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»Nimm nichts mit«, sagte sie einer Frau, die nickte und dennoch eine Treppe ersteigen wollte.

»Aber unsere Räume oben haben…«

Sylvanas wirbelte herum, ihre Augen glühten. »Hast du nicht verstanden? Die Toten kommen! Sie werden nicht müde, sie werden nicht langsamer, sie nehmen unsere Gefallenen und verleiben sie ihrer Armee ein. Nimm deine Familie und geh!«

Die Frau schien vor der Antwort des Waldläufergenerals zurückzuweichen. Doch sie gehorchte und verlor nur ein paar Minuten, um ihre Familie zusammenzurufen, bevor sie die Straße hinunter in Richtung der Hauptstadt lief.

Arthas konnte nicht lange aufgehalten werden. Sylvanas warf einen abschätzenden Blick über die Verwundeten. Keiner von ihnen durfte hierbleiben. Auch sie mussten nach Silbermond evakuiert werden. Von den Gesunden, so wenige es auch sein mochten, musste sie noch mehr verlangen. Vielleicht alles, was sie geben konnten. Sie alle hatten, wie Sylvanas selbst auch, geschworen, ihr Volk zu verteidigen.

Heute war der Tag der Abrechnung.

Ein Turm lag in der Nähe, zwischen Elrendar und Silbermond. Irgendwie war sie sich sicher, dass Arthas daran vorbeikommen musste, auf seinem Weg, das Land mit der violettschwarzen Narbe zu verderben. Der Turm wäre ein guter Ort, um eine Verteidigungslinie zu errichten. Die Aufgänge waren schmal und verhinderten den Ansturm der Untoten, der zuvor so katastrophal verlaufen war. Und es gab mehrere Ebenen, die zu dem Gebäude führten, alle offen. Sie und ihre Bogenschützen konnten großen Schaden anrichten, bevor sie…

Sylvanas Windläufer, Waldläufergeneral von Silbermond, atmete tief ein, spritzte Wasser auf ihr erhitztes Gesicht und trank einen tiefen Schluck der erfrischenden Flüssigkeit. Dann erhob sie sich, um die Unverletzten und kampffähigen Verwundeten auf das Gefecht vorzubereiten, das ohne Zweifel ihre letzte Schlacht sein würde.

Sie kamen beinahe schon zu spät.

Während die Waldläufer auf den Turm zumarschierten, der ihre Bastion bilden sollte, stank die Luft, die einst so rein und frisch gewesen war, nach der kranken Fäulnis. Über ihnen flogen Bogenschützen auf Drachenfalken. Die großen Tiere, golden und rot, zerrten mit ihren schlangenartigen Hälsen bekümmert an den Zügeln. Auch sie rochen den Tod und es störte sie. Niemals waren die schönen Tiere in so einem entsetzlichen Gefecht eingesetzt worden. Einer der Reiter gab Sylvanas ein Zeichen und sie signalisierte zurück.

»Die Untoten wurden gesichtet«, informierte sie die Truppen ruhig. Sie nickte. »Auf die Positionen. Beeilung.«

Wie eine gut geölte Gnomenmaschine gehorchten die Elfen. Die Drachenfalkenreiter flogen gen Süden, auf die anrückende Armee zu. Ein Trupp Bogenschützen und ein paar Nahkämpfer eilten ebenfalls voraus, sie bildeten die erste Verteidigungslinie. Ihre besten Bogenschützen liefen die Wendeltreppe des Turms hinauf. Der Rest verteilte sich am Fuß des Gebäudes.

Sie mussten nicht lange warten.

Sylvanas’ schwache Hoffnung, dass durch die Verzögerung die Zahl der Feinde irgendwie geringer geworden war, zersprang wie feines Kristallglas, das zu Boden fiel. Sie konnte die schreckliche Vorhut jetzt sehen: verfaulende Untote, gefolgt von Skeletten und großen Monstrositäten, deren drei Arme jeweils eine schwere Waffe trugen. Über ihnen kreuzten die steinähnlichen Kreaturen wie Bussarde.

Sie brechen durch…

Wie seltsam die Gedankenwelt doch war, überlegte Sylvanas mit einer Spur von Zynismus. Jetzt, da die Stunde ihres Todes zweifelsfrei nahte, fiel in ein altes Lied ein. Eins, das sie und ihre Geschwister geliebt hatten, als die Welt in Ordnung und sie alle noch zusammen gewesen waren. Alleria, Vereesa und ihr jüngster Bruder Lirath hatten in der Dämmerung gesessen, wenn die sanften lavendelfarbenen Schatten ihren warmen Mantel ausbreiteten und der süße Duft des Ozeans und der Blumen über das Land zog.

