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Das verlieh ihrer Beziehung einen zusätzlichen Reiz. Sie stahlen sich Momente, wann immer sie konnten – einen Kuss in einer Laube, einen flüchtigen Blick bei einem förmlichen Abendessen. Ihr erster gemeinsamer Ausflug war völlig unschuldig gewesen. Doch nun vermieden sie solche Dinge geflissentlich. Er merkte sich ihren Zeitplan, sodass er wie zufällig auf sie traf. Sie erfand Ausreden, um in die Ställe oder auf den Hof zu gehen, wo Arthas und seine Männer trainierten, damit sie nicht aus der Übung kamen.

Arthas liebte jede riskante und gewagte Minute davon.

Jetzt wartete er in einem wenig benutzten Gang vor einem Bücherregal und gab vor, die einzelnen Titel durchzugehen. Jaina perfektionierte hier in der Nähe ihre Feuerzauber. Aus Gewohnheit, hatte sie ihm mit einem verlegenen Lächeln verraten, blieb sie dabei immer noch in der Nähe des Gefängnisses und der zahlreichen Teiche. Sie musste auf dem Weg zu ihrem Zimmer bei ihm vorbeikommen.

Seine Ohren lauschten auf ein Geräusch von ihr. Da war es – das leise Tappen ihrer Schuhe, die sich über den Boden bewegten. Er wandte sich um, nahm ein Buch, tat, als würde er es sich ansehen, und suchte aus dem Augenwinkel heraus nach ihr.

Jaina war wie üblich in das traditionelle Gewand der Schüler gekleidet. Ihr Haar leuchtete wie der Sonnenschein und sie zeigte den für sie typischen konzentrierten Blick. Eine Furche hatte sich auf ihrer Stirn gebildet, die Nachdenklichkeit andeutete, keine Verärgerung. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt. Schnell stellte er das Buch weg und schoss in den Gang, bevor sie zu weit entfernt war, fasste sie am Arm und zog sie in die Schatten.

Wie immer erschreckte sie sich nicht, kam ihm entgegen, drückte die Bücher mit dem einen Arm an die Brust, während sie den anderen um seinen Hals legte und ihn küsste.

»Hallo, Milady«, murmelte er, liebkoste ihren Hals und schmiegte sich an ihre Haut.

»Hallo, mein Prinz«, murmelte sie glücklich und seufzte. ,

»Jaina«, sagte eine Stimme, »warum habt Ihr…«

Sie sprangen schuldbewusst auseinander, blickten den Eindringling an. Jaina keuchte leise und errötete. »Kael…«

Das Gesicht des Elfen war mühsam beherrscht, doch die Wut loderte in seinen Augen und sein Kinn war energisch vorgereckt. »Ihr habt das Buch fallen lassen, als Ihr gegangen seid«, sagte er und reichte es ihr. »Ich wollte es Euch bringen.«

Jaina blickte zu Arthas auf und biss sich auf die Unterlippe. Er war genauso erschrocken wie sie, doch er zwang sich zu einem lässigen Lächeln. Trotzig ließ er den Arm um Jaina liegen, als er sich zu Kael’thas umdrehte.

»Das ist sehr nett von Euch, Kael«, sagte er. »Danke.«

Einen Augenblick lang glaubte er, dass Kael’thas ihn angreifen würde. Wut und Empörung tobten in dem Magier. Er war mächtig und Arthas wusste, dass er keine Chance gegen ihn hatte. Dennoch hielt er dem Blick des Elfenprinzen stand und wich keinen Zoll zurück. Kael’thas ballte die Fäuste und blieb stehen, wo er war.

»Schämt Ihr Euch für sie, Arthas?«, zischte Kael’thas. »Ist sie Eure Zeit nur wert, wenn niemand es weiß?«

Arthas Augen verengten sich. »Ich wollte die Gerüchteküche nicht anheizen«, sagte er ruhig. »Ihr wisst doch, wie das funktioniert, Kael, oder? Jemand sagt etwas und als Nächstes glaubt man es dann. Ich wollte ihren Ruf schützen, indem…«

»Schützen?« Kael’thas spie das Wort aus. »Wenn sie Euch etwas bedeuten würde, würdet Ihr offen um sie werben. Jeder Mann würde das.« Er blickte Jaina an und seine Wut war verflogen, ersetzt worden von einem flüchtigen Ausdruck des Schmerzes. Jaina blickte zu Boden. »Ich lasse Euch jetzt allein bei Eurem… Stelldichein. Und keine Angst, ich werde nichts verraten.«

Mit einem wütenden Zischen warf er Jaina verächtlich das Buch zu. Ein Buch, das wahrscheinlich unbezahlbar war, landete krachend vor Jainas Füßen und sie zuckte bei dem Geräusch zusammen. Dann verschwand er mit wirbelnden violetten und goldenen Gewändern.

Jaina stieß einen Seufzer aus und legte den Kopf an Arthas’ Brust.

