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Doch dann wandte sich das Wesen, das einst ein Mensch, ein guter Mann, gewesen war, um und lächelte sie an. Sie wurde von einem schmerzhaften Krampf erfasst und ein weiterer Schrei drang über ihre feinstofflichen Lippen, der die Seele zu zerreißen schien.

Arthas hatte eine Lösung gefunden.

Er warf Frostgram auf das Ufer und beobachtete, wie es sich fast überschlug und mit der Spitze im hellen Sand stecken blieb.

»Frostgram spricht…«

Sylvanas hörte es auch, die Stimme des Lichkönig drang aus der unheiligen Waffe, als das Wasser sich in Eis zu verwandeln begann. Eis, das seine Wagen und seine Krieger überqueren konnten.

Arthas hatte ihr das Leben genommen. Er nahm ihr das geliebte Quel’Thalas und Silbermond und er nahm Sylvanas ihren König, bevor er seine letzte Schandtat ausführte.

Sie hatten auf Quel’Danas widerstanden, hatten alles aufgeboten, was sie hatten. Als Anasterian vor Arthas erschien, hatte seine Magie die eisige Brücke des Todesritters schwer beschädigt. Doch Arthas erholte sich. Er runzelte die Stirn, seine Augen leuchteten, er zog Frostgram und schlug damit auf den Elfenkönig ein.

Obwohl sie verzweifelt hoffte, dass Anasterian Arthas besiegen würde, wusste Sylvanas, dass er es nicht tun würde. Drei Jahrtausende lasteten auf seinen Schultern, seine Haare, die fast bis zu den Füßen reichten, waren weiß vom Alter. Einst war er ein mächtiger Kämpfer gewesen und immer noch war er ein mächtiger Magier. Doch ihre neue, geisterhafte Sicht offenbarte ihr eine Schwäche an ihm, die sie zuvor nicht bemerkt hatte. Immer noch stand er da, mit seiner alten Waffe, Felo’melorn, »Flammenstoß«, in einer Hand, in der anderen einen Stab mit einem mächtigen glitzernden Kristall an der Spitze.

Arthas griff an, doch Anasterian stand plötzlich nicht mehr vor dem heranstürmenden Pferd. Irgendwie, schneller, als dass Sylvanas es erkennen konnte, kniete er auf einmal, führte Felo’melorn in einem sauberen horizontalen Schlag über die Vorderläufe des Pferdes und durchtrennte sie beide. Das Pferd kreischte und stürzte, sein Reiter mit ihm.

»Invincible!«, schrie Arthas, er erschien geschlagen, als das untote Pferd sich abrollte und auf die Hufe zu kommen versuchte, obwohl seine beiden Vorderläufe fehlten. Der Kriegsschrei erschien Sylvanas sehr merkwürdig, wenn man bedachte, dass Anasterian gerade einen Vorteil errungen hatte. Doch das Gesicht, das Arthas dem Elfenkönig zuwandte, war voll nackter Wut und voller Schmerz. Er wirkte jetzt fast menschlich, ein menschlicher Mann, der erlebte, wie etwas, was er liebte, gequält wurde. Er kam auf die Beine, schaute abgelenkt zu dem Pferd und einen Moment lang glaubte Sylvanas, dass er vielleicht, nur vielleicht…

Die alte Elfenwaffe war kein Gegner für die Runenklinge, wie Sylvanas wusste. Es konnte nicht sein. Es krachte, als die beiden Klingen aufeinandertrafen. Die zerschmetterten Teile flogen durch die Luft. Anasterian fiel, seine Seele wurde ihm entrissen und von Frostgram verschlungen, wie so viele andere davor.

Er lag lang ausgestreckt auf dem Eis, erschlafft, und Blut sammelte sich neben ihm. Das weiße Haar war wie ein Leichentuch ausgebreitet, während Arthas zu dem untoten Pferd lief und die abgetrennten Beine heilte. Er klopfte die Knochen ab, während das Pferd tänzelte und ihn anschnaubte. Und obwohl Sylvanas wusste, dass es alle verletzen würde, die sie immer noch liebte, konnte sie die Last des Schmerzes und der Angst nicht mehr ertragen. Der pure Hass auf Arthas und auf alles, was er getan hatte, brannte in ihr. Sie legte den Kopf in den Nacken, breitete die Arme aus, öffnete den Mund und stieß den Schrei aus, so schön und schrecklich zugleich, der aus ihrer feinstofflichen Seele erklang.

Sie hatte schon geschrien, als er sie gefoltert hatte. Doch das war nur ihr eigener Schmerz gewesen, ihre eigene Verzweiflung. Dies hier war so viel mehr. Folter und Qual steckten darin, doch es ging noch darüber hinaus.

