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Alte Frau. Ein Lächeln blitzte über ihre Lippen. Ihre eigene Jugendzeit lag auch schon ein Weilchen zurück. Eine Jugend, in der Arthas Menethil eine bedeutende Rolle gespielt hatte.

»Erzähl mir von ihm«, sagte Aegwynn und lehnte sich im Stuhl zurück. In diesem Augenblick trat einer der Diener mit einem dampfenden Becher Tee und frisch aus dem Ofen kommenden Keksen ein. Jaina nahm beides dankbar an.

»Ich habe dir schon alles gesagt.«

»Nein«, gab Aegwynn zurück. »Du hast mir nur die Fakten genannt. Ich möchte, dass du mir von ihm erzählst. Von Arthas Menethil. Denn, was auch immer dort oben in Nordend vor sich geht – und ja, ich glaube, dass dort etwas geschieht –, hat mit Arthas zu tun, nicht mit dem Lichkönig. Zumindest noch nicht.« Die Falten im Gesicht der alten Frau verzogen sich zu einem verschmitzten Lächeln und ein mädchenhaftes Glitzern erfüllte ihre smaragdgrünen Augen: »Außerdem ist es ein kalter, regnerischer Tag, wie für Geschichten gemacht.«

6

Jaina Prachtmeer summte leise vor sich hin, während sie durch die Gärten von Dalaran schlenderte. Seit acht Jahren lebte sie nun schon hier und die Stadt hatte nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Alles strahlte Magie aus und für sie war es fast wie ein eigenes Aroma, ein Duft nach allem, was blühte. Lächelnd nahm sie ihn in sich auf.

Natürlich stammte ein Teil des »Dufts« von echten Blumen. Die Gärten waren nicht pur voller Magie. Jaina war nie gesünder gewesen, hatte nie buntere Blumen gesehen oder mehr Köstlichkeiten – Früchte und Gemüse – gegessen als hier. Und dann erst das Wissen! Jaina glaubte, dass sie in den letzten acht Jahren mehr gelernt hatte als in ihrem ganzen Leben davor. Das meiste davon in den letzten beiden Jahren, seit Erzmagier Antonidas sie als Schülerin aufgenommen hatte. Wenige Dinge befriedigten sie mehr, als mit einem kühlen Glas Nektar und einem Stapel Bücher in der Sonne zu sitzen und zu lesen.

Natürlich mussten einige der selteneren Pergamente vor dem Sonnenlicht und verschüttetem Nektar geschützt werden. Deshalb genoss sie es auch, diese Schriften, die älter waren, als sie sich vorstellen konnte, in einem der zahlreichen Räume zu studieren. Dabei trug sie stets Handschuhe, damit das empfindliche Papier nicht beschädigt wurde.

Doch jetzt wollte sie nur durch die Gärten laufen, die vitale Erde unter den Füßen spüren, die unglaublichen Düfte in sich aufnehmen, und sobald sich der Hunger meldete, einen von der Sonne gewärmten Goldrindenapfel pflücken und genussvoll verspeisen.

»In Quel’Thalas«, sagte eine sanfte, kultivierte Stimme, »gibt es Bäume, die selbst diese Exemplare mit ihrer herrlichen weißen Kinde und den goldenen Blättern überragen. Sie singen im Abendwind. Ich bin mir sicher, dass Ihr sie eines Tages gern sehen würdet.«

Jaina wandte sich um, lächelte Prinz Kael’thas Sonnenwanderer an und machte einen tiefen Knicks. Er war der Sohn von Anasterian, des Elfenkönigs der Quel’dorei. »Euer Hoheit«, sagte sie, »ich wusste nicht, dass Ihr zurückgekehrt seid. Es ist mir ein Vergnügen, Euch zu begegnen. Und ja, das würde ich gerne.«

Auch wenn Jaina keinem königlichen Geschlecht entstammte, so war sie doch die Tochter eines adeligen Herrschers. Ihr Vater, Admiral Daelin Prachtmeer, herrschte über den Stadtstaat Kul Tiras. Jaina war also den Umgang mit Adeligen gewöhnt. Und dennoch hatte Prinz Kael’thas sie aus der Fassung gebracht. Sie war sich nicht sicher, woran es genau lag.

Er war natürlich attraktiv und hochgewachsen, mit der Anmut und der Schönheit ausgestattet, die alle Elfen auszeichneten. Sein Haar, das bis auf seinen Rücken hinabreichte, wirkte wie gesponnenes Gold. Dadurch ähnelte er eher einer Sagengestalt als einer echten und lebendigen Person. Auch wenn er derzeit die einfacheren violetten und goldenen Gewänder der Magier von Dalaran trug und nicht die aufwendigen Roben, wie zu offiziellen Anlässen, so schien er dennoch nie seine Steifheit zu verlieren. Vielleicht lag es daran, dass ihn stets eine Art altmodischer Förmlichkeit umgab. Er war auch viel älter als sie und ein sehr talentierter und mächtiger Magier. Einige der Schüler munkelten, er sei einer der sechs der geheimen Vereinigung der höchstrangigen Magier von Dalaran.

