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Doch nichts geschah. Entweder war Schicksalshammer bei der Flucht umgekommen oder sein Kampfgeist war letztlich doch gebrochen worden.

Zwei Jahre waren seitdem vergangen und nun sah es so aus, als würde das Dunkle Portal, durch das die Horde beim ersten Mal nach Azeroth gekommen war – das Portal, das die Allianz am Ende des Zweiten Krieges geschlossen hatte –, erneut geöffnet werden. Arthas war sich nicht sicher, weil niemand ihm auch nur irgendetwas erzählte. Und das, obwohl er eines Tages König werden sollte.

Es war ein schöner Tag, sonnig, klar und warm. Ein Teil von ihm wollte mit seinem neuen Pferd nach draußen, das er Invincible genannt hatte. Es war das Fohlen, bei dessen Geburt er an dem bitterkalten Wintermorgen vor zwei Jahren dabei gewesen war. Vielleicht würde er das später tun. Doch jetzt führte ihn sein Weg in die Waffenkammer, wo er und Varian geübt und Varian ihn beleidigt hatte. Die Kränkung war unbeabsichtigt geschehen, dennoch schmerzte sie.

Zwei Jahre war das her.

Arthas ging zu dem Gestell mit den hölzernen Übungsschwertern und nahm eins davon in die Hand. Er war jetzt elf Jahre alt und hatte einen »Wachstumsschub« erlebt, wie sein Kindermädchen es genannt hatte – zumindest hatte sie das gesagt, als er sie das letzte Mal gesehen hatte. Sie hatte geweint, ihn gedrückt und ihn zum »richtigen jungen Mann« ernannt, der ein Kindermädchen nicht mehr länger brauchte. Das kleine Schwert, mit dem er als Neunjähriger geübt hatte, war die Waffe eines Kindes gewesen. Er war jetzt wirklich ein richtiger junger Mann, der 1,76 Meter groß war, und wenn man seine Erbanlagen bedachte, noch weiter wachsen würde. Er nahm das Schwert, schwang es hin und her und lächelte plötzlich.

Er trat zu einer der alten Rüstungen und umfasste das Schwert fester. »Ha!«, rief er und wünschte sich, eins dieser scheußlichen grünen Monster, die schon so lange ein Dorn im Auge seines Vaters waren, würde vor ihm stehen. Er richtete sich zu voller Größe auf und berührte mit der Schwertspitze die »Kehle« der Rüstung.

»Glaubst du, du könntest einfach hier vorbei, du scheußlicher Orc? Du befindest dich auf dem Boden der Allianz! Dieses Mal lasse ich noch Gnade walten. Verschwinde und komm niemals zurück… Wie? Du willst nicht gehen? Ich habe dir deine Chance gegeben, doch nun – kämpfe!«

Er machte einen Ausfallschritt, wie er ihn bei Varian gesehen hatte. Nicht direkt gegen die Rüstung gerichtet, nein, denn das Ding war alt und sehr wertvoll. Stattdessen zielte er direkt daneben. Stoßen, blocken, unter dem Schlag wegducken, das Schwert auf den Körper zubewegen, dann herumwirbeln und…

Er keuchte, als das Schwert ein Eigenleben zu entwickeln schien und durch den Raum flog. Krachend landete es auf dem Marmorboden und schlitterte mit einem schabenden Geräusch darüber, bevor es aufhörte, sich zu drehen.

Verdammt! Er blickte zur Tür – genau in das Gesicht von Muradin Bronzebart.

Muradin war der Botschafter der Zwerge in Lordaeron, der Bruder von König Magni Bronzebart und am Hof wegen seiner kameradschaftlichen, geradlinigen Art sehr beliebt. Dabei spielte es keine Rolle, ob es dabei um gutes Bier und Gebäck ging oder um Staatsangelegenheiten. Er galt als ausgezeichneter Krieger, gerissen und wild im Kampf.

Und er hatte gerade gesehen, wie der zukünftige König von Lordaeron versuchte, Orcs zu bekämpfen, und dabei sein Schwert quer durch den Raum warf. Arthas spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach, und wusste, dass seine Wangen rotgefärbt waren. Er rang um Fassung.

»Oh… Herr Botschafter… Ich habe gerade…«

Der Zwerg hustete und sah weg. »Ich suche deinen Vater, Junge. Kannst du mir sagen, wo ich da hinmuss? Dieser teuflische Bau hat zu viele Gänge und Biegungen.«

Arthas wies stumm auf eine Treppe zu seiner Linken. Er beobachtete, wie der Zwerg ging. Sie wechselten kein weiteres Wort.

Arthas war in seinem ganzen Leben noch nicht so verlegen gewesen. Tränen der Scham brannten in seinen Augen und er kämpfte mit Macht dagegen an. Er legte das Schwert nicht zurück, sondern verließ augenblicklich den Raum.

Zehn Minuten später war er frei. Er ritt aus den Stallungen und wandte sich nach Osten in Richtung der Hügel von Tirisfal. Er hatte zwei Pferde bei sich, einen freundlichen älteren Apfelschimmel namens Trueheart, auf dem er saß, und am Zügel führte er das zwei Jahre alte Fohlen Invincible.

Er hatte das Band zwischen ihnen von dem Moment an gespürt, als ihre Blicke sich getroffen hatten, nur wenige Momente nach der Geburt des Fohlens. Arthas hatte gewusst, dass es sein Pferd sein würde, sein Freund, das große Pferd mit dem großen Herzen, das so sehr ein Teil von ihm war. Sogar noch mehr, als seine Rüstung oder Waffen.

Pferde wie dieses konnten zwanzig Jahre oder länger leben, wenn man sich gut darum kümmerte. Dieses würde ihn treu und anmutig bei Zeremonien und auf den täglichen Ausritten tragen. Es war kein Schlachtross. Die waren eine eigene Rasse, wurden nur für besondere Zwecke in besonderen Zeiten benutzt. Er würde später eins haben, wenn er ins Feld zog. Doch Invincible würde ein Teil seines Lebens werden. Eigentlich war er das schon.

Das Fell des Hengstes, die Mähne und der Schwanz, bei seiner Geburt grau, waren mittlerweile so weiß wie der Schnee geworden, der den Boden am Tag seiner Geburt bedeckt hatte. Es war eine Farbe, die selbst unter Balnirs Pferden selten vorkam, deren »weiße« Felle eigentlich meist hellgrau waren. Arthas hatte an Namen wie »Snowfall« oder »Starlight« gedacht, doch schließlich war er der Tradition Lordaerons gefolgt und hatte das Pferd nach seinen Eigenschaften benannt. Uthers Pferd hieß »Steadfast«, standhaft, das von Terenas »Courageous«, tapfer.

Und seins hieß »Invincible«, unbesiegbar.

Arthas wollte Invincible unbedingt reiten, doch der Pferdemeister warnte ihn, dass der Zweijährige mindestens noch ein Jahr zu jung sei. »Mit zwei ist er noch ein Baby«, sagte er. »Er wächst noch, seine Knochen bilden sich gerade erst richtig aus. Seid geduldig, Euer Hoheit. Ein weiteres Jahr ist nicht lang für ein Pferd, das Euch zwei Jahrzehnte lang dienen wird.«

Doch es war eine lange Wartezeit. Arthas blickte über die Schulter zu dem Pferd und fand den leichten Galopp langweilig, der das Schnellste zu sein schien, wozu Trueheart in der Lage war. Im Gegensatz zu dem älteren Wallach bewegte sich der Zweijährige, als würde er schweben, ohne die geringste Anstrengung zu zeigen. Seine Ohren waren aufgerichtet und seine Nüstern schnaubten, als könnte er den Geruch von Tirisfal spüren. Seine Augen leuchteten und er schien zu drängen: Los doch, Arthas… Dafür wurde ich geboren.

Ein Ritt würde sicherlich nicht schaden. Nur ein leichter Galopp und dann zurück in den Stall, als wäre nichts geschehen.

Er ließ Trueheart Schritt gehen und band die Zügel an einen niedrigen Ast. Invincible wieherte, als Arthas sich ihm näherte. Der Prinz lächelte. Das samtig, weiche Maul strich über seine Handfläche, während er dem Pferd einen Apfel gab. Invincible war mit dem Sattel vertraut. Das war Teil des langwierigen Prozesses, um das Pferd daran zu gewöhnen, etwas auf seinem Rücken zu haben. Allerdings war ein leerer Sattel etwas ganz anderes als ein lebender Mensch. Doch Arthas hatte viel Zeit mit dem Tier verbracht. Er sandte ein kurzes Gebet zum Himmel und schwang sich dann schnell auf den Rücken des Pferdes, bevor Invincible einen Schritt zur Seite machen konnte.

Invincible bäumte sich auf und wieherte wild. Arthas klammerte sich mit den Händen in die drahtige Mähne und hing wie eine Klette mit jedem Zoll seiner langen Beine auf dem Rücken des Tieres. Das Pferd sprang und bockte, doch Arthas blieb darauf sitzen. Er schrie auf, als Invincible versuchte, ihn abzuwerfen, indem er unter die Äste rannte. Doch Arthas ließ es nicht zu.