Arthas tätschelte ihr sanft den Rücken. »Es ist alles in Ordnung, er ist jetzt fort.«

»Es tut mir leid. Ich schätze, ich hätte es dir sagen sollen.«

Seine Brust zog sich zusammen. »Mir was sagen? Jaina – sind du und er…«

»Nein!«, antwortete sie sofort und sah zu ihm auf. »Nein. Aber – ich glaube, er wollte es. Ich habe nur… er ist ein guter Mann und ein mächtiger Magier. Und ein Prinz. Aber er ist nicht…« Ihre Stimme verlor sich.

»Er ist nicht was?« Die Worte klangen schärfer, als er es beabsichtigt hatte. Kael war so vieles, was Arthas nicht war. Älter, gebildet, erfahren, mächtig und von fast unmöglicher körperlicher Perfektion. Er spürte, wie die Eifersucht in ihm zu einem kalten, festen Klumpen wurde. Wenn Kael in diesem Augenblick zurückgekommen wäre, hätte Arthas ihm womöglich einen Hieb verpasst.

Jaina lächelte sanft, die Falte auf ihrer Stirn verschwand. »Er ist nicht wie du.«

Der eisige Knoten in ihm schmolz wie der Winter in der Wärme des Frühlings. Sie zog ihn an sich und küsste ihn erneut.

Wen interessierte schon, was ein verstaubter Elfenprinz dachte?

Das Jahr verging ohne weiteren Zwischenfall. Als der Sommer dem frischen Herbst wich und dann der Winter kam, wurden die Beschwerden über die Kosten für die Orc-Lager lauter. Doch sowohl Terenas als auch Arthas hatten das erwartet. Arthas übte weiter mit Uther. Der ältere Mann war felsenfest davon überzeugt, dass es neben dem Umgang mit der Waffe ebenfalls wichtig war, zu beten und zu meditieren. »Natürlich müssen wir unsere Feinde niederringen können«, sagte er. »Doch wir müssen auch in der Lage sein, unsere Freunde und uns selbst zu heilen.«

Arthas dachte an Invincible. Im Winter schweiften seine Gedanken immer wieder zu dem Pferd, und Uthers Bemerkung erinnerte ihn nur wieder an den größten Fehler seines Lebens. Wenn er bloß früher mit der Ausbildung begonnen hätte, wäre der große weiße Hengst noch am Leben. Er hatte niemandem je verraten, was an diesem schneebedeckten Tag genau geschehen war. Alle glaubten, es wäre ein Unfall gewesen. Und das war es auch, redete sich Arthas selber ein. Er hatte nicht vorgehabt, Invincible etwas anzutun. Er liebte das Pferd, eher hätte er sich selbst verletzt. Und wenn er die Ausbildung zum Paladin eher begonnen hätte, so wie Varian es beim Schwertkampf gemacht hatte, hätte er Invincible retten können. Er schwor sich, dass so etwas nie wieder geschehen würde. Er würde stets alles tun, was notwendig war. Niemals wieder würde er derart hilflos und unvorbereitet sein.

Der Winter verging, wie es alle Winter taten, und der Frühling kam wieder nach Tirisfal. Genauso wie Jaina Prachtmeer, die, jung und schön, für Arthas ein ebenso willkommener Anblick war wie die neuen Blüten, die auf den Bäumen erwachten. Sie war gekommen, um an den offiziellen Feierlichkeiten von Nobelgarten teilzunehmen, dem wichtigsten Frühlingsfest von Lordaeron und Sturmwind. Arthas stellte fest, dass langes Aufbleiben bis spät in die Nacht, Weintrinken und Eier mit Süßigkeiten zu füllen, nicht so langweilig war, wenn Jaina dabei war. Ihre Stirn furchte sich in der liebenswerten Weise, die er an ihr entdeckt hatte und die nur sie beherrschte. Mit Sorgfalt und Präzision füllte sie die Eier und stellte sie beiseite.

Obwohl es noch keine öffentliche Ankündigung gab, hatten Arthas’ und Jainas Eltern bereits miteinander gesprochen und es gab eine stillschweigende Übereinkunft, dass die Werbung gestattet wurde. Deshalb wurde Arthas, den sein Volk bereits liebte, immer öfter ausgeschickt, um Lordaeron bei öffentlichen Auftritten anstelle von Uther und Terenas zu vertreten. Im Laufe der Zeit hatte sich Uther immer mehr auf den spirituellen Aspekt des Lichts zurückgezogen und Terenas schien froh zu sein, dass er nicht reisen musste.

»Wenn man jung ist, ist es aufregend, tagelang auf dem Rücken eines Pferdes zu reisen und unter den Sternen zu schlafen«, sagte er zu Arthas. »Wenn du aber in meinem Alter bist, sollte Reiten der Entspannung dienen und die Sterne, die man beim Blick aus dem Fenster sehen kann, reichen dann völlig aus.«