Vermutlich schüchterte er Jaina deswegen so ein, und nicht weil sie nur ein Mädchen vom Lande war.

Er pflückte sich selbst einen Apfel und biss hinein. »Die Nahrung der Menschen ist von einer gewissen Herzhaftigkeit, die ich zu schätzen gelernt habe.« Er lächelte verschwörerisch. »Manchmal hinterlässt die Elfennahrung, obwohl sie köstlich und appetitlich ist, den Wunsch nach etwas Handfesterem.«

Jaina lächelte. Prinz Kael’thas bemühte sich immer sehr, ihr die Nervosität zu nehmen. Sie wünschte nur, er hätte damit mehr Erfolg gehabt. »Nur wenige Dinge sind besser als ein Apfel und eine Scheibe Brot aus Dalaran«, stimmte sie zu. Die Stille danach dehnte sich unangenehm aus, trotz der Normalität der Situation und der Wärme der Sonne. »Seid Ihr schon länger wieder hier?«

»Ja, meine Aufgabe in Silbermond ist bis auf Weiteres beendet. Deshalb sollte ich eine Weile hierbleiben.« Er sah sie an und biss erneut in den Apfel. Seine schönen Gesichtszüge waren darin geübt, teilnahmslos zu wirken. Dennoch wusste Jaina, dass er auf eine Reaktion wartete.

»Wir sind alle sehr froh, dass Ihr zurück seid, Euer Hoheit.«

Er drohte ihr mit dem Finger. »Ich habe Euch doch gesagt, dass Ihr mich bitte einfach Kael nennen sollt.«

»Es tut mir leid, Kael.«

Er blickte sie an und ein Hauch von Bedauern glitt über seine perfekten Gesichtszüge. Doch dieser Anflug eines Gefühls war so schnell wieder verschwunden, dass Jaina sich fragte, ob sie sich ihn nur eingebildet hatte. »Wie kommen Eure Studien voran?«

»Sehr gut«, sagte sie und erwärmte sich mehr für das Gespräch, nun, da es um schulische Dinge ging. »Seht!« Sie wies auf ein Eichhörnchen, das auf einem hohen Ast saß und an einem Apfel knabberte. Sie murmelte einen Zauber. Augenblicklich verwandelte sich das possierliche Tierchen in ein Schaf; ein komischer Ausdruck der Überraschung lag auf seinem Gesicht, als der Ast unter dem Gewicht brach und es hinunterfiel. Augenblicklich streckte Jaina die Hand aus und das Eichhörnchen-Schaf blieb mitten in der Luft hängen. Sanft ließ sie es unverletzt zu Boden sinken. Es blökte sie an, zuckte mit den Ohren und kurze Zeit später war es wieder ein höchst verwirrt blickendes Eichhörnchen. Es saß auf dem Hintern, schnatterte sie wütend an, klopfte mit dem buschigen Schwanz auf den Boden und sprang dann hinauf in den Baum.

Kael’thas lachte. »Gut gemacht! Ihr setzt keine Bücher mehr in Brand, hoffe ich doch mal?«

Jaina lief rot an und erinnerte sich an den Zwischenfall. Als sie noch neu gewesen war, war sie nicht sonderlich geschickt im Umgang mit Feuer gewesen. Sie hatte versehentlich ein Buch entzündet, während sie mit Kael’thas arbeitete – ein Buch, das er in Händen gehalten hatte. Danach hatte er angeordnet, dass sie für die nächsten Monate alle Feuerzauber in der Nähe der Teiche üben musste, die beim Gefängnis lagen. »Ähm… nein, das ist schon eine Weile nicht mehr passiert.«

»Ich bin froh, das zu hören, Jaina…« Er trat vor, warf den halb gegessenen Apfel weg und lächelte freundlich. »Das war übrigens ernst gemeint, als ich Euch nach Quel’Thalas eingeladen habe. Dalaran ist eine wundervolle Stadt und einige der besten Magier von Azeroth leben hier. Ich weiß, dass Ihr hier viel lernt. Doch ich glaube, es würde Euch gefallen, ein Land zu besuchen, wo die Magie ein fester Bestandteil der Kultur ist. Nicht nur Teil einer Stadt oder begrenzt auf eine Handvoll elitärer, ausgebildeter Magier. Wir sind von Geburt an mit Magie vertraut. Der Sonnenbrunnen durchdringt uns alle. Das interessiert Euch doch sicherlich, oder?«