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Einst war ihr Haar golden gewesen, ihre Augen blau, die Haut von der Farbe eines frischen Pfirsichs. Einst war sie auch noch lebendig gewesen.

Jetzt bedeckte eine blauschwarze Kapuze ihr nachtschwarzes Haar, das mit weißen Strähnen durchzogen war. Ihre ehemals pfirsichfarbene Haut war mittlerweile von einem blassen Blaugrau. Sie hatte eine Rüstung gewählt, die sie auch im Leben getragen hatte; gut verarbeitetes Leder, das viel von ihrem muskulösen Körper zeigte. Sie spitzte die Ohren, um das Gemunkel ihrer Untergebenen im Vorbeigehen aufzuschnappen.

Sie verließ ihre Gemächer nicht oft. Schließlich war sie die Herrscherin dieser Stadt und die Welt kam normalerweise zu ihr.

Neben ihr hielt Apothekermeister Faranell, der Vorsteher der königlichen Apothekervereinigung, mit ihr Schritt und sagte in lebhaftem Tonfalclass="underline" »Ich bin sehr froh, dass Ihr gekommen seid, Milady.« Dabei versuchte er gleichzeitig, neben ihr herzugehen und sich zu verneigen. »Ihr hattet mir aufgetragen, Euch zu informieren, sobald die Experimente erfolgreich verlaufen sind. Ihr wolltet selbst sehen, wenn wir erst…«

»Mir sind meine Befehle noch sehr bewusst, Herr Doktor«, zischte Sylvanas, ohne ihr Tempo zu drosseln.

»Natürlich, natürlich. Hier sind wir schon.« Sie betraten einen Raum, der auf empfindsamere Gemüter wie ein Schreckenskabinett wirken musste. Auf dem großen Tisch nähte eine Untote mehrere Leichenteile zusammen. Dabei summte sie leise vor sich hin.

Sylvanas lächelte. »Es ist gut, wenn jemand seine Arbeit so liebt«, sagte sie verschmitzt.

Die Untote fuhr zusammen und verneigte sich.

Über einem tiefen Summen waren knisternde energetische Entladungen zu hören. Andere Alchimisten wuselten herum, mischten Tränke, wogen Zutaten ab und machten sich Notizen. Es roch nach Fäulnis, Chemikalien und dem unpassend reinen Aroma verschiedener Kräuter.

Sylvanas erschreckte sich bei diesem Gedankengang. Das Aroma der Kräuter erzeugte bei ihr merkwürdigerweise ein Gefühl von… Heimweh. Glücklicherweise hielt sich dieser Eindruck nicht lange. Das taten solche Gefühle nie.

»Zeigt es mir«, verlangte sie.

Faranell verneigte sich und führte sie durch den Hauptbereich an verschiedenen Leichenteilen vorbei, die in einem Nebenraum an Haken hingen.

Ein leises Schluchzen erreichte ihre Ohren. Als sie den Raum betrat, erblickte Sylvanas mehrere Käfige auf dem Boden, andere schaukelten bedächtig an Ketten. In allen saßen Versuchsobjekte. Einige waren Menschen, andere Verlassene. Allen gemeinsam war die Angst, die sie so tief durchdrang und die wohl schon so lange anhielt, dass sie davon fast schon gefühllos geworden waren.

Doch das würde nicht mehr lange so bleiben.

»Wie Ihr Euch vorstellen könnte, Milady«, sagte Faranell, »ist es schwer, Angehörige der Geißel als Versuchsobjekte zu bekommen. Für experimentelle Zwecke reichen auch die Verlassenen, sie sind ja nicht anders als die Geißelkrieger. Doch ich kann stolz verkünden, dass unsere Experimente mit ihnen im Feld gut dokumentiert wurden und zudem recht erfolgreich waren.«

Sylvanas begann die Aufregung zu spüren und sie bedachte den Apotheker mit einem ihrer seltenen und immer noch schönen Lächeln. »Ich bin sehr erfreut«, sagte sie.

Der untote Doktor bebte vor Entzücken. Er gab seinem Assistenten Keifer ein Zeichen. Er war ein Verlassener, dessen Gehirn offensichtlich bei seinem ersten Tod verletzt worden war und der deshalb mit sich selbst in der dritten Person plapperte, während er zwei Versuchsobjekte holte. Eins war eine Menschenfrau, die offensichtlich noch nicht so sehr von Angst und Verzweiflung gezeichnet war, dass sie nicht stumm hätte weinen können, als Keifer sie aus dem Käfig zog. Der Mann, ein Verlassener, war dagegen völlig passiv und stand stumm daneben.

Sylvanas beobachtete ihn. »Ein Krimineller?«

»Natürlich, Milady.« Sie fragte sich, ob das stimmte. Doch eigentlich war es egal. Der Mann würde den Verlassenen auf die eine oder andere Art dienen. Das Menschenmädchen lag auf den Knien. Keifer drückte sie nieder und hob ihren Kopf an, indem er sie an den Haaren zog. Als sie ihren Mund öffnete und vor Schmerz schrie, flößte er ihr den Inhalt eines Bechers ein und hielt ihr den Mund zu, damit sie schluckte.