Anar’alah, anar’alah, qual’dorei, shindu fallah na… Beim Licht, beim Licht der Sonne, Ihr Hochelfen, brechen die Feinde durch…

Ohne es bewusst wahrzunehmen, berührte sie mit der Hand die Kette, die sie um ihren schlanken Hals trug. Sie war ein Geschenk ihrer ältesten Schwester Alleria. Doch nicht Alleria selbst hatte sie ihr überbracht, sondern einer ihrer Offiziere, Verana. Alleria war fort, durch das Dunkle Portal verschwunden, beim Versuch, die Horde davon abzuhalten, Azeroth und andere Welten erneut zu plündern.

Sie war niemals zurückgekommen. Alleria hatte eine Kette umschmelzen lassen, die sie von ihren Eltern geerbt hatte, und aus den drei Steinen neue Anhänger gefertigt, einen für jede Windläuferschwester. Sylvanas bekam den Saphir. Sie kannte die Inschrift auswendig: Für Sylvanas. In ewiger Liebe, Alleria.

Sie wartete, umfasste die Kette und spürte die Verbindung mit ihrer toten Schwester, die das Schmuckstück immer auslöste. Dann ließ sie langsam los. Sylvanas atmete tief ein und rief: »Zum Angriff! Für Quel’Thalas!«

Sie würden die Untoten nicht aufhalten können. In Wahrheit hatte sie das auch gar nicht erwartet. Am Ausdruck auf den grimmigen, blutigen Gesichtern um sie herum erkannte Sylvanas, dass ihre Waldläufer das genauso gut wussten wie sie selbst. Schweiß lief über ihr Gesicht. Ihre Muskeln schmerzten vor Erschöpfung und immer noch kämpfte Sylvanas Windläufer. Sie feuerte, legte einen Pfeil nach und feuerte erneut. Das alles geschah so schnell, dass ihre Hände fast vor ihren Augen verschwammen. Als die Untoten und Monster zu nah herankamen, warf sie den Bogen weg und zog Kurzschwert und Dolch. Sie wirbelte herum, stach zu und schrie, während sie kämpfte.

Wieder starb ein Gegner, sein Kopf fiel von den Schultern und wurde zertrampelt. Er platzte wie eine Melone unter den Sohlen eines seiner Kameraden. Zwei weitere Monstrositäten stürmten vor und nahmen seinen Platz ein.

Immer noch kämpfte Sylvanas wie ein wilder Luchs in den Immersangwäldern. Sie wandelte ihren Schmerz und ihre Entrüstung in Kampfesgeist um. Sie würde so viele Feinde mitnehmen, wie sie konnte, bevor sie fiel.

Sie brechen durch…

Sie kamen immer näher, der Gestank der Verwesung überwältigte sie fast. Es waren jetzt zu viele. Sylvanas wurde nicht langsamer. Sie würde kämpfen, bis sie völlig vernichtet war, bis…

Der Ansturm der Toten wurde plötzlich schwächer. Sie traten zurück und blieben stehen. Um Atem ringend blickte Sylvanas den Hügel hinunter.

Arthas war dort und wartete auf seinem untoten Pferd. Der Wind spielte mit seinem langen weißen Haar, als er sie durchdringend anstarrte. Sie richtete sich auf und wischte sich Blut und Schweiß aus dem Gesicht. Einst war er ein Paladin gewesen. Ihre Schwester hatte einen wie ihn geliebt.

Plötzlich war Sylvanas froh, dass Alleria tot war und dies hier nicht miterleben musste. Nicht erleben musste, was ein ehemaliger Kämpfer des Lichts all denen antat, die die Windläufer liebten und schätzten.

Arthas hob das leuchtende Runenschwert zu einer förmlichen Geste. »Ich schätze Euren Mut, Elfe, doch die Jagd ist vorbei.« Seltsamerweise klang das wie ein Kompliment.

Sylvanas schluckte, ihr Mund war knochentrocken. Sie umfasste ihre Waffe fester. »Dann sollten wir es hier beenden, Schlächter. Anar’alah belore.«

Seine grauen Lippen verzogen sich. »Wie Ihr wünscht, Waldläufergeneral.«

Er stieg nicht ab. Stattdessen wieherte das Skelettpferd und galoppierte direkt auf sie zu. Arthas umfasste die Zügel mit der linken Hand, die rechte holte mit der riesigen Waffe aus. Sylvanas schluchzte auf. Kein Angstschrei oder Bedauern kam über ihre Lippen. Nur ein kurzes, barsches Schluchzen vor Wut und Hass, erfüllt von gerechtem Zorn. Sie war wütend, dass sie ihn nicht aufhalten konnte, nicht einmal, nachdem sie alles gegeben hatte, nicht einmal ihr eigenes Blut hatte gereicht.

Alleria, Schwester, ich komme.

Die tödliche Klinge stieß auf sie zu und Sylvanas wehrte sich mit ihren eigenen Waffen, die jedoch beim Aufprall zerbrachen.