Ein Hass, der so tief saß, dass er fast schon rein war.

Sie hörte andere Schmerzensschreie, die sich in ihren Ohren zu einem einzigen vereinigten, sah Elfen, die auf die Knie fielen, sich die Ohren zuhielten, die zu bluten begannen. Ihre Stimmen verstummten und ihre Zauber wurden unterbrochen. Aus Worten der Magie wurden Schreie reinen Kummers und verängstigten Schmerzes. Einige fielen zu Boden, ihre Rüstungen zerbrachen. Ihre Knochen barsten unter der Haut.

Selbst Arthas betrachtete sie abschätzend. Sie wollte aufhören, wollte sich selbst zum Schweigen bringen, den Schrei der Zerstörung dämpfen, der nur dem Mann nutzte, den sie so leidenschaftlich hasste.

Schließlich schwand ihr Schmerz und die Banshee Sylvanas verstummte wieder.

»Was für eine feine Waffe Ihr doch seid«, murmelte Arthas. »Doch vielleicht werdet Ihr ein zweischneidiges Schwert für mich. Ich werde Euch im Auge behalten.«

Die schreckliche Armee rückte weiter vor. Arthas erreichte das Plateau. Er tötete die Wächter des Sonnenbrunnens und zwang sie danach, an der Metzelei teilzunehmen. Und dann brachte er den ultimativen Schrecken über ihr Volk. Er ging zu dem herrlichen leuchtenden See, der die Quel’dorei seit Jahrtausenden versorgte. Neben ihm wartete eine Gestalt, die Sylvanas erkannte – Dar’Khan Drathir.

Er war es also gewesen, der Quel’Thalas verraten hatte. Ihm klebte, mehr noch als dies bei Arthas der Fall war, das Blut von Tausenden Elfen an den gut manikürten Händen. Wut stieg in ihr auf. Sie beobachtete das Leuchten, von dem sie wusste, dass es Arthas’ Gesichtszüge in ein goldenes Licht tauchen, sie sanfter machen und ihnen künstliche Wärme spenden würde. Dann schüttete er den Inhalt einer schön gearbeiteten Urne ins Wasser und das Leuchten änderte sich. Es begann zu pulsieren und zu wirbeln und in der Mitte des magischen Leuchtens…

… entstand ein Schatten…

Selbst nach allem, was sie an diesem dunklen Tag erlebt hatte, selbst nach allem, was aus ihr geworden war, war Sylvanas wie vom Donner gerührt, als sie erkannte, was dem besudelten Sonnenbrunnen entstieg, sich erhob und die Arme zum Himmel streckte. Ein lächelndes Skelett mit Hörnern, dessen leere Augenhöhlen loderten. Ketten wanden sich um es herum und eine violette Robe flatterte um die bleichen Knochen.

»Ich bin wiedergeboren, wie es mir verheißen war. Der Lichkönig hat mir ewiges Leben versprochen!«

War das alles deswegen geschehen? Um ein einziges Wesen wiederzubeleben? All das Töten, die Folter, der Terror… War der unaussprechlich kostbare und vitale Sonnenbrunnen korrumpiert, eine Lebensart, die seit tausenden Jahren bestand, zerstört worden… nur dafür?

Sie starrte auf den kichernden Lich und das Einzige, was ihr ein wenig Linderung verschaffte, war, mitzuerleben, wie Dar’Khan, der versucht hatte, seinen neuen Herrn ebenso zu hintergehen wie sein Volk, unter Frostgrams scharfer Klinge starb.

20

Der kalte Wind zerzauste Arthas’ Haar und umschmeichelte sein Gesicht. Er lächelte, denn es tat gut, wieder im kälteren Teil dieser Welt zu sein. Das Elfenland mit seinem ewigen Frühsommer, die Luft schwer von Blütenduft und Wachstum, weckte ungute Erinnerungen. An die Gärten von Dalaran beispielsweise, wo er so viel Zeit mit Jaina verbracht hatte. Oder an die Löwenmäulchen auf Balnirs Hof.

Er genoss den harschen Wind, der ihn reinigte, und die Kälte, die die ungeliebten Erinnerungen zurückdrängte. Sie waren zu nichts mehr nütze, wollten ihn nur schwächen – und dafür gab es keinen Platz mehr im Herzen von Arthas Menethil.

Er saß wie immer auf seinem treuen Pferd Invincible und durchlebte noch einmal den Moment in Quel’Thalas, als dieser Bastard von einem König, Anasterian, feige das unschuldige Pferd angegriffen hatte statt den Reiter. Er hatte die Beine des Tieres auf dieselbe Art abgetrennt, wie es schon einmal Invincibles Tod gewesen war.