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Dann zog er seine Klinge. Frostgrams Runen leuchteten voller Vorfreude. Ein Flüstern erklang in ihm, das nicht von der Runenklinge stammte, sondern aus dem Gedächtnis…

… die Stimme eines dunkelhaarigen Prinzen, scheinbar aus einem anderen Leben.

»Er wurde ermordet. Eine vertraute Freundin… sie tötete ihn. Stach ihm mitten ins Herz…«

Arthas schüttelte den Klopf und die Stimme verstummte.

»Was ist los? Was tust du, mein Sohn?«

»Dich beerben… Vater.«

Und Frostgrams Hunger wurde gestillt – zumindest für den Augenblick.

Arthas ließ seinen neuen, ihm nun treu ergebenen Untertan los. Es war einfach, die Wachen zu erledigen, die ihn nach dem Tod seines Vaters angriffen. Mit kühlem Vorsatz kehrte er in den Hof zurück.

Es war verrückt.

Was eine Feier gewesen war, war in Wahnsinn ausgeartet. Ein Fest wurde zum wilden Kampf ums Überleben. Nur wenige entkamen. Die meisten derer, die stundenlang gewartet hatten, um ihren Prinzen willkommen zu heißen, waren nun tot. Blut rann aus hässlichen Wunden, Gliedmaßen waren ausgerissen, Körper zerschmettert. Botschafter lagen bei gemeinem Volk, Männer und Frauen und Kinder zusammen. Der Tod machte keinen Unterschied zwischen ihnen.

Arthas kümmerte ihr Schicksal nicht – sie waren Aas für die Krähen oder neue Untergebene, die seinem Befehl folgen würden. Die Entscheidung darüber würde er seinen Hauptmännern Falric und Marwyn überlassen, die genauso knochenbleich waren wie er – und doppelt so gnadenlos. Arthas ging den Weg zurück, den er zuvor gekommen war. Er war nur auf eine einzige Sache konzentriert.

Nachdem er den Hof und die Leichen hinter sich gelassen hatte, begann er zu laufen. Kein Pferd würde ihn mehr tragen, die Tiere wurden durch seinen Geruch und den seiner Untergebenen wild. Doch er hatte erkannt, dass er nicht ermüdete. Nicht, wenn er Frostgram trug oder der Lichkönig zu ihm durch die Runenklinge sprach. Und so lief er weiter, seine Beine trugen ihn zu einem Ort, an dem er seit Jahren nicht mehr gewesen war.

Stimmen wirbelten in seinem Kopf, Erinnerungen, Gesprächsfetzen.

»Du weißt, dass du ihn noch nicht reiten solltest. «

» Du hast deinen Unterricht verpasst, Arthas. Schon wieder…«

Invincibles schmerzerfüllte Schreie, die in seinem Geist widerhallten. Das Licht, das einen schrecklichen Augenblick lang zögerte, als wüsste es nicht, ob er der Gnade würdig war oder nicht. Jainas Gesicht, als er ihre Beziehung beendete.

»Hört mir zu, Junge… Der Schatten ist bereits gefallen und nichts, was Ihr tun könnt, wird daran etwas ändern…Je stärker Ihr Euren Feind bekämpft, desto schneller liefert Ihr Euer Volk seinen Händen aus.«

»Das ist keine verdorbene Apfelernte, es ist eine Stadt voller menschlicher Wesen!«

» Wir wissen so wenig – wir können sie nicht nur aus unserer Angst heraus wie Tiere abschlachten!«

»Ihr habt Eure Männer belogen und die Söldner verraten, die für Euch gekämpft haben!… Das ist nicht König Terenas’ Junge.«

Aber die anderen waren diejenigen, die nicht sehen konnten, es nicht erfassten. Jaina – Uther – Terenas – Muradin. Sie alle hatten ihm in irgendeiner Art, durch Worte oder Blicke zu verstehen gegeben, dass er falschlag.

Er verlangsamte seine Schritte, als er zu dem Gehöft kam. Seine Untergebenen waren schon zuvor hier gewesen und jetzt lagen nur noch Leichen herum. Arthas stemmte sich gegen den Schmerz, den die Erkenntnis mit sich brachte. Die Toten hier hatten das Glück gehabt, einfach sterben zu können. Ein Mann, eine Frau und ein Junge in seinem Alter.

Und die Löwenmäulchen… die dieses Jahr wie verrückt blühten, so schien es zumindest. Arthas trat näher und streckte seine Hand aus, um eine der schönen, großen lavendelblauen Blumen zu pflücken, doch dann zögerte er und erinnerte sich an das Rosenblatt.

