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»Ich habe auf dich gewartet, junger Prinz.«

Die Stimme war tief und vibrierte in Arthas’ Geist genauso wie in seinen Ohren. Sie war volltönend und… es gab kein anderes Wort dafür… böse. Ein wahrer Schreckenslord, wie Kel’Thuzad gesagt hatte. Ein dunkler Name für ein dunkles Wesen.

»Ich bin Mal’Ganis.«

Arthas spürte so etwas wie Freude. Er hatte recht gehabt. Mal’Ganis war hier, er steckte hinter der Seuche. Und als Arthas’ Männer, die ebenso die Stimme vernahmen, sich umwandten und die Quelle suchten, flogen die Türen eines Hauses auf, in dem die Bürger sich versteckt hatten. Wandelnde Tote stürzten heraus, ihre Körper waren von einem grünen, kranken Leuchten durchdrungen.

»Wie du sehen kannst, gehören deine Leute nun mir. Ich werde diese Stadt Haus für Haus verwandeln, bis die Flamme des Lebens ausgelöscht ist… und zwar für immer.« Mal’Ganis lachte. Das Geräusch war beunruhigend, tief, rau und düster.

»Das werde ich nicht zulassen, Mal’Ganis!«, schrie Arthas. Sein Herz schwoll an, er war von der Richtigkeit seines Tuns überzeugt.

»Diese Menschen sterben besser durch meine Hand, statt dir als Sklaven im Tod zu dienen!«

Mal’Ganis lachte erneut und dann war er so schnell verschwunden, wie er gekommen war, und Arthas war damit beschäftigt, sein eigenes Leben gegen einen Pulk von Untoten zu verteidigen.

Arthas konnte hinterher nicht mehr sagen, wie lange es gedauert hatte, jede lebende – und tote – Person in der Stadt zu besiegen. Doch irgendwann war es vorbei. Er war erschöpft, zitterte und war angeekelt vom Geruch des Blutes, des Rauchs und dem kranken, süßlichen Gestank des vergifteten Brots, der in der Luft lag, auch wenn die Bäckerei selbst bereits verbrannt war. Blut und Eiter bedeckte seine einst strahlende Rüstung. Doch er war noch nicht fertig. Er wartete auf etwas, wovon er wusste, dass es noch kommen würde.

Und einen Augenblick später erschien sein Gegner tatsächlich, landete auf dem Dach eines der wenigen intakten Gebäude.

Arthas wankte. Die Kreatur war riesig, ihre Haut blaugrau, wie Stein. Gebogene Hörner prangten auf ihrem kahlen Schädel und zwei mächtige Flügel, denen einer Fledermaus ähnlich, erhoben sich hinter ihr wie lebendige Schatten. Ihre Beine, die in einer mit Stacheln überzogenen Rüstung steckten, voller verstörender Bilder von Knochen und Schädeln, waren gekrümmt und endeten in Hufen. Und im Licht seiner leuchtend grünen Augen erkannte Arthas seine scharfen Zähne, die zu einem arroganten Lächeln verzogen waren.

Arthas blickte zu der Kreatur auf und drohte in dem Schrecken zu versinken. Unglaube kämpfte mit den Tatsachen vor seinen Augen. Er hatte Sagen gehört, hatte in der Bibliothek zu Hause wie auch in den Archiven von Dalaran Bilder in alten Büchern gefunden. Doch solch ein monströses Ding wie das vor dem schwarzroten Himmel, vor dem Feuer und Rauch…

Ein Schreckenslord war ein Dämon. Ein Wesen aus Mythen. Es konnte nicht echt sein – und doch war es da, stand in all seiner schrecklichen Herrlichkeit vor ihm.

Schreckenslord.

Die Angst drohte Arthas zu überwältigen und er wusste, dass sie ihn, wenn er sie zuließ, vernichten würde. Er würde durch die Hand des Monsters sterben – ohne einen Kampf. Und mit der reinen Kraft seines Willens tauschte er den Schrecken gegen ein besseres Gefühl aus.

Hass.

Gerechten Zorn.

Er dachte an diejenigen, die unter seinem Hammer gefallen waren, die Lebenden und die Toten, die gefräßigen Ghoule und die verschreckten Frauen und Kinder, die nicht verstanden hatten, dass er ihre Seelen zu retten versuchte. Ihre Gesichter unterstützten ihn, sie konnten nicht – würden nicht – umsonst gestorben sein.

Irgendwie fand Arthas den Mut, dem dämonischen Blick entgegenzutreten, und er umklammerte seinen Hammer.

