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Dieser Zwischenfall hatte Arthas in jenen schrecklichen Moment zurückversetzt, ihn bis ins Mark erschüttert und im Kampf mit Anasterian eine eisige Wut freigesetzt, die ihm letztlich zugute gekommen war.

Vor und hinter ihm marschierte seine Armee über den verschneiten Pass, unermüdlich und unbeeindruckt von der Kälte. Irgendwo in ihrer gespenstischen Mitte schwebte eine Banshee.

Arthas würde Sylvanas für den Augenblick in Ruhe lassen. Er war mehr an Kel’Thuzad interessiert, der beinahe heiter neben ihm schritt – wenn man einen Lich überhaupt mit Attributen wie Heiterkeit belegen konnte. Er war derjenige gewesen, der die Geißel zu diesem entlegenen, frostigen Ort geleitet hatte, und Arthas hatte bis jetzt keine Fragen gestellt. Doch die Reise wurde langweilig und er war neugierig. Der Prinz spürte, wie sich auf seinen Lippen ein Lächeln bildete.

»So«, witzelte er, »du bist mir also nicht mehr böse, dass ich dich damals tötete?«

»Seid kein Narr«, antwortete der untote Nekromant. »Der Lichkönig hatte mir gesagt, wie unsere Begegnung enden würde.«

Das überraschte Arthas. »Der Lichkönig wusste, dass ich dich töte?« Er runzelte die Stirn und blickte auf die Klinge, die über seinem Schoß lag. Sie war jetzt still, schlief. Kein Flüstern kam von ihr und ebenso wenig pulsierten die Runen.

»Natürlich«, antwortete Kel’Thuzad. Ein Hauch von Überheblichkeit lag in seiner dunklen Stimme.

Arthas’ Unwohlsein verstärkte sich. Niemand hatte ihn gefragt oder ihm auch nur seine Bestimmung erklärt. Doch hätte er sie auch gutgeheißen, wenn er gewusst hätte, dass er zuerst geschmiedet werden musste, um schließlich zu einer vorzüglichen Waffe zu werden? Er hatte sich Schritt für Schritt in sein Schicksal fügen müssen, denn sonst hätte er sich ihm verweigert. Dann wäre er immer noch mit Jaina und Uther zusammen und sein Vater würde…

»Wenn er so allwissend ist, wie können ihn dann die Schreckenslords derart kontrollieren?«

»Sie sind die Abgesandten der Schöpfer unseres Herrn: der feurigen Lords der Brennenden Legion.«

Arthas erschauderte bei diesen Worten. Brennende Legion. Nur zwei Worte, doch die Macht, die sie verhießen, war berauschend. Auf seinem Schoß flackerte Frostgram.

»Das ist eine riesige Armee von Dämonen, die bereits zahllose Welten vor Eurer eigenen verschlungen hat.« Kel’Thuzads Stimme war beinahe hypnotisch und Arthas schloss einen Augenblick lang die Augen. In seinem Geist erhoben sich Bilder, während der Lich sprach. Er sah einen roten Himmel über einer roten Welt. Über einen Hügel strömte eine Woge von Kreaturen. Sie bewegten sich wie Hunde, doch es waren keine natürlichen Geschöpfe – sie hatten furchterregende Mäuler voller spitzer Zähne und merkwürdige Tentakel entsprangen ihren Schultern. Steine krachten zu Boden und hinterließen Spuren grünen Feuers, die zum Leben erwachten, als der lebendig gewordene Fels auf die Feinde zumarschierte.

»Jetzt muss diese Welt für die Flamme bereit gemacht werden. Unser Herr wurde erschaffen, um den Weg für ihre Ankunft zu ebnen. Die Schreckenslords sollen seinen Erfolg sichern.«

Die Bilder in Arthas’ Kopf änderten sich. Er blickte nun auf ein mit Ornamenten verziertes Tor. Er wusste, dass es das Dunkle Portal war, obwohl er es nie mit eigenen Augen gesehen hatte. Grünes Feuer loderte darin und eine Schar von Dämonen stand um es herum.

Arthas schüttelte den Kopf und die Vision löste sich auf. »Also diente die Seuche in Lordaeron, die Zitadellen von Nordend, das Abschlachten der Elfen… nur der Vorbereitung auf die groß angelegte Invasion der Dämonen?«

»Ja. Mit der Zeit werdet Ihr herausfinden, dass unsere ganze Geschichte auf den anstehenden Konflikt hin zugeschnitten war.«

Arthas dachte darüber nach. Frostgram erwachte und er entfernte den Handschuh von seiner rechten Hand, um es zu liebkosen. Es war so bitterkalt, dass selbst er als Todesritter, der für solch eine Aufgabe geschaffen worden war, stöhnte, als er es berührte. Er hörte erneut das Flüstern und lächelte.

»Es steckt aber noch mehr dahinter, Lich, oder?«, fragte er und blickte Kel’Thuzad an. »Du hast gesagt, dass die Schreckenslords unseren Herrn eingekerkert haben. Erzähl mir etwas darüber.«

Weil er nicht mehr aus Fleisch bestand, hatte Kel’Thuzad auch keinen Gesichtsausdruck mehr, mit dem er seine Gefühle zeigen konnte. Doch Arthas konnte an der leichten Krümmung seines untoten Körpers erkennen, dass der Lich sich dabei unwohl fühlte. Dennoch antwortete er.

»In der ersten Phase des Plans sollte die Geißel geschaffen werden, um jeden Widerstand zu beseitigen, der sich der Legion eventuell entgegenstellen würde.«

Arthas nickte. »Wie die Streitkräfte von Lordaeron… und die Hochelfen.« Er spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Doch er ignorierte das Gefühl.

»Genau. In der zweiten Phase wird ein Dämonenlord beschworen, der die Invasion anführt.« Der Lich hob einen knochigen Finger und wies in die Richtung, in die sie reisten. »Ein Lager der Orcs liegt in der Nähe. Dort gibt es ein funktionierendes Dämonentor. Über dieses Tor werde ich die Anweisungen des Dämonenlords erhalten.«

Arthas saß einen Moment lang unbeweglich auf Invincible. Seine Gedanken wanderten zurück zu der Zeit, als er die Orcs gemeinsam mit Uther bei Strahnbrad bekämpft hatte. Er erinnerte sich daran, dass die Orcs den Dämonenlords Menschen geopfert hatten. Er und Uther waren darüber entsetzt gewesen. Arthas war so zornig geworden, dass Uther ihn nur mit Mühe dazu überreden konnte, nicht mit Wut im Herzen zu kämpfen. »Wenn wir unseren Gefühlen nachgeben und zulassen, dass sie sich in Blutdurst verwandeln, sind wir nicht besser als die Orcs«, hatte Uther ihn gescholten.

Doch Uther war tot, und obwohl Arthas immer noch Orcs tötete, arbeitete er jetzt auch gleichzeitig mit den Dämonen zusammen. Ein Muskel nahe seinem linken Auge zuckte.

»Worauf warten wir dann noch?«, fauchte er und trieb Invincible an.

Die Orcs kämpften tapfer, doch schließlich war ihr Mühen ebenso aussichtslos wie alle Versuche, die Geißel aufzuhalten, aussichtslos waren. Arthas galoppierte vorwärts, Invincible sprang flink über die gefallenen Orcs hinweg. Der Prinz betrachtete das Tor eine Weile. Es bestand aus drei steinernen Platten, die für ein so plumpes Volk erstaunlich anmutig gearbeitet waren. In der Nähe waren große Tierknochen aufgestellt worden, die hellrot leuchteten. Zwischen den Steinplatten wirbelte träge die grüne Energie und bildete den Durchgang in eine andere Welt. Jaina wäre fasziniert gewesen – doch zu verängstigt, um ihre Neugierde zu stillen. Das machte sie schwach.

Es… war das, was sie zu Jaina machte…

»Die Orcs wurden besiegt«, zischte Arthas. »Das Dämonentor gehört dir, Lich.«

Das Skelett erschauderte vor Genugtuung, schwebte vorwärts und hob flehentlich die Arme. Einige Stufen führten zu dem Durchgang. Arthas bemerkte, dass der Lich nicht eine von ihnen hinaufstieg. Stattdessen blieb er unten stehen, entweder aus Respekt… oder aus der deutlich pragmatischeren Absicht heraus, Verletzungen zu vermeiden. Arthas blieb zurück und beobachtete ihn eindringlich von Invincibles Rücken aus.

»Ich rufe dich an, Archimonde! Dein demütiger Diener ersucht um eine Audienz!«

Der grüne Nebel wirbelte weiter. Dann konnte Arthas einen Umriss – Gesichtszüge – erkennen, die gleichermaßen anders wirkten und dann doch wieder denen der Schreckenslords glichen.

Arthas meinte, blaugraue Haut zu erkennen, doch er war sich nicht sicher. Dennoch war der Körper des Dämons fraglos kräftig. Er verfügte über einen mächtigen Brustkorb, lange, starke Arme und einen Unterleib, der wie der einer Ziege geformt war. Archimondes Beine endeten in Hufen. Sein Schwanz zuckte und strafte die vorgebliche Gelassenheit des Dämonenlords Lügen. Er trug eine goldene, strahlende Rüstung, die mit Schädeln und Dornen verziert war. Zwei lange, dünne Tentakel hingen von seinem Kinn herab. Doch der atemberaubendste Teil seines länglichen Gesichts waren die Augen. Sie leuchteten in einem hellen Grün, das hypnotischer wirkte als der grüne Nebel, der den Dämon umgab. Obwohl Archimonde noch nicht einmal auf dieser Welt war, war Arthas von der Präsenz des Dämons beeindruckt.