Er war nicht der Blumen wegen hier.

Er wandte sich um und ging zu dem Grab, das jetzt beinahe sieben Jahre alt war. Gras war darüber gewachsen, doch der Stein war noch lesbar. Er musste nicht darauf blicken, um zu wissen, wer hier lag.

Einen Augenblick lang stand er da, bewegter vom Tod des Wesens im Grab als vom Ableben seines Vaters, den er mit eigener Hand getötet hatte.

Es liegt in deiner Macht, erklang das Flüstern. Tu, was du willst.

Arthas streckte eine Hand aus, Frostgram hielt er fest in der anderen. Dunkles Licht wirbelte um seine ausgestreckten Finger und gewann an Geschwindigkeit. Es bewegte sich wie eine Schlange, wellenförmig, und wogte in seinem eigenen Rhythmus. Dann schoss es in die Erde.

Arthas spürte, wie es sich mit dem Skelett darunter verband. Freude durchflutete ihn und dann traten ihm Tränen in die Augen. Er hob die Hand, weckte das nun nicht mehr tote Wesen aus seinem sieben Jahre andauernden Schlaf in der kalten dunklen Erde.

»Erhebe dich!«, befahl er, die Worte brachen aus ihm heraus.

Das Grab öffnete sich, Erdklumpen stoben auf. Knochige Beine drangen aus dem Boden hervor, Hufe suchten Halt auf der Erde und ein Totenschädel durchbrach die Oberfläche. Arthas sah atemlos zu. Ein Lächeln lag auf seinem nun ebenfalls bleichen Gesicht.

Ich habe gesehen, wie du geboren wurdest, dachte er und erinnerte sich an eine Haut, die ein zappelndes, feuchtes, neues Leben eingehüllt hatte. Ich habe dabei geholfen, als du auf diese Welt gekommen bist, und ich habe dir geholfen, sie zu verlassen… und nun wirst du durch meine Hand wiedergeboren.

Das Skelettpferd kämpfte sich durch die Erde und kam schließlich heraus. Rotes Feuer brannte in den leeren Augenhöhlen. Es warf den Kopf hoch, tänzelte und wieherte irgendwie durch das weiche Fell, das schon vor langer Zeit verrottet war.

Zitternd streckte Arthas die Hand zu der untoten Kreatur aus, die schnaubte und mit dem knochigen Maul an seiner Hand schnüffelte. Vor sieben Jahren hatte er das Pferd zu Tode geritten. Vor sieben Jahren hatte er Tränen vergossen. Tränen, die auf seinem Gesicht gefroren waren, als er das Schwert erhoben hatte und es seinem geliebten Tier mitten durch sein großes Herz stieß.

Er hatte die Schuld daran all die Zeit mit sich herumgetragen. Doch jetzt erkannte er, dass alles ein Teil seiner Bestimmung gewesen war. Wenn er nicht das Pferd getötet hätte, hätte er es jetzt auch nicht zurückholen können. Lebendig hätte das Pferd ihn gefürchtet. Untot, mit Feuer in den Augen, seine Knochen von Nekromantenmagie zusammengehalten, über die Arthas nun dank des mysteriösen Lichkönigs verfügte, waren Ross und Reiter schließlich wieder vereint, wie sie es schon immer hätten sein sollen.

Es war kein Fehler vor sieben Jahren gewesen. Es war nicht falsch gewesen. Nicht damals, nicht jetzt.

Niemals.

Und dies war der Beweis.

Noch während seines Vaters Blut an Frostgram klebte, kam der Tod über das Land, das er, Arthas, nun beherrschte.

Die Veränderung nahm ihren Gang.

»Dieses Königreich wird fallen!«, versprach er seinem geliebten Pferd, als er seinen Umhang über den knochigen Rücken warf und aufsaß. »Und aus der Asche soll eine neue Ordnung entstehen, die die Grundfesten der Welt erschüttern wird!«

Das Pferd wieherte.

Invincible – unbesiegbar…

TEIL III

Die dunkle Lady

Zwischenspiel

Sylvanas Windläufer, ehemaliger Waldläufergeneral von Quel’Thalas, Banshee und Dunkle Lady der Verlassenen, eilte mit den gewohnt schnellen, geschmeidigen Schritten wie zu Lebzeiten aus den königlichen Gemächern. Sie bevorzugte ihr normales Aussehen für normale, alltägliche Aktivitäten. Ihre ledernen Stiefel verursachten kein Geräusch auf dem Steinboden der Unterstadt, doch alle Gesichter wandten sich ihr zu, als die Lady vorbeirauschte. Sie war einzigartig und unverwechselbar.