»Wir werden das gleich hier beenden. Mal’Ganis«, rief er. Seine Stimme war stark und fest. »Nur du und ich.«

Der Schreckenslord warf den Kopf zurück und lachte. »Tapfere Worte«, polterte er. »Unglücklicherweise für dich wird es hier nicht enden.« Mal’Ganis lächelte, seine schwarzen Lippen zogen sich zurück und entblößten seine scharfen, spitzen Zähne. »Eure Reise hat gerade erst begonnen, junger Prinz.«

Er streckte einen Arm aus und wies auf Arthas’ Männer. Lange scharfe Klauen glitzerten im Licht der Flammen, die immer noch brannten und die große Stadt verschlangen. »Sammle deine Kräfte und triff mich im arktischen Land Nordend. Dort wird sich deine wahre Bestimmung erfüllen.«

»Meine wahre Bestimmung?« Arthas’ Stimme krächzte vor Wut und Verwirrung. »Was willst du…« Die Worte erstarben in seiner Kehle, als die Luft um Mal’Ganis in einer vertrauten Art zu schimmern begann.

»Nein!«, brüllte Arthas. Er sprang vor, blind, rücksichtslos, und hätte den Schreckenslord binnen eines Herzschlags erschlagen, wäre nicht der Teleportzauber bereits beendet gewesen. Arthas schrie und schlug mit seinem schwach leuchtenden Hammer ins Leere. »Ich verfolge dich bis ans Ende der Welt, wenn es sein muss! Hörst du mich? Bis ans Ende der Welt!«

Wütend und schreiend drosch er mit dem Hammer wild gegen einen imaginären Feind, bis ihn die pure Erschöpfung zwang, die Waffe zu senken. Er stützte sich darauf. Arthas schwitzte und wurde von einem frustrierten, zornigen Schluchzen geschüttelt.

Bis ans Ende der Welt.

13

Drei Tage später ging Lady Jaina Prachtmeer durch die Straßen der einst stolzen Stadt Stratholme, der Perle des nördlichen Lordaerons… die zum wahren Albtraum verkommen war.

Der allgegenwärtige Gestank war fast unerträglich. Jaina hob ein Taschentuch, das großzügig mit Friedensblumenduft getränkt war, vor ihr Gesicht. Doch der Versuch, das Schlimmste herauszufiltern, war nur teilweise von Erfolg gekrönt. Feuer, die eigentlich längst hätten erloschen sein müssen, loderten hoch in den Himmel und verrieten Jaina, dass die schwarze Magie immer noch wirkte. Weitere Anzeichen dafür waren der stechende Rauch, der ihr in Augen und Kehle brannte, und der Verwesungsgeruch.

Die Leichen lagen dort, wo sie gestorben waren, die meisten waren unbewaffnet. Tränen stiegen in Jainas Augen und liefen ihr die Wangen hinab, während sie sich wie in Trance immer weiter bewegte und vorsichtig über die aufgeblähten Toten hinwegstieg. Ein leises, schmerzerfülltes Wimmern entschlüpfte ihr, als sie erkannte, dass Arthas und seine Männer in ihrer fehlgeleiteten Barmherzigkeit nicht einmal die Kinder verschont hatten.

Hätten diese Leichen, die still und steif dalagen, sich erhoben und sie angegriffen, wenn Arthas sie nicht getötet hätte? Vielleicht. Für viele von ihnen galt das sogar ganz gewiss. Das Korn war tatsächlich verteilt und auch gegessen worden. Doch galt das für jeden Einzelnen? Das würde sie niemals erfahren und Arthas auch nicht mehr.

»Jaina – ich bitte dich, mit mir zu kommen.« Seine Stimme klang noch deutlich in ihrem Kopf, doch sie wusste, dass er bereits tausend Meilen entfernt war. »Er ist mir entkommen. Ich habe die Bewohner der Stadt davor gerettet, seine Sklaven zu werdendoch in letzter Minute ist er entwischt. Er ist in Nordend. Komm mit mir.«

Jaina schloss die Augen. Sie wollte sich nicht an das vor anderthalb Tagen stattgefundene Gespräch erinnern. Sie wollte sich nicht daran erinnern, wie er sie angeblickt hatte. Kalt und wütend, darauf fixiert, den Schreckenslord zu töten – beim Licht, ein echter Dämon –, und das um jeden Preis.

Sie stolperte über einen Leichnam und ihre Augen nahmen wieder den Schrecken wahr, den der Mann angerichtet hatte, den sie einst geliebt hatte. Der Mann, den sie trotz allem immer noch liebte. Warum das so war, wusste sie nicht, doch – Licht steh mir bei! – sie…

»Arthas – das ist eine Falle. Er ist ein Dämonenlord. Er war mächtig genug, dir in St… Stratholme zu entkommen. Er wird dich sicherlich auf seinem eigenen Gebiet besiegen, wo er der Stärkere ist. Geh nicht… bitte…«