Sylvanas beobachtete, wie die junge Frau dagegen ankämpfte. Der männliche Verlassene neben ihr nahm den Becher ohne Protest entgegen und trank ihn aus.

Es geschah schnell. Das Menschenmädchen hörte plötzlich auf zu kämpfen, ihr Körper war zuerst angespannt und verfiel dann in Krämpfe. Keifer ließ es zu und beobachtete fast neugierig, wie ihr das Blut aus Mund, Nase, Augen und Ohren lief.

Sylvanas wandte ihren Blick dem Verlassenen zu. Er beobachtete sie immer noch stumm. Sie runzelte die Stirn. »Vielleicht ist es nicht so effektiv wie Euer…«

Der Verlassene erschauderte plötzlich. Er kämpfte einen Augenblick lang darum, aufrecht zu stehen, doch dann gab sein schnell schwächer werdender Körper nach. Er taumelte und fiel zu Boden. Sie traten beide zurück. Sylvanas beobachtete den Vorgang verzückt, ihre Lippen öffneten sich vor Erregung.

»Dieselbe Dosis?«, fragte sie Faranell. Die Menschenfrau wimmerte kurz und war dann still, ihre Augen standen offen.

Der Alchemist nickte glücklich. »Allerdings«, sagte er. »Wie Ihr Euch vorstellen könnt, sind wir recht…«

Der Untote zuckte, seine Haut platzte auf und schwarzer Eiter quoll daraus hervor. Doch dann war auch er still.

»… zufrieden mit den Ergebnissen.«

»In der Tat«, sagte Sylvanas. Sie war sehr darum bemüht, ihr eigenes Hochgefühl zu verbergen. »Zufrieden« war in der Tat ein schwaches Wort dafür. »Eine Seuche, die sowohl die Menschen als auch die Geißel tötet. Und offensichtlich auch unsere eigenen Leute trifft, weil sie ebenfalls untot sind.« Sie warf ihm einen Blick aus ihren leuchtenden silbernen Augen zu. »Wir müssen darauf achten, dass dieses Mittel niemals in falsche Hände gerät. Die Folgen wären… katastrophal.«

Er schluckte. »Allerdings, Milady, das wären sie in der Tat.«

Sie zwang sich zu einem neutralen Gesichtsausdruck, als sie in die königlichen Gemächer zurückkehrte. So vieles ging ihr durch den Sinn. Doch ein Gedanke in ihr loderte heller als alle anderen, so hell, wie der Strohmann in der Schlotternacht.

Endlich, Arthas, wirst du für das bezahlen, was du mir angetan hast. Die Menschen, deren Volk du entstammst, werden ausnahmslos getötet. Und deine Geißelkrieger werden aufgehalten. Du kannst dich nicht länger hinter deiner Armee aus hirnlosen untoten Marionetten verstecken. Und wir werden dir dieselbe Gnade und Hingabe erweisen, die du auch uns gewährt hast.

Trotz aller Selbstbeherrschung musste sie lächeln.

17

Es war Ironie des Schicksals, überlegte Arthas, während er auf dem Rücken des skelettierten treuen Invincible nach Andorhal ritt, dass ausgerechnet der, der den Nekromanten Kel’Thuzad getötet hatte, nun damit beauftragt war, ihn wiederzubeleben.

Frostgram flüsterte ihm Mut zu. Doch es hätte der Stimme des Schwertes nicht bedurft – die Stimme des Lichkönigs, wie sie genannt werden wollte. Es gab ohnehin kein Zurück mehr. Und Arthas wollte es auch gar nicht.

Nachdem die Hauptstadt gefallen war, war Arthas zu einer Art düsterer Pilgerreise der Paladine aufgebrochen. Er war kreuz und quer durch das Land gezogen, hatte seine Untertanen von Stadt zu Stadt gebracht und sie auf die Bevölkerung losgelassen. Er fand, dass »Geißel«, wie Kel’Thuzad die Krieger genannt hatte, ein passender Name war. Das gleichnamige Instrument der Selbstgeißelung, das manchmal von einigen eher grenzwertigen Angehörigen der Priesterschaft benutzt wurde, diente schließlich auch dazu, Unreinheiten auszumerzen.

Seine Geißel würde die Lebenden ausmerzen. Er selbst bewegte sich zwischen den Welten. Auf die eine Art war er ein Lebender. Doch die sanften Einflüsterungen des Lichkönigs nannten ihn Todesritter und der Verlust der Farbe an Haaren, Haut und Augen schien anzudeuten, dass diese Bezeichnung mehr als nur ein Titel war. Er wusste jedoch nicht, ob dem so war. Im Grunde war es ihm auch egal. Er war der Favorit des Lichkönigs und die Geißel unterstand seinem Kommando. Und auf eine seltsam verdrehte Art schien sie ihm auch etwas zu bedeuten.