kammer.

Seine ältere Schwester hatte sich nicht von der Stelle bewegt, obwohl ihr Schluchzen leiser geworden war. Völlig hilflos hockte sich Arthas einfach neben sie aufs Bett und fühlte sich schlecht.

Calia setzte sich auf, ihr Gesicht war nass. »Es tut mir leid, d-dass du das mit ansehen musstest, Arthas, doch v-vielleicht ist es so das Beste.«

»Was will Vater denn von dir?«

»Er will, dass ich gegen meinen Willen heirate.«

Arthas blinzelte. »Calia, du bist erst sechzehn, du bist nicht mal alt genug, um zu heiraten.«

Sie griff nach einem Taschentuch und tupfte sich damit die geschwollenen Augen. »Das habe ich auch gesagt. Doch Vater meint, das sei egal. Wir machen die Verlobung offiziell und an meinem Geburtstag heirate ich Lord Prestor.«

Arthas’ meergrüne Augen weiteten sich, als er begriff. Deshalb also war Lord Prestor hier…

»Nun«, begann er ungeschickt, »er hat sehr gute Beziehungen und… ich glaube, er sieht gut aus. Das sagt jeder. Immerhin ist er kein alter Mann.«

»Du verstehst nicht, Arthas. Mir ist es egal, wie gut seine Verbindungen sind oder wie schön oder auch nett er ist. Es geht darum, dass ich gar keine Wahl habe. Ich bin… ich bin wie ein Pferd. Mich wegzugeben, passt Vater einfach in den Kram – um ein politisches Geschäft zu machen.«