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»Bin ich das? Lord Uther, durch das Recht der Erbfolge und die Souveränität meiner Krone enthebe ich Euch hiermit des Kommandos und entlasse Eure Paladine aus dem Dienst.«

»Arthas!«, schrie Jaina auf. Ihre Zunge war durch den Schock wieder frei. »Du kannst nicht einfach…«

Er wirbelte wütend zu ihr herum und blaffte: »Es ist vorbei!«

Sie blickte ihn an. Er wandte sich an die Männer, die stumm und vorsichtig den Ausgang des Gesprächs abgewartet hatten. »Alle von Euch, die den Willen haben, dieses Land zu retten, folgen mir. Der Rest von Euch… geht mir aus den Augen!«

Jaina fühlte sich schlecht und benommen. Er wollte das wirklich durchziehen. Er würde nach Stratholme einmarschieren und jeden lebenden Mann, jede Frau und jedes Kind innerhalb der Mauern töten.

Sie taumelte und hielt sich an den Zügeln ihres Pferdes fest. Das Tier senkte den Kopf und wieherte sie an, blies warmen Atem aus seinen sanften Nüstern über ihre Wangen. Sie neidete ihm seine Sorglosigkeit.

Jaina fragte sich, ob Uther seinen früheren Schüler angreifen würde. Doch er war durch einen Eid an den Dienst für den Prinzen gebunden, selbst wenn er seines Kommandos enthoben wurde. Sie sah, wie die Sehnen an seinem Hals hervortraten, konnte beinahe hören, wie er mit den Zähnen knirschte. Doch Uther griff seinen Lehnsherrn nicht an.

Diese Treue ließ ihn aber nicht verstummen. »Ihr überschreitet eine schreckliche Grenze, Arthas.«

Arthas blickte ihn noch einen Augenblick länger an, dann zuckte er mit den Achseln. Er wandte sich Jaina zu, ihre Augen suchten seine und einen Augenblick lang – nur einen winzigen Augenblick – wirkte er wie er selbst: ernst, jung, ein wenig verunsichert.

»Jaina?«

In dem einen Wort lag so viel mehr an Bedeutung. Es war sowohl Frage als auch Bitte. Als sie ihn ansah, erstarrt, wie ein hypnotisiertes Kaninchen vor der Schlange, streckte er die gepanzerte Hand nach ihr aus. Sie blickte ihn einen Augenblick lang an, dachte an all die Zeiten, in denen diese Hand sie warm gehalten, sie gestreichelt, sich auf die Verwundeten gelegt und vom heilenden Licht durchdrungen geleuchtet hatte.

Sie konnte diese Hand nicht ergreifen.

»Es tut mir leid, Arthas. Ich kann dabei nicht tatenlos zusehen.«

Er trug kein Visier vor dem Gesicht, konnte seinen Schmerz nicht dahinter verbergen. Erschrecken und Unglaube gingen von ihm aus. Sie konnte ihn nicht länger ansehen. Jaina schluckte und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie wandte sich von ihm ab und suchte Uther, der sie mit Mitgefühl und Anerkennung betrachtete. Er streckte seine Hand aus, um ihr beim Aufsitzen zu helfen, und sie war dankbar für seine Stärke. Jaina zitterte und klammerte sich an ihr Pferd, als Uther aufsaß, ihre Zügel fasste und sie beide von dem größten Schrecken wegführte, den sie je erlebt hatten.

»Jaina?« Arthas’ Stimme folgte ihr.

Sie schloss die Augen, Tränen liefen unter den geschlossenen Lidern hervor. »Es tut mir leid«, flüsterte sie wieder. »Es tut mir so leid.«

»Jaina?… Jaina!«

Sie hatte ihm den Rücken gekehrt.

Er konnte es nicht glauben. Einen langen Augenblick lang starrte er einfach nur vor sich hin, wie vom Donner gerührt, und sah zu, wie sie sich entfernte. Wie konnte sie ihn so stehen lassen? Sie kannte ihn. Sie kannte ihn besser als irgendjemand sonst auf der Welt, besser als er sich vielleicht selbst kannte. Sie hatte ihn immer verstanden. Im Geiste ging er zu der Nacht zurück, in der sie zueinandergefunden und im goldgelben Licht des Strohmannfeuers gebadet hatten – und später im kalten Blau des Mondlichts. Er hatte sie schützend an sich gepresst.

Weise mich nicht zurück, Jaina. Weise mich nie zurück. Bitte.

Das würde ich niemals tun. Niemals.

Oh, das waren starke Worte gewesen, in einem starken Moment geflüstert. Doch nun, nun, wo es wirklich darauf ankam, hatte sie genau das getan – ihn zurückgewiesen und ihn verraten. Verdammt, sie hatte sogar eingestanden, dass sie sich lieber töten ließe, als von der Seuche befleckt zu werden. Sie hatte ihn allein gelassen. Wenn sie ihm in den Unterleib getreten hätte, hätte es nicht schlimmer schmerzen können.

Der Gedanke entflammte kurz, hell und brennend heiß: Hatte sie recht?

Nein. Nein, das konnte nicht sein. Denn wenn sie recht hatte, dann verwandelte er sich gerade in einen Massenmörder, und er wusste genau, dass dem nicht so war. Er wusste es.

Er schüttelte die Benommenheit ab, leckte sich die plötzlich trocken gewordenen Lippen und atmete tief ein. Einige der Männer waren mit Uther gegangen. Eine ganze Menge sogar. Zu viele, um ehrlich zu sein. Konnte er die Stadt mit den wenigen verbliebenen Soldaten nehmen?

»Sire, wenn ich darf«, sagte Falric. »Ich bin… nun… ich würde lieber in tausend Stücke zerhackt werden, als mich in einen Untoten zu verwandeln.«

Es gab zustimmendes Gemurmel und Arthas’ Herz hob sich. Er umfasste seinen Hammer. »Es ist kein Vergnügen, was wir hier tun müssen«, sagte er, »aber notwendig. Wir müssen die Seuche aufhalten, hier und jetzt, mit so wenigen Verlusten wie möglich. Die Menschen innerhalb der Stadtmauern sind bereits tot. Wir wissen das, auch wenn es ihnen selbst noch nicht klar ist, und wir müssen sie schnell und sauber töten, bevor es die Seuche macht.« Er blickte jeden von ihnen an, diese Männer, die sich nicht ihrer Pflicht verweigert hatten. »Sie müssen getötet werden. Ihre Häuser müssen zerstört werden, damit sie nicht denjenigen Schutz geben, für deren Rettung wir zu spät kommen.« Die Männer nickten zustimmend und griffen nach ihren Waffen. »Das ist kein großer und ruhmreicher Kampf. Er wird hässlich und schmerzvoll, und ich bedauere diese Notwendigkeit von ganzem Herzen. Doch genauso gut weiß ich, dass wir es tun müssen.«

Er hob seinen Hammer. »Für das Licht!«, rief er und als Antwort brüllten seine Männer und erhoben ihre Waffen. Er wandte sich dem Tor zu, atmete tief ein und ritt los.

Alle, die so früh schon auf den Beinen waren, waren leicht zu töten. Sie waren der Feind, keine Menschen mehr, sondern abscheuliche Karikaturen dessen, was sie einst im Leben dargestellt hatten. Ihre Schädel zu zertrümmern oder ihnen die Köpfe abzuschlagen, war nicht schwerer, als ein Kaninchen zu jagen. Die anderen…

Sie blickten zu den Männern auf, zu ihrem Prinzen. Zuerst waren sie verwirrt, dann verschreckt. Anfangs griffen die meisten nicht einmal zu den Waffen. Die Bürger kannten den Waffenrock, wussten, dass die Männer, die sie töteten, sie eigentlich beschützen sollten. Sie konnten einfach nicht fassen, warum sie sterben mussten.

Schmerz berührte Arthas’ Herz beim ersten Menschen, den er niedermetzelte. Es war ein Junge, kaum aus der Pubertät heraus, der ihn unverständig mit seinen braunen Augen ansah und noch sagte: »Milord, warum sind…« – bevor Arthas vor Schmerz brüllte und dann die Brust des Jungen mit dem Hammer zermalmte. Beiläufig stellte er fest, dass seine Waffe nicht mehr vom Licht durchflutet leuchtete. Vielleicht betrauerte auch das Licht die ernste Notwendigkeit seiner Handlungen. Er schluchzte, als er das Gefühl mit äußerster Willenskraft zurückdrängte und sich der Mutter des Jungen zuwandte.

Er hatte geglaubt, dass es leichter werden würde. Doch dem war nicht so. Es wurde sogar immer schlimmer. Arthas verbot sich, dem Kampf auszuweichen. Die Männer sahen in ihm ein Vorbild. Wenn er zögerte, würden sie es auch tun, und dann würde Mal’Ganis triumphieren. Er ließ den Helm aufgesetzt, damit niemand sein Gesicht sehen konnte, und er selbst entzündete die Feuer, die die Gebäude voller Menschen niederbrannten. Dabei gestattete er sich nicht, dass der schreckliche Anblick und die Schreie darin ihn in seinem Tun bremsten.

Es wurde leichter, als einige Bürger von Stratholme sich zu wehren begannen. Dann setzte der Selbstverteidigungsinstinkt ein. Die Menschen hatten immer noch keine Chance gegen Berufssoldaten und einen ausgebildeten Paladin. Aber es entschärfte das schreckliche Gefühl von… nun, Jaina hatte es »sie wie Vieh abschlachten« genannt.