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»Du… du liebst Prestor nicht?«

»Ihn lieben?« Ihre geröteten Augen verengten sich vor Wut. »Ich kenne ihn doch kaum! Er hat doch nie auch nur das Geringste… ach, was soll das denn? Ich weiß, dass es gängige Praxis unter Königen und Adeligen ist. Dass wir nur ein Pfand sind. Doch ich habe nie geglaubt, dass Vater…«

Das hatte Arthas auch nicht. Er hatte sich nie ernsthaft mit dem Gedanken einer Heirat beschäftigt, egal, ob es um ihn oder seine Schwester ging. Er hatte mehr Interesse daran, mit Muradin zu üben und auf Invincible zu reiten. Doch Calia hatte recht. Es war üblich, unter den Adeligen gute Ehen zu schließen, um den politischen Status zu festigen.

Er hätte nur niemals gedacht, dass sein Vater seine Tochter wie… wie eine Zuchtstute verkaufen würde.

»Calia, es tut mir wirklich leid«, sagte er und meinte es ehrlich. »Gibt es jemand anderen? Vielleicht kannst du Vater überreden, dass es einen besseren Kandidaten gibt – einen, der auch dich glücklich macht.«

Calia schüttelte bitter den Kopf. »Es hat keinen Sinn. Du hast ihn gehört. Er hat mich nicht gefragt, hat mir Lord Prestor nicht vorgeschlagen – er hat ihn mir befohlen.« Sie blickte ihn bitter an. »Arthas, wenn du König bist, versprich mir – versprich mir, dass du das deinen Kindern nicht antust.«

Kinder? Arthas wäre von selbst nie darauf gekommen, darüber nachzudenken. Es gab nicht einmal – nun ja, doch, es gab jemanden, aber er hatte an sie nie derart…

»Und wenn du heiratest – Papa kann es dir nicht befehlen, so wie mir. Stell sicher, dass dir dieses Mädchen etwas bedeutet und… und dass du ihr etwas bedeutest. Oder dass sie zumindest gefragt wird, mit wem sie ihr Leben und ihr… Bett teilen will.«

Sie begann erneut zu weinen, doch Arthas war von den Ereignissen, die gerade über ihn hereinbrachen, zu erschüttert. Er war erst vierzehn Jahre alt, doch in vier kurzen Jahren war er im heiratsfähigen Alter. Er erinnerte sich plötzlich an Gesprächsfetzen, die er hier und da über die Zukunft des Hauses Menethil aufgeschnappt hatte. Seine Frau würde die Mutter von Königen sein. Er musste sorgfältig wählen. Doch ebenso würde er, wie Calia es gefordert hatte, besonnen vorgehen. Seine Eltern bedeuteten einander offensichtlich viel. Das erkannte man an ihrem Lächeln und den kleinen Gesten, trotz der vielen Ehejahre. Arthas wollte auch so etwas. Er wollte eine Gefährtin, eine Freundin, eine…

Er runzelte die Stirn. Was war, wenn er das nicht haben konnte? »Es tut mir leid, Calia, doch vielleicht bist du die Glücklichere von uns beiden. Es wäre schlimm, wenn man zwar die Freiheit der Wahl hätte, aber dennoch wüsste, dass man nicht das haben kann, was man haben möchte…«

»Dieses Los würde ich augenblicklich gegen das Dasein als ein… ein Stück Fleisch eintauschen.«

»Wir haben alle unsere Pflichten, glaube ich«, sagte Arthas düster. »Du musst heiraten, wen Vater für dich aussucht, und ich muss diejenige heiraten, die gut für das Königreich ist.« Er stand plötzlich auf. »Es tut mir leid, Calia.«

»Arthas – wo gehst du hin?«

Er antwortete nicht, sondern rannte praktisch durch den Palast zu den Ställen. Ohne auf einen Stallknecht zu warten, sattelte er Invincible schnell selbst. Arthas wusste, dass es nur eine Lösung auf Zeit war. Doch er war vierzehn Jahre alt und eine Lösung auf Zeit war immer noch eine Lösung.

Er beugte sich über Invincibles Rücken und die weiße Mähne fuhr ihm übers Gesicht, als das Pferd angaloppierte. Für ihn bestand es nur aus geschmeidigen Muskeln und Anmut. Arthas musste lächeln. Er war niemals glücklicher als während seiner Ausritte mit Invincible, wenn sie beide sich zu einem herrlichen Ganzen vereinten. Er hatte gewartet, seine Geduld auf die Probe gestellt. So lange hatte es gedauert, bis er das Tier, bei dessen Geburt er dabei gewesen war, reiten durfte.

Doch es war das Warten wirklich wert gewesen. Sie bildeten ein perfektes Team. Invincible wollte nichts von ihm, erwartete nichts von ihm. Ihm reichte es, aus dem Stall hinauszukommen, so wie Arthas der Enge seines königlichen Daseins entfliehen wollte. Also taten sie es gemeinsam.

Sie näherten sich einer Sprungstelle, die Arthas inzwischen liebte. Im Osten der Hauptstadt, nah bei Balnirs Gehöft, gab es ein paar kleinere Hügel. Invincible preschte vor, die Erde wurde unter den trommelnden Hufen aufgewühlt, und er galoppierte den Anstieg zum Felshang hinauf, als würde er sich auf ebenem Boden befinden. Invincible donnerte den schmalen Pfad entlang und wirbelte mit den Hufen Steine auf. Sein Herz und das von Arthas rasten beide vor Erregung. Dann lenkte Arthas den Hengst nach links, über die Böschung – eine Abkürzung zu Balnirs Hof.

Invincible zögerte nicht, hatte auch nicht beim allerersten Mal gezögert, als Arthas ihn springen ließ.

Das Pferd sammelte sich und schoss vorwärts, und einen wunderbaren Augenblick lang waren Ross und Reiter in der Luft.

Dann landeten sie sicher auf dem weichen, federnden Gras.

Invincible – unbesiegbar.

4

»Wie Ihr sehen könnt, Euer Hoheit«, sagte Generalleutnant Aedelas Schwarzmoor, »werden die Steuern gut genutzt. Es wurden alle notwendigen Vorkehrungen getroffen. Die Sicherheit ist so hoch, dass wir hier sogar Gladiatorenkämpfe abhalten können.«

»Davon habe ich gehört«, sagte Arthas, während er das Gelände mit dem Kommandeur des Internierungslagers inspizierte. Durnholde war kein richtiges Internierungslager, sondern bildete das Verteilungszentrum für alle anderen. Es war groß und verbreitete tatsächlich eine feierliche Atmosphäre an diesem frischen, aber sonnigen Herbsttag. Der Wind peitschte die blauen und weißen Banner, die über der Burg wehten, zerzauste Schwarzmoors lange rabenschwarze Haare und zerrte an Arthas’ Umhang, während sie über die Mauer flanierten.

»Und Ihr sollt sie auch sehen«, versprach Schwarzmoor und schenkte seinem Prinzen ein einnehmendes Lächeln.

Es war Arthas’ Idee gewesen, dem Lager einen Überraschungsbesuch abzustatten. Terenas hatte Arthas für seine Initiative und sein Mitgefühl gelobt. »Es ist nur richtig, Vater«, hatte Arthas erwidert und dies auch so gemeint – wenngleich sein hauptsächlicher Grund der Orc war, den sich der Generalleutnant hielt. »Wir sollten sicherstellen, dass das Geld in die Lager fließt und nicht in Schwarzmoors Taschen. Wir können uns vergewissern, ob er sich ordentlich um die Gladiatorenkämpfer kümmert, und sicherstellen, dass er nicht den Weg seines Vaters einschlägt.«

Schwarzmoors Vater, General Aedelyn Schwarzmoor, war ein berüchtigter Verräter gewesen. Er war verurteilt worden, weil er Staatsgeheimnisse verkauft hatte. Obwohl die Verbrechen schon lange zurücklagen – sein Sohn war damals noch ein Kind gewesen –, hatte die Schande den jungen Schwarzmoor seine gesamte Militärlaufbahn hindurch verfolgt. Nur durch seine Erfolge in der Schlacht und seine Verbissenheit im Kampf gegen die Orcs war es ihm möglich gewesen, im Rang aufzusteigen. Dennoch bemerkte Arthas die Alkoholfahne im Atem des Mannes, und das zu dieser frühen Morgenstunde. Er vermutete, dass Terenas davon wusste, wollte es seinem Vater aber dennoch berichten.

Arthas blickte nach unten und heuchelte Interesse, als er die aufmerksamen Wachposten beobachtete. Er fragte sich, ob sie erkannten, dass ihr zukünftiger König sie gar nicht beachtete.

»Ich freue mich schon auf den Kampf heute«, sagte er. »Werde ich Euren Thrall in Aktion erleben? Ich habe schon einiges von ihm gehört.«

Schwarzmoor lächelte, sein Mund öffnete sich und entblößte tadellos weiße Zähne. »Eigentlich sollte er heute nicht kämpfen, aber für Euch, Euer Hoheit, werde ich ihn gegen die fähigsten Gegner antreten lassen.«

Zwei Stunden später war der Rundgang beendet und Arthas nahm ein schmackhaftes Mahl mit Schwarzmoor und einem jüngeren Mann namens Lord Karramyn Langstein ein, den Schwarzmoor als seinen »Protegé« vorstellte. Arthas mochte Langstein instinktiv nicht. Ihm missfielen die weichen Hände des Mannes und sein kraftloses